Versicherungsbote: Hallo Herr Hamacher, können Sie sich kurz vorstellen? Seit wann sind Sie in der Branche aktiv und was sind Ihre Schwerpunkte?

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Patrick Hamacher: Sehr gerne. Doch bevor ich loslege: Ich mache einiges ein kleines bisschen anders, als man es von einem Versicherungsmakler gewohnt ist. Z.B. duze ich grundsätzlich meine Kunden und Mandanten. Daher würde ich "Ihnen" auch gerne das "Du" anbieten. Ich bin der Patrick.

2005 begann ich meine Ausbildung zum Versicherungskaufmann (IHK), war dann bis 2015 in der Ausschließlichkeit, habe nebenher das Studium des geprüften Versicherungsfachwirts absolviert und bin seit 2011 zudem Dozent für das BWV. 2015 übernahm ich dann das Versicherungsmaklerbüro meines Vaters und digitalisierte es. 2018 wurde ich in den Prüfungsausschuss der IHK berufen und 2019 in die Vollversammlung gewählt. Die Schwerpunkte liegen in der Biometrie und Krankenversicherung. Meine Kernzielgruppe sind Freelancer, (ortsunabhängige) Selbstständige und sog. "Digitale Nomaden".

Du betreibst als Makler einen Podcast über Versicherungsthemen. Warum ausgerechnet ein Podcast? Worin liegt der Reiz, auf diese Art über Versicherungen zu informieren?

Ich nenne Podcast immer scherzhaft "Das YouTube für Hässliche". Selbst habe ich durch das Hören von Podcast sehr viel gelernt. Es ist einfach praktisch, dass man sich Wissen über verschiedenste Themen - quasi nebenbei - in den "toten Zeiten", wie zum Beispiel dem Autofahren, beim Sport oder Kochen, aneignen kann. Dazu ist das Medium Audio einfach klasse.

Und da es 2017 so gut wie kein Wissen über Versicherungen in Audioform gab, haben Bastian Kunkel (Versicherungen mit Kopf) und ich uns gedacht, dass wir dies ändern müssen.

Was sind die größten Herausforderungen, wenn es gilt, komplexe Versicherungsthemen in ein Audioformat zu übersetzen? Und was daran macht Dir am meisten Spaß?

Die größte Herausforderung ist es - und das wird jeder Versicherungsvermittler kennen - dass man komplexe Zusammenhänge herunterbricht und auf verständliche Art und Weise für einen Branchenfremden häppchenweise erklärt. Das ist auditiv auch nicht leichter oder schwieriger als visuell.

Bei den Benjamin-Blümchen-Kassetten aus meiner Kindheit konnte ich mir immer ein schönes Kopfkino ausmalen und war voll im Geschehen. Wenn wir es schaffen, im Podcast durch unsere Geschichten auch ein solches Kopfkino zu erzeugen, dann kann man auch den Begriff "abstrakte Verweisung" anschaulich erklären. Besonders Spaß macht es, dass wir zwar die Sache an sich sehr ernst nehmen, wir uns selbst aber nicht.

„Versicherungsgeflüster“ heißt Dein Podcast. Ich finde den Namen interessant: „Geflüster“ weckt bei mir Assoziationen wie leise, subtil, sogar sinnlich. Das mag nicht ganz zu der Komplexität der Verträge und den lauten Werbebotschaften der Branche passen. Was war Eure Idee hinter dem Namen?

Wir hatten keine Zeit für großes Geschrei. ;-) Nein, der Name entstand tatsächlich durch Zufall. Da "Versicherungspodcast" schon besetzt war, suchten wir nach einer Alternative. Mit Hilfe unserer Onlinecommunity fanden wir dann das Versicherungsgeflüster. Ich bin sehr dankbar für die Frage. „Subtil“ und „sinnlich“ habe ich bis dato noch nicht auf dem Schirm gehabt. Aber vielleicht ist es ja genau dieses Anderssein, als man es in unserer Branche vermutet, was den Erfolg ausmacht.

Wir holen die Hörer dort ab, wo sie stehen. Zumeist nämlich noch ganz am Anfang. Und da bedarf es keiner lauten Worte und keiner Selbstbeweihräucherung mit Slogans, Signets und Sternchen. Aufklärung, Wissensvermittlung und Hilfe zur Eigenverantwortlichkeit… das ist es, was wir „flüstern“.

