Geschwindigkeitsübertretung: Nur der Fahrzeugführer kann zur Verantwortung gezogen werden.

Bestimmte Verkehrsverstöße scheinen für viele Deutsche eine Art Kavaliersdelikt. Statt der Einsicht ist dann schnell der Ärger über die Behörden groß, sobald zum Beispiel jemand aufgrund einer überhöhten Geschwindigkeit geblitzt wurde. Drohen doch Bußgelder und Strafpunkte in Flensburg. Da freut sich mitunter, wer bei Eintreffen des Bescheids feststellt: Das Foto ist missglückt, das zur Identifizierung des Fahrzeugführers „geschossen“ wurde. Oder den Behörden ist durch andere Gründe keine Identifizierung möglich.

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Denn selbstverständlich kann für eine Geschwindigkeitsübertretung nur jener zur Verantwortung gezogen werden, der tatsächlich auch beim Verstoß hinter dem Steuer saß – der Fahrzeugführer. Der Fahrzeughalter hingegen kann nur zur Mitwirkung bei der Aufklärung des Verkehrsverstoßes aufgefordert werden – und diese verweigern. Aber wäre man nicht ziemlich dumm, wenn man negative Konsequenzen in Kauf nimmt, die aufgrund fehlender Beweise gar nicht in Kauf genommen werden müssten? Eine positive Beantwortung dieser Frage scheint keineswegs unüblich unter Deutschen.

Und doch hat es mit den verweigerten Pflichten des Fahrzeughalters in einer solchen Situation so seine Tücken, wie ein Beschluss des Verwaltungsgerichts Mainz mit Datum vom 8. November 2019 zeigt (Az. 3 L 1039/19.MZ). Dieser Beschluss soll im Folgenden vorgestellt werden.

Ohne Aufklärung droht Aufklärungspflicht: Das Fahrtenbuch

Ausgangspunkt des Rechtsstreits: Die Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs. Denn verweigert ein Fahrzeughalter die Aufklärung eines Vergehens, wird dies zum Problem. Bedeuten doch Verkehrsverstöße, die mit Bußgeldern und Punkten in Flensburg geahndet werden, für den Gesetzgeber eben kein „Kavaliersdelikt“, sondern eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und damit eine Gefährdung anderer Menschen. Und wenngleich der Verstoß selber nun nicht mehr geahndet werden kann durch Unkenntnis der Tatsache, wer hinter dem Steuer saß, kann dennoch der Fahrzeughalter in die Pflicht genommen werden.

Die Behörden können anordnen, dass der Fahrzeughalter für die Aufklärung zukünftiger Verkehrsverstöße verantwortlich ist. Rechtliche Grundlage ist Paragraf 31a der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO). Der Paragraf erlaubt es der zuständigen Landesbehörde, die Führung eines Fahrtenbuchs anzuordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war.

Fahrzeughalter muss genau nachweisen, wer wann wo hinter dem Steuer saß

Wird ein Fahrtenbuch angeordnet, kann sich der Fahrzeughalter nicht mehr der Angabe entziehen, wer wann und wo hinter dem Steuer saß. Stattdessen ist Genauigkeit gefragt: Über wirklich jede Fahrt ist genau Buch zu führen, und zwar mitunter sogar für jedes auf den Fahrzeughalter zugelassene Fahrzeug.

Für jede einzelne Fahrt sind – noch vor Antritt der Fahrt – dann folgende Daten einzutragen:

  • Name, Vorname und Anschrift des Fahrzeugführers,
  • amtliches Kennzeichen des Fahrzeugs,
  • Datum und Uhrzeit des Beginns der Fahrt

Nach Beendigung der Fahrt sind zudem unverzüglich Datum und Uhrzeit einzutragen – und zwar mit Unterschrift des Fahrzeughalters.

Das Fahrtenbuch muss zudem den zuständigen Behörden jederzeit auf Verlangen vorgezeigt werden. Dazu muss es natürlich auch aufbewahrt werden – nach Ablauf der Zeit, für die es geführt werden muss, sogar noch für sechs weitere Monate. Handelt der Fahrzeughalter nicht entsprechend und führt das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß oder vollständig oder kann es nicht vorzeigen, droht ein Bußgeld, das sich nach Zahl und Dauer der Vergehen auch summieren kann.

