Kernthema der Serie ist es, gemeinsam mit dem Leser einen Perspektivwechsel zu vollziehen und sich besser in die jeweils andere Seite hineinzuversetzen. Die dritte Folge beschäftigt sich mit dem Phänomen der Bestandsumdeckungen.

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Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Bestandsumdeckungen sind in den letzten Jahren mächtig in Mode gekommen. So ist das Thema mittlerweile zu einem typischen Tagesordnungspunkt auf der Agenda von Gesprächen zwischen Maklern und Versicherern geworden. Versicherer wittern hier Neugeschäft und zeigen sich hochmotiviert. Technische Möglichkeiten haben den Bestandstransfer von einem zum anderen Versicherer mittlerweile zudem vereinfacht—dennoch ist das Thema bei vielen Maklern ähnlich populär wie den Hausputz im Frühjahr. Woran liegt das?

Das bedeutet Bestandsumdeckung für Makler

Warum Makler sich gegen eine Umdeckung entscheiden, ist schnell erklärt: es macht Arbeit, es kann schiefgehen und es erhöht den Umsatz nur geringfügig.

Zunächst zum ersten Punkt. Die meisten Makler arbeiten mit einem bunten Blumenstrauß an Pools und Versicherern zusammen. Für eine Umdeckaktion müssen sie sich erstmal die Frage stellen, welcher Partner sich für die Umdeckung am besten eignet. Im Anschluss müssen Bestandsdaten und Schadenquoten aus verschiedenen Quellen zusammengetragen werden. Auch die Kunden müssen natürlich informiert werden und haben gegebenenfalls Rückfragen. Für all das braucht man Zeit und die muss man im operativen Tagesgeschäft erstmal finden.

Zweitens: die Umdeckung beinhaltet große Risiken für den Makler. Damit sich die Umdeckung wirklich lohnt, muss man eine größere Anzahl an Policen umdecken. Gerade dann kann aber schnell etwas schiefgehen. Was passiert, wenn die Kündigung einer Altpolice nicht funktioniert und ein Kunde doppelt zahlen muss? Was passiert, wenn ein Kunde bei der Policierung durchrutscht und nicht versichert wird? Ist sichergestellt, dass kein Kunde hinterher schlechter gestellt ist als vorher? Und über allem: wer haftet, wenn etwas schief geht?

Viel Aufwand und gewisse Risiken würden Makler vermutlich eingehen, wenn es sich, drittens, für sie lohnen würde. Zumindest finanziell ist das aber nicht unbedingt der Fall. Zwar kann der Makler häufig einen höheren Courtagesatz erzielen, wenn er Bestand umdeckt. Im Fall von Prämienreduktionen für den Kunden bleibt jedoch unter Umständen kaum mehr Umsatz für den Makler hängen. Und selbst wenn stellt sich die Frage, ob das genug ist, um den hohen Aufwand und die Risiken zu rechtfertigen. Um es deutlich zu sagen: allein aus finanziellen Aspekten lohnen sich Umdeckungen für Makler in den seltensten Fällen.

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Nun gibt es für Makler trotzdem gute Gründe für Umdeckungen. Gut umgesetzt sind sie im Interesse des Kunden, der ein optimales und umfassenderes Bedingungswerk zur gleichen oder niedrigeren Prämie erhält—was natürlich auch die Haftungsrisiken des Maklers reduziert. Zudem vereinfacht sich die Bestandsverwaltung des Maklers durch die Konzentration auf eine geringere Anzahl an Gesellschaften. Dies kann zu weniger Verwaltungsaufwand und verbesserter Datenqualität führen.

Das bedeuten Bestands- und Neugeschäft für Versicherer

Für Versicherer sind Bestandsumdeckungen alles andere als ein Verschiebebahnhof, sondern echtes Neugeschäft. Wie bereits diskutiert (siehe Teil 2 der Serie), ist das Neugeschäft die entscheidende Kennzahl für den Maklervertrieb von Versicherern.

Im Prinzip sind Umdeckungen jedoch sogar noch besser als klassisches Neugeschäft. Anders als bei diesem wird bei einer Umdeckung parallel auch die Konkurrenz geschwächt und nicht nur der eigene Bestand vergrößert. Kein Wunder, dass die Bestandsumdeckung die Königsdisziplin des Maklervertriebs ist und der Tagungsordnungspunkt Umdeckung im Austausch zwischen Makler und Versicherer für den Versicherer immer eine hohe Priorität hat.

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Fazit des Kolumnisten

Die Interessen von Maklern und Versicherern sind bei Bestandsumdeckung sehr unterschiedlich. Wo der Fokus des einen eher auf Vereinfachung und Komplexitätsreduzierung liegt, steht bei dem anderen Umsatzwachstum im Mittelpunkt. Für die Makler ist das Thema häufig ein „Müsste man mal“-Thema: grundsätzlich richtig und wichtig, aber nicht so attraktiv, dass es ganz oben auf der Agenda steht. Für den Versicherer hingegen werden Bestandsumdeckungen in den nächsten Jahren ein entscheidender Wachstumstreiber im Maklerkanal sein.

Es stellt sich für den Versicherer daher umso drängender die Frage, wie die Makler zur Bestandsumdeckung motiviert werden können. Die wichtigste Regel sollte lauten: das Prozedere zur Umdeckung muss für den Makler so aufwandsarm und einfach gehalten werden wir möglich. Wollen Versicherer zum Beispiel Schadensquoten der letzten 10 Jahre für jeden einzelnen Vertrag sehen, winken die meisten Makler sofort ab. Der Aufwand steht in keinem Verhältnis zu dem, was für den Makler am Ende herauskommen kann. Darüber hinaus ist für den Makler wichtig, dass der Versicherer die Verantwortung für Risikoszenarien übernimmt und beim operativen Handling so viel wie möglich unterstützen. Und die Sicherheit hat, dass kein Kunde schlechter gestellt wird.

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Letztlich müssen sich die Gesellschaften auf einen Perspektivwechsel einlassen und das Thema aus der Perspektive der Makler sehen. Nur dann kann eine Win-win-win-Situation entstehen, in der Makler, Versicherer und vor allem die Kunden profitieren.

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