61 Prozent der jungen Leute wollen am ehesten bei einer der bekannten Marken wie Allianz oder Axa eine Versicherung abschließen. HUK24, Cosmos und andere Direktversicherer, die vor allem online um Kunden buhlen, landen mit 54 Prozent knapp dahinter. Die rein digitalen Wettbewerber kommen auf gerade mal elf Prozent. Selbst von der Bank empfohlene Policen (Bankassurance) schneiden besser ab. Wer aber glaubt, das liege am vermeintlich schlechten Schutz, den diese Newcomer bieten, irrt. Die altbackenen Abschlusswege stehen auch deshalb so gut da, weil sie etwas gemeinsam haben: den menschlichen Kontakt.

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Digital ist nicht alles

Dr. Wolff Graulich ist Partner bei Senacor und war zuvor mehrere Jahre lang Vorstand beim Digitalversicherer Element.Ohne diesen Kontakt schließt kaum jemand eine Versicherung ab. Das gilt umso mehr für die allerersten Policen. Wichtigster Ratgeber dabei sind die Eltern. 45 Prozent sagen, dass Mama und Papa sich darum gekümmert hätten. 41 Prozent haben sich von der Familie helfen lassen, als es darum ging, sich erstmals selbst vor den Risiken des Lebens zu schützen. Kaum jemand hat sich ganz auf sich allein gestellt informiert oder wenigstens Freunde und Bekannte gefragt. Bei künftigen Absichten ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Die Familie – und jetzt auch Freunde – bleibt zwar die erste Adresse, wenn es darum geht, sich über Versicherungen zu informieren. Jeder Dritte will sich aber auch an einen Vermittler wenden.

Jemanden persönlich oder wenigstens telefonisch erreichen zu können, gehört für die junge Generation sogar zu den maßgeblichen Kriterien, bevor sie sich für oder gegen einen Anbieter entscheidet. Acht von zehn der 18- bis 29-Jährigen halten die menschliche Stimme für wichtig oder sehr wichtig. Damit liegt sie nahezu gleichauf mit verständlicher Sprache und einem Angebot, das sofort erkennen lässt, was wie versichert ist. In einem Punkt gleichen sich die jungen Leute aber eins zu eins dem Rest der Republik. Sie wollen möglichst wenig bezahlen. Die digitalen Dienste, die auch die etablierten Anbieter verstärkt ausrollen, spielen insgesamt eine eher untergeordnete Rolle und nicht die entscheidende.


Die Zahlen lesen sich vielmehr so, dass sich die jungen Kunden gerne mit ihrem Versicherer vernetzen wollen, statt mit dem Smartphone alleine gelassen zu werden. Das gilt selbst dann, wenn sich jemand bereits für eine digitale Versicherung entschieden hat. Auch hier liegen die einfach formulierten Tarife vorn. 42 Prozent finden das sehr wichtig, 43 Prozent wichtig. Was das persönliche Gespräch angeht, liegen die Werte ziemlich nahe beieinander. 41 Prozent und 39 Prozent finden das sehr wichtig oder wichtig.

So entsteht ein Ökosystem

Viele andere Dienste gehören dagegen in die Kategorie Komfort. Schön, wenn sie da sind, aber nicht unbedingt nötig. Beispiel Schaden-App: 69 Prozent finden so etwas gut, 81 Prozent wollen darüber aber auch einen Termin für ein persönliches Gespräch vereinbaren können. Darüber hinaus zeigen sich 71 Prozent offen dafür, sich mit jemandem aus Fleisch und Blut virtuell zu besprechen.


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46 Prozent sagen sogar explizit, dass künftig digitale Angebote mit persönlicher Beratung Hand in Hand gehen. Weitere 23 Prozent geben an, dass digitale Angebote das persönliche Gespräch bestenfalls ergänzen und nicht ersetzen. Immerhin 33 Prozent gehen davon aus, dass das Digitale eines Tages überwiegt und der menschliche Kontakt dadurch überflüssig für sie wird. Darin liegt die Nische, in der die Insurtechs derzeit wachsen. Zudem dürften sich nur die wenigsten darauf einlassen, ohne ein Wort mit dem Anbieter zu wechseln, über eine App für das Alter vorzusorgen, Hinterbliebene abzusichern oder eine Versicherung abzuschließen gegen Berufsunfähigkeit. Solche Policen setzen viel Vertrauen voraus, das am besten im direkten Kontakt entsteht.

So entsteht ein Ökosystem

All das führt dazu, dass Vollversicherer, die das gesamte Produktspektrum anbieten, einen eigenen Außendienst unterhalten oder mit Vermittlern kooperieren, ihre Digitalstrategie an mehr als nur Bits und Bytes orientieren müssen – zumindest, was den ersten Kontakt zum Kunden angeht. Im Nachhinein dagegen, wenn etwas passiert, gehören digitale Features, etwa um einen Arzttermin zu vereinbaren oder vor dem Urlaub in Frankreich lieber noch schnell eine Auslandskrankenversicherung abzuschließen, für viele dazu. Das passt zusammen, weil Kunden zunehmend selbst bestimmen möchten, wie sie einen Dienst nutzen, von Netflix über das Online-Banking bis hin zur Versicherung. Das geht am besten digital.

Auf eine Formel gebracht, will eigenständig handeln, wer schon weiß, was zu tun ist. Bei einem Schaden heißt das, schnell das Foto vom kaputten Holzfußboden hochladen und vom Anbieter möglichst zügig Geld bekommen – und gleich den richtigen Holzexperten, der den Schaden behebt. Nach hinten heraus muss sich ein Versicherer durchgängig digitalisieren, um das zu gewährleisten. Er wird, was die digitalen Dienste angeht, zum „Ecosystem Owner“ für alles rund um Schaden, Leistung und Mehrwertdienste. Richtung Kunde zählt dagegen, viele Kanäle zu öffnen, um das Panoptikum an digitalem Komfort zugänglich zu machen. Die meisten Kunden machen es den Versicherern dabei sogar einfacher, als viele glauben.


87 Prozent der jungen Leute sind heute schon bereit, ihren Versicherer oder Vermittler persönliche Daten von sich selbst auswerten zu lassen. Zu den gewünschten Diensten, die so entstehen, gehören etwa automatische Hinweise, sobald bessere Tarife verfügbar sind, eine Risikoampel, die zeigt, wie gut der eigene Schutz ist, oder ein Rechner, der die Rentenlücke darstellt. Dabei zeigen sich gerade die jungen Leute offen. 43 Prozent würden dafür ihre abgeschlossenen Sachversicherungen, ebenso viele aber auch ihre Vorsorge-Versicherungen freigeben. Neben Kfz- und Haftpflichtpolicen dürften die Anbieter bei fast jedem zweiten Kunden also auch analysieren, wie es um die Lebensversicherung, Krankenzusatz oder die Berufsunfähigkeit bestellt ist. Jeder dritte würde sogar seine Sparverträge bei der Bank analysieren lassen.

Fazit & Ausblick

Digital allein lockt selbst junge Kundengruppen nicht hinter dem Ofen hervor. Was wirklich zieht, sind nahtlos integrierte Digitaldienste, die Kunden erleichtern, sich mit dem Versicherer zu vernetzen und neben den „Self Service“-Angeboten jederzeit auch mit einem Vermittler verbinden zu lassen. Wer dagegen bereits den Zugangskanal rein auf das Digitale beschränkt, schneidet sich von den 18- bis 29-Jährigen ab, die den persönlichen Kontakt suchen, bevor sie eine Versicherung abschließen und erst dann das Smartphone zur Hand nehmen, wenn sie sich selbst helfen wollen, etwa bei einem Schaden oder wenn sie etwas organisieren müssen wie einen Arzt- oder Handwerkertermin.

Selbst wer ein eigenes Ökosystem aufbauen möchte, kommt nicht umhin, weiterhin auch den persönlichen Kontakt zu erlauben. Alle Dienste sowie auch der direkte Draht zum Vermittler müssen zusammenlaufen und die IT- oder Digital-Strategie darauf aufbauen. Das Ökosystem beginnt also erst hinter dem Schaufenster, das sich aus einer Vielzahl von Eingangskanälen zusammensetzt. Schließlich kommt es darauf an, möglichst viele Partner anzubinden, die sich um die von vielen jüngeren Kunden gewünschten Dienste kümmern oder diese selbst anbieten. Ein Versicherer trägt so betrachtet mehr als nur das Risiko. Er ist verantwortlich dafür, dass sich die eigenen Kunden selbständig innerhalb des Ökosystems um ihre Belange kümmern können. Und das erfordert eine IT, die einerseits echtes Omni Channel ermöglicht und andererseits eigene wie auch Dienste Dritter daten- und prozesstechnisch mit den Kunden-Touchpoints integriert. Dadurch entsteht so etwas wie ein digital-hybrides Erlebnis, dass sich zumindest viele junge Leute wünschen, wenn es um ihre Versicherungen geht.

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Über die Studie:
Senacor hat 1.000 Verbraucher zwischen 18 und 29 Jahren befragen online lassen, wie sie sich versichern und was ihnen wichtig ist, bevor sie sich für einen Anbieter entscheiden. Die vollständigen Ergebnisse bekommt, wer seine Kontaktdaten über die folgende Adresse angibt: www.senacor.com/digitale-versicherung-2021.

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