Im Dezember 2021 hatte die die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) die Ergebnisse eines umfangreichen Stresstests veröffentlicht. In diesem mussten die Versicherer nachweisen, dass sie auch auf mögliche Schock-Szenarien vorbereitet sind: angesichts der anhaltenden Corona-Krise kein unrealistisches Szenario. Und eigentlich hatte die Behörde gute Nachrichten: Die Versicherungs-Branche könne Krisen insgesamt gut wegstecken. Auch die deutschen Versicherer stehen trotz anhaltendem Niedrigzins und Corona recht robust da.

Anzeige

Doch die Behörde hatte damals bereits angekündigt, weitere Empfehlungen geben zu wollen. Teils sieht die Aufsicht Nachbesserungsbedarf: und teils seien Risiken in den Blick geraten, die noch nicht ausreichend in der Solvency II-Berichterstattung berücksichtigt worden seien. Diese Empfehlungen wurden nun in englischer Sprache auf der Webseite der EIOPA veröffentlicht. Sie richten sich an die nationalen Aufsichtsbehörden: und könnten dazu beitragen, die Regeln für die Solvency II-Berichterstattung weiter zu verschärfen. Das dürfte auch davon abhängen, ob und in welchem Umfang die nationalen Behörden die Empfehlungen aufnehmen und umsetzen.

Konkret empfiehlt EIOPA folgende sechs Maßnahmen:

  1. Die EIOPA empfiehlt den nationalen Aufsichtsbehörden zu prüfen, ob die Unternehmen, die noch auf Übergangsmaßnahmen angewiesen sind, konkrete Maßnahmen ergreifen, um ihre Abhängigkeit von Übergangsmaßnahmen zu verringern. Sie seien nur eingeführt wurden, um den Übergang vom Aufsichtsregime Solvency I zu Solvency II zu erleichtern, hebt die Behörde hervor. Bis 2032 dürfen die Versicherer noch mit Übergangsmaßnahmen rechnen, um eine ausreichende Kapitalausstattung nachzuweisen. Das soll ihnen helfen, die Geschäftsprozesse anzupassen und Risiken schrittweise zu minimieren. Nach Ansicht der EIOPA geschieht das zu langsam.
  2. Die EIOPA empfiehlt den nationalen Behörden, zu bewerten, ob Risiken, die entweder einen starken Rückgang der Solvenzkapitalanforderung (SCR) oder eine (Beinahe-)Verletzung der SCR-Quote verursachen, von den Versicherern angemessen gemanagt werden. So beobachtet die europäische Versicherungsaufsicht, dass bei einigen Versicherern die Solvenzquote in den Stresstests rapide einbrechen würde, zum Beispiel um mehr als 100 Prozentpunkte. Hier sollen die Behörden genauer hinschauen, um die Gründe für den starken Rückgang genauer zu verstehen: und folglich auch die Versicherer zur Vorsorge zwingen.
  3. Die nationalen Aufsicht sollen gewährleisten, dass die Versicherer auch Risiken außerhalb des Solvency-II-Regelwerks Risiken erfassen und bewerten. Hierbei hat EIOPA vor allem die Liquidität der Versicherer im Blick: also die Fähigkeit, sich auch kurzfristig Geld zu beschaffen, um alle Zusagen an Kundinnen und Kunden zu erfüllen. Zwar würden Versicherer grundsätzlich im traditionellen Versicherungsgeschäft einen stabilen Cashflow verzeichnen -zum Beispiel durch Prämieneinnahmen- und sie seien weniger als Banken abhängig von kurzfristigen Finanzierungen. Aber gerade in Krisenzeiten und in Zeiten schwieriger Marktphasen könnten auch Versicherer gezwungen sein, sich kurzfristig Geld zu besorgen. Hier fordern die Aufseher ein ausreichendes Liquiditätsmanagement.
  4. Die EIOPA hat es den Versicherern im Stresstest erstmals gestattet, ein breites Krisen-Instrumentarium für extreme Szenarien anzuwenden: etwa, Kapital zu erhöhen oder in andere Anlagen umzuschichten. Sie spricht von „reaktiven Managementmaßnahmen“, deren Wirkung im Rahmen der Governance-Regeln auch in einer Extra-Bilanz ausgewiesen werden sollte (z.B. Risikomanagementpläne, Sanierungspläne, neue Anlagestrategien etc.). Viele Unternehmen verzichteten auf diese Managementmaßnahmen im Stresstest, obwohl ein Handeln angebracht gewesen wäre und Probleme mit der Kapitalausstattung drohten. Hier sollen die nationalen Behörden prüfen, weshalb nicht gegengesteuert wurde - und ob die ergriffenen Maßnahmen der anderen Versicherer auch realistisch umsetzbar sind.
  5. Die EIOPA empfiehlt nationalen Behörden zu prüfen, welche Zeit die Versicherer benötigen, um Krisenmaßnahmen zu ergreifen. So sei es einigen Versicherern nicht möglich gewesen, auf negative Entwicklungen zu reagieren: etwa erforderliche Informationen in kurzer Zeit zu sammeln und die notwendigen Managementprozesse anzustoßen. In Krisenzeiten müssten Managementmaßnahmen aber kurzfristig ergriffen werden, um rechtzeitig zu reagieren.
  6. Einige Versicherer hätten sich zudem der Kooperation mit der Aufsicht verweigert und nur lückenhafte Daten vorgelegt. Hier sollten die nationalen Behörden aufsichtsrechtliche Maßnahmen ergreifen, empfiehlt EIOPA: einschließlich Prüfungen vor Ort.

Anzeige