Geben sich aus Deiner Sicht die Versicherer ausreichend Mühe, ihre Produkte zu erklären und verständlich zu gestalten? Was kann besser werden?

Bis vor einem Jahr hätte ich gesagt, dass neben dem eben angesprochenen Selbstbeweihräuchern auf den Websites der Versicherungsunternehmen nicht viel zu finden war. Inzwischen bemerkt man aber das Umdenken und sieht, dass sich einige sehr viel Mühe geben und endlich auch einmal aus Kundensicht denken.

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Es fehlt jedoch noch immer die Aufklärung. Häufig kommt es mir so vor, dass zwar erklärt wird, wie man Steigeisen, Klettergurt und Karabiner einsetzt - wenn der Kunde jedoch noch nie zuvor Wandern war, macht das keinen Sinn. Da sollte vielleicht erst einmal über das Schuhwerk und vernünftige Wanderkleidung gesprochen werden.

"Ich finde es bedenklich, dass noch immer mit teuren Uhren und schnellen Autos geworben wird."

Die Versicherungsbranche hat ein Nachwuchsproblem: Vermittler sind im Schnitt 50 Jahre alt, der Innendienst immerhin 48 Jahre. Was sind aus Deiner Sicht die Ursachen dafür? Warum ist die Branche für viele junge Menschen eher uninteressant?

Ich könnte jetzt gemein sein und sagen, dass es doch schön ist, dass wenigstens in der Versicherungsbranche den älteren Semestern noch ein Arbeitsplatz angeboten wird. Demografisch betrachtet liegen wir damit ja auch nur ein paar Jahre über dem Durchschnittsalter aller Personen in Deutschland.

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Die Versicherungsbranche hat aber in den letzten Jahrzehnten einfach verpasst, das Image, welches von wenigen zum Negativen hin geprägt wurde, wieder ins rechte Licht zu rücken. Und welcher junge Mensch möchte dann schon in einem Job arbeiten, wo die Gesellschaft bei der bloßen Erwähnung von "Versicherung" die Nase rümpft und man als Klinkenputzer abgestempelt wird?

…wieso hast Du Dich entschlossen, diesen Beruf zu ergreifen? Vielleicht liegt darin ja schon ein Geheimnis, wie es gelingen könnte, mehr Nachwuchskräfte anzuwerben.

Während meines Ingenieurstudiums habe ich gemerkt, dass Maschinenbauer nicht der Beruf ist, den ich für den Rest meines Lebens machen möchte. Darum war es die logische Konsequenz, nach meinem Vordiplom eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann zu machen. Nichts liegt da näher. (lacht)

Nein, Spaß beiseite. Da mein Vater und auch meine große Schwester in der Versicherung tätig sind, hatte ich schon immer als Kind und Jugendlicher ein positives Bild von unserer Branche. Ich helfe gerne, bin kommunikativ und setze mich ebenso gern für andere ein. Und da der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, entschied ich mich 2005 für diesen Weg.

…was kann die Versicherungs- und Vorsorgebranche tun, um mehr Menschen für die wichtige Maklertätigkeit zu gewinnen?

Das über Jahrzehnte kaputtgemachte Image unserer Branche wird sich nicht von jetzt auf gleich ins Positive verändern lassen. Ich finde es bedenklich, dass noch immer viel zu häufig bei der Anwerbung von Nachwuchs mit einer vermeintlich hohen Vergütung, teuren Uhren und schnellen Autos geworben wird.

Ich begreife meine Tätigkeit als eine extrem wichtige sozialpolitische Aufgabe, ohne die unser gesamtes Wirtschafts- und Sozialsystem nicht funktionieren würde. Wenn diese Werte mehr in den Vordergrund gerückt werden würden, könnte es auch klappen, dass sich die richtigen Personen für unseren Job interessieren.

Du hast Dich als Versicherungsmakler selbstständig gemacht. Warum diese Entscheidung? Worin liegen die Vorteile der Selbstständigkeit?

Unabhängigkeit und Freiheit. Mit diesen zwei Worten kann ich beide Fragen beantworten. Als Versicherungsmakler bin ich frei in der Wahl der Produkte und kann ungebunden beraten. Und darin sehe ich auch die Vorteile, sowohl für meine Kunden als auch für mich selbst.

