Deutschland macht wieder dicht, um das Coronavirus an der Ausbreitung zu hindern: Der Lockdown ab dem 2. November trifft nun wieder jene, die ohnehin mit existenzgefährdenden Problemen zu kämpfen haben: oft kleine Unternehmer. Hotels und Restaurants müssen ganz oder teilweise schließen, aber auch Fitnesscenter und viele Handwerker. Große Industriebetriebe, Autohersteller etc. dürfen hingegen diesmal weitermachen.

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Viele der Firmen, die nun erneut dicht machen mussten, haben mit einer Betriebsschließungs-Police vorgesorgt. Und sahen sich nach dem ersten Lockdown im März mit der bitteren Erkenntnis konfrontiert, dass das Gros der Versicherer nicht voll zahlen will, wenn der Betrieb infolge einer Corona-Allgemeinverfügung geschlossen wurde. Andere wiederum sprachen die Kündigung aus.

Viele Rechtsstreite werden noch immer vor Gericht verhandelt, wobei die bisherigen Ergebnisse für die Betroffenen zeigen, dass es sehr auf den konkreten Vertragstext ankommt, welche Erfolgsaussichten ein klagender Betrieb hat. Ein Münchener Wirt konnte sich gegen die Versicherungskammer Bayern durchsetzen, die Allianz schloss mit Klagenden einen Vergleich - und die Provinzial schmetterte Klagen erfolgreich ab. Ein letztinstanzliches Urteil fehlt bisher.

Klausel unwirksam?

In einem Pressetext informiert nun die Kanzlei Wirth Rechtsanwälte aus Berlin über die aktuelle Situation. Die Hauptstädter vertreten selbst eine Vielzahl dieser Fälle, wie sie berichten. Und es gebe viele Fragen dazu, ob nun ein neuer Versicherungsfall eingetreten sei und daher gegebenenfalls neue Leistungsansprüche entstanden sein könnten - sofern die Verträge nicht schon durch Kündigung wirksam beendet oder angepasst worden seien.

“Wie so oft lässt sich diese Frage nicht pauschal beantworten. Im Ergebnis dürfte aber in vielen Fälle ein neuer Versicherungsfall eingetreten sein, wenn nicht mit dem Versicherer vereinbart wurde, dass SARS Cov-2 und/ oder Pandemien ausdrücklich ausgeschlossen sind“, berichtet nun die Kanzlei.

Wirth Rechtsanwälte verweist auf Vertragsklauseln, wonach mehrfache Anordnungen aufgrund gleicher Umstände ausgeschlossen seien. So heißt es gleichlautend in die Policen mehrerer Versicherer:

Mehrfache Anordnung: Wird eine der durch die Versicherung gedeckten Maßnahmen mehrmals angeordnