Es ist ein Satz, der Sprengkraft haben könnte: aber vor allem dann, wenn man ihn losgelöst von seinem Kontext betrachtet. Nach Einschätzung von Gabriel Bernardino, portugiesischer Mathematiker und Vorsitzender der europäischen Versicherungsaufsicht (EIOPA), gäbe es einige Lebensversicherer in Deutschland, „die ohne Übergangsregeln insolvent wären“. So wird Bernardino von der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zitiert. Bernardino sprach am Dienstagabend demnach vor dem Internationalen Club Frankfurter Wirtschaftsjournalisten.

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Erleichterte Bedingungen bis 2032

Gabriel Bernardino, Chef der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Quelle: eiopa.europa.euSeit 2017 müssen die Lebensversicherer jedes Jahr der Finanzaufsicht Stabilitätsberichte vorlegen, die auch für Verbraucher öffentlich zugänglich sein müssen. Das schreibt das neue Aufsichtsregime Solvency II vor. Dabei müssen die Versicherer nachweisen, dass sie über genügend Eigenmittel verfügen, um langfristig alle Zusagen an die Kunden erfüllen zu können. Auch müssen sie in Modellrechnungen vorrechnen, dass ihr Geschäftsmodell stabil genug ist, um in Krisenzeiten nicht in existentielle Nöte zu geraten. In Deutschland wacht die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) über die Stabilität der Versicherer.

Bis 2032 aber dürfen die Versicherer von erleichterten Übergangsregeln Gebrauch machen, um ihre Stabilität nachzuweisen. Dies ist auch der Grund, weshalb Bernardino nun keinen Anlass zur Panik sieht. Sehr bewusst hat die europäische Finanzaufsicht diese Übergangsregeln erlaubt - weil sie wussten, dass ohne sie einige Versicherer Probleme haben werden. Ihnen soll ausreichend Zeit bleiben, ihr Geschäftsmodell anzupassen. Entsprechend äußerte sich jetzt Bernardino laut FAZ. Zwar sei nicht auszuschließen, „dass es Situationen geben könnte, in denen Unternehmen vor Schwierigkeiten stehen“. Dies sei aber in der derzeitigen Lage nicht absehbar.

Stabilität der Lebensversicherer stieg zuletzt

Im aktuellen Jahr mussten die Lebensversicherer ihre Stabilität bis spätestens dem 07. Mai vorlegen. Und dabei zeigte sich ein positiver Trend: In der Summe stehen die Lebensversicherer stabiler da als noch im Jahr zuvor. Die Bedeckungsquote stieg im Branchenschnitt von 316 Prozent auf 382 Prozent. Grob vereinfacht zeigt die Bedeckungsquote, ob der Versicherer einen ausreichend großen Kapitalpuffer besitzt, um alle Ansprüche der Kunden auch dann bedienen zu können, wenn sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verschlechtern - etwa bei einer neuen Finanzkrise. Ein Wert unter 100 Prozent wird hierbei als kritisch bewertet.

Dennoch: Fast alle Lebensversicherer machen aktuell von den erleichterten Übergangsregeln Gebrauch. Ohne diese würden derzeit elf Lebensversicherer die Anforderungen der BaFin nicht erfüllen können, mehrheitlich kleinere Anbieter (der Versicherungsbote berichtete). Die BaFin fordert dann einen Maßnahmenplan, um die Stabilität zu erhöhen.

Bernardino positioniert sich für Verkauf von Leben-Altbeständen

Grundsätzlich positiv äußerte sich Bernardino laut „FAZ“ zu Abwicklungsplattformen, die Lebensversicherern hochverzinste Altbestände abkaufen, um sie billiger und mit Gewinn zu verwalten. „Das ist gut und sollte möglich sein“, wird Europas Chefaufseher zitiert. Allerdings müsse es „vollständige Transparenz“ geben - und garantiert sein, dass kein Versicherter schlechter gestellt werde.

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Darüber hinaus habe Bernardino vorgeschlagen, eine eigene Anlageklasse für nachhaltige Investments zu schaffen. Sie soll es Lebensversicherern erlauben, ihr Geld verstärkt in nachhaltige Infrastruktur zu stecken - etwa durch niedrigere Kapitalanforderungen.

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