In der Selbstständigkeit kann ich ebenso frei und unabhängig entscheiden, wo, wie und wann ich arbeite. Die größte Freiheit dabei ist: Ich muss niemanden um Erlaubnis fragen, wenn ich meinen Urlaub plane.

…hast Du auch Widerstände auf dem Weg in die Selbstständigkeit erfahren? Welche Hürden gab und gibt es?

Wirkliche Widerstände habe ich bisher keine erfahren. Beruflich bin ich immer lösungsorientiert unterwegs. Und wenn es Hürden geben sollte, muss ich eben wie ein Unternehmer denken und handeln, sprich: Einen Weg finden, um über die Hürde zu springen. Wobei ich den Begriff "Hürde" nicht gerne verwende. Lieber ist mir da das Wort Herausforderung. Und ohne Herausforderungen wäre es doch auch langweilig. Eine meiner größeren Herausforderungen momentan ist es, dass die Versicherer digitale Unterschriften anerkennen.

Du scheinst viel in der Welt unterwegs zu sein, wenn man Deine Social-Media-Aktivitäten verfolgt. Wie berätst Du und wie sieht Dein Arbeitsalltag aus? Bist Du eine Art „Persönlicher Digitalmakler“?

Der Begriff „persönlicher Digitalmakler“ trifft es ziemlich gut. Einen sehr großen Teil meiner Beratungen führe ich mit meinen Kunden online im Videochat durch. Viele Kollegen behaupten, dass das nicht ginge und nicht persönlich genug sei, dass man keine Kundenbindung aufbauen könne. Aber der einzige Unterschied – wie ich finde – zur klassischen Offline-Beratung ist, dass man sich zur Begrüßung nicht die Hand geben kann. Ansonsten sitzt man sich dennoch – wenn auch nur virtuell – gegenüber, sieht Gestik und Mimik des anderen und unterhält sich ganz normal. Die Kundenbindung war bei mir noch nie so hoch, wie aktuell. Ich bin über Social Media, Messenger und Chat ständig mit meinen Kunden in Kontakt. Die kurzen und unkomplizierten Wege wissen meine Kunden sehr zu schätzen.

Mein Arbeitsalltag unterscheidet sich wahrscheinlich auch nicht groß vom herkömmlichen Makler. Morgens geht´s ins Büro, Kaffee trinken, Newsletter lesen, mindestens 30 Minuten Weiterbildung, Papierkram (bei mir jedoch komplett digital) erledigen und ab 9 Uhr die Beratungen wahrnehmen. Ob mein Büro dabei mein „richtiges Büro“ in Würzburg ist oder ein Hotelzimmer, ist mir egal. Ich brauche nur meinen Laptop und Internet, um arbeiten zu können. Und Ruhe. Ich telefoniere nämlich äußerst ungerne in der Öffentlichkeit. Das ist aus Datenschutzgründen wahrscheinlich auch sinnvoller. Ansonsten ist mein Laptop-Blickschutzfilter mein bester Freund und hilft vor neugierigen Blicken.

"Man nimmt es einer Versicherung einfach nicht ab, dass sie jung, fresh und lit ist..."

…und wie gehst Du als junger Makler mit den Risiken der Selbstständigkeit um? Gibt es zentrale Dinge, auf die Du in Deinem Beruf gern verzichten würdest?

Vielleicht klingt das jetzt etwas naiv von mir. Aber welches wirklich große Risiko habe ich als Versicherungsmakler, der keine Waren produziert und in teuren Lagern vorhalten muss? Ich habe ein "Laptopbusiness". Von daher ist mein Einsatz an finanziellen Mitteln sehr gering. Und ich muss nicht in Vorkasse gehen, um teure Maschinen oder ähnliches zu kaufen.

Bei der weiteren Risikoabschätzung frage ich mich immer: "Was kann im schlimmsten Fall passieren?" Haftungstechnisch liefere ich saubere Arbeit. Und Kunden gibt es für jeden genug. Die Gesundheit ist das Wichtigste - und dafür gibt´s Versicherungen. Auf zu viel Bürokratie und sinnlose Rückfragen, weil z.B. meine E-Mails nur halb gelesen werden oder im Passierschein A38 der Vor- und Nachname vertauscht wurde, könnte ich verzichten. Das ist zwar zentral, aber wahrscheinlich nicht berufsspezifisch genug.