Verstoß gegen die Verfügung: Zum Bußgeld droht ein Zwangsgeld

Mehr noch: Gemäß Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz (VwVG) und den entsprechenden Vorgaben auf Landesebene kann sogar ein noch wesentlich höheres Zwangsgeld zum Bußgeld hinzu kommen – verhängt, um Pflichtige zur Führung des Fahrtenbuchs anzuhalten. Beim Streit vor dem Verwaltungsgericht Mainz zum Beispiel hätte der Fahrzeughalter 400 Euro bezahlen müssen, falls er der Anordnung nicht nachkommt – für jeden Monat, in welchem er kein Fahrtenbuch führt. Demnach summierte sich der Streitwert auch auf 6.000 Euro.


Beschluss in Mainz zeigt: Geschwindigkeitsübertretung ist kein Kavaliersdelikt

Was führte zu dem Beschluss? Ausgangsdelikt war eine Geschwindigkeitsübertretung: Das Auto eines Mannes fuhr 34 km/h zu schnell auf einer Straße, für die nur 80 km/h erlaubt waren. 120 Euro Bußgeld sowie ein Strafpunkt im Zentralen Fahrzeugregister (ZFZR) in Flensburg drohten für diesen Verkehrsverstoß. Jedoch: Das Foto des Blitzgeräts erlaubte nicht, den Fahrzeugführer zu identifizieren.

Fahrzeughalter war nicht bereit, aufzuklären

Was nun folgte, waren Ermittlungen, bei denen der Fahrzeughalter jede Zusammenarbeit zur Aufklärung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens verweigerte. Denn mehrfach wurde an den Fahrzeughalter ein Anhörungsbogen übersandt. Der Fahrzeughalter reagierte hierauf aber nicht. Die Ermittlungsbehörde versuchte nun, bei der Verbandsgemeindeverwaltung um ein Vergleichsfoto des Fahrzeughalters zu ersuchen. Ein solches Foto hätte vielleicht erlaubt, den Halter als Fahrzeugführer als Mann hinter dem Steuer während der Geschwindigkeitsübertretung zu identifizieren. Die Verwaltung verfügte aber über ein solches Foto nicht.

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Polizei bekam Fahrzeughalter nicht zu Gesicht

Nun wurde die zuständige Polizeiinspektion um Amtshilfe gebeten – dreimal suchte sie erfolglos die Wohnung des Fahrzeughalters auf, ohne diesen anzutreffen. Sogar die Anfrage bei der Führerscheinstelle sowie Ermittlungen zu möglichen männlichen Verwandte des Antragstellers (als mögliche Fahrer) durch die Ermittlungsbehörde blieben erfolglos. Laut Gericht waren damit alle Möglichkeiten ausgeschöpft – erfolglos.

Es war aber keineswegs so, dass der Fahrzeughalter gar nicht auf die Ermittlungen reagierte. Vielmehr rief er bei der Polizeiinspektion an und teilte mit, dass er in nächster Zeit nicht zu sprechen sei und dass Anfragen schriftlich an ihn zu richten seien – um wiederum auf Schreiben nicht zu reagieren. Da jeder Wille zur Aufklärung fehlte, sah die zuständige Behörde nun keinen anderen Weg, als das Führen eines Fahrtenbuchs zu verfügen. Dies geschah durch Anordnung des Sofortvollzugs und unter Drohung mit einem Zwangsgeld. Auch schrieb die Verfügung eine Dauer von 15 Monaten vor.

Fahrzeughalter wollte Zeitgewinn für das Widerspruchsverfahren

Gegen die Verfügung zum Führen eines Fahrtenbuchs legte nun der Fahrzeughalter Widerspruch ein – und wollte aufgrund des drohenden Zwangsgelds zugleich vor dem Verwaltungsgericht in Mainz eine aufschiebende Wirkung erreichen, bis über den Widerspruch entschieden wäre. Das allerdings wurde ihm durch das Verwaltungsgericht nicht gewährt. Denn das Widerspruchsverfahren wird aus Sicht des Gerichts keinen Erfolg haben – die Verfügung sei offensichtlich rechtmäßig.