Hat die Versicherungsbranche allgemein ein Problem, eine junge Zielgruppe anzusprechen? Ein MC Fitti rappt für die LVM, Sijox schickt junge BMX-Profis mit Rastas und Tattoos ins Rennen. Warum gelten Versicherungen trotzdem noch als uncool und für viele junge Menschen uninteressant, wie auch Umfragen immer wieder zeigen?

Solange der vorhin angesprochene sozialpolitische Zweck einer Versicherung nicht in den Köpfen der Menschen lanciert werden kann, sind Versicherungen so uncool wie Wurzelbehandlungen oder Steuererklärungen. Da helfen leider auch kein MC Fitti (Super Lied übrigens und ein super Style mit Kappe und Vollbart!) oder BMX-Profis. Das Problem ist, glaube ich, dass man es einer Versicherung einfach nicht abnimmt, dass sie jung, fresh und lit ist. Und dann wirken die Werbebotschaften auch nicht authentisch.

Ich würde mir jedoch wünschen, wenn künftig Studenten oder Auszubildende mit Ihren Freunden darüber sprechen würden, dass sie jetzt endlich auch eine super Berufsunfähigkeitsversicherung haben und bereits angefangen haben, für ihr Alter vorzusorgen. Einfach nur, weil es cool, wichtig und sogar notwendig ist. Ob wir das jedoch noch erleben werden? Sehr fragwürdig.

In Deinem Podcast verwendest Du spielerische Momente, unter anderem ein Quiz-Battle. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Gamefication“: Der Rezipient wird zum Mitmachen animiert, seine Aufmerksamkeit erregt, es macht Spaß. Müssten solche Momente in der Versicherungsbranche nicht häufiger genutzt werden? Und wenn ja: Warum passiert das nicht?

Bei unseren "Quiz-Battles" im Podcast hatten wir uns überlegt, wie wir einen Weg finden können, um Fachbegriffe auf eine etwas andere Art zu erklären. Wenn wir nur die Begriffsdefinition von zum Beispiel abstrakter Verweisung oder Forderungsausfalldeckung herunterbeten, würde das mit Sicherheit niemanden interessieren.

Durch die Quiz-Situation können die Hörer - wie Du schon richtig sagtest - selbst mitmachen und freuen sich vielleicht, wenn wir auch einmal über die Antwort nachdenken müssen und dann vom anderen aufs Korn genommen werden. Ein bisschen so wie bei "Wer wird Millionär". Die Wissensvermittlung passiert eher nebenbei, weil der Fokus darauf liegt, wer von uns die zufällig ausgewählten Fragen besser beantworten kann.

Und warum es kaum "Gamification" oder "Infotainment" in der Versicherungsbranche gibt? Darauf habe ich keine konkrete Antwort. Wahrscheinlich, weil es einfach nicht seriös genug ist.

Gibt es ein Produkt, das die Versicherungsbranche noch nicht bereithält und aus Deiner Sicht eingeführt werden müsste? Mehrere Versicherer berichten uns, dass sie in der Produktentwicklung auf Ideen von Maklern zurückgreifen: Vielleicht hilft es ja ;-).

Versicherungen zahlen immer dann eine Leistung, nachdem etwas passiert ist. Sie begleichen den Schaden am Auto nach einem Unfall. Sie erstatten die Arztrechnung nach der Behandlung. Sie leisten eine Rente nach Feststellung einer Depression, die zur Berufsunfähigkeit führte. Warum gibt es keine Versicherung, die bereits präventiv Maßnahmen unternimmt, damit es erst gar nicht zu den Schäden kommt?

Wenn man sich die häufigsten Ursachen für eine Berufsunfähigkeit ansieht, stehen psychische Leiden inzwischen auf dem ersten Platz. Ich könnte mir zum Beispiel eine BU-Versicherung vorstellen, die 1x pro Jahr ein kostenloses Gespräch mit einem Psychologen anbietet. Dadurch könnten vielleicht einige potentielle BU-Fälle im Vorfeld erkannt, dem Kunden könnte damit auch frühzeitig geholfen und somit Geld gespart werden. Es gibt Länder, da gehört es fast schon zum guten Ton, wenn man zu einem Coach, Lebensberater oder Psychotherapeuten geht - auch, wenn man keine ICD10-F-Diagnose hat.

Die Fragen stellte Mirko Wenig

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