Auch hätte das Interesse der verantwortlichen Behörde Vorrang vor dem Interesse des Fahrzeughalters. Geht es doch um die Sicherheit des Verkehrs und um den Schutz vor einer Gefährdung von Leben, Gesundheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer.

Fahrtenbuchauflage: Sind 15 Monate unangemessen?

Ein wesentlicher Punkt des Widerspruchsverfahrens betraf die Dauer der Fahrtenbuchauflage – der Fahrzeughalter hielt 15 Monate für unangemessen lang: Eine solche Dauer aufgrund einer Übertretung um 34 km/h würde gegen das so genannte Übermaßverbot und damit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Für diese Argumentation wollte der Fahrzeughalter unter anderem geltend machen, dass er Ersttäter sei – was übrigens nicht stimmte, wie ihm das Gericht bewies. Denn schon ein Jahr zuvor war der Fahrzeughalter durch eine Geschwindigkeitsübertretung von 21 km/h aufgefallen.

Fahrtenbuchauflage: Nicht strafend, sondern präventiv

Dies freilich – die Frage, ob Ersttäter oder nicht – spielt aber laut Gericht überhaupt keine Rolle. Denn der Fahrzeughalter übersieht in seinen Widerspruchsgründen: Der Fahrtenbuchauflage kommt eine rein präventive und keine strafende Funktion zu. Sie stellt ausschließlich eine der Sicherung und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr dar: Sorge soll dafür getragen werden, dass künftige Feststellungen eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften ohne Schwierigkeiten möglich sind.

Wichtig: Fahrtenbuch kann sogar trotz Mitarbeit des Fahrzeughalters angeordnet werden

Deswegen wäre die Auflage, ein Fahrtenbuch zu führen, sogar dann möglich, wenn der Fahrzeughalter an der Feststellung zwar mitgewirkt hätte, der Fahrzeugführer aber dennoch nicht ermittelt werden konnte. Sogar dann kann das Führen eines Fahrtenbuch angeordnet werden aufgrund einer präventiven statt einer strafenden Funktion der Maßnahme.

Dauer von einem Jahr schon bei Übertretung um 20 km/h angemessen

Die Dauer, für die ein Fahrtenbuch angeordnet wird, liegt hierbei im Ermessen der Behörden. Und dieses Ermessen richtet sich nach Art des Verkehrsverstoßes. Zwar wird das Führen eines Fahrtenbuchs häufig für die Dauer von sechs Monaten angeordnet. Das bedeutet aber keine Unangemessenheit einer längeren Dauer. Denn schon eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mehr als 20 km/h kann eine Fahrtenbuchauflage von einem Jahr rechtfertigen, wie das Verwaltungsgericht Mainz unter Berufung auf ein älteres Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) ausführt (Az. 7 C 49/77).

Punkt in Flensburg: Bedeutet bereits erheblichen Verkehrsverstoß

Das Gericht stellt zudem heraus: Die angeordnete Fahrtenbuchauflage für die Dauer von 15 Monaten erweist sich aber auch darum als angemessen, da schon bei einem drohenden Punkt in Flensburg von einem erheblichen Verkehrsverstoß auszugehen ist. Denn nach Umstellung des Punktesystems zum 1. Mai 2014 werden die Punkte nur noch für Verstöße gegeben, die die Verkehrssicherheit auch wirklich beeinträchtigen.

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Aus diesem Grund widerspricht auch das angedrohte Zwangsgeld bei Verstoß gegen die Anordnung nicht der Angemessenheit. Anders, als von vielen Autofahrern angenommen, ist demnach eine Verkehrszuwiderhandlung, die mit einem Punkt in Flensburg geahndet wird, kein Kavaliersdelikt. Sondern sie bedeutet eine Gefährdung von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer. Der Beschluss ist auf den Seiten der Justiz Rheinland-Pfalz verfügbar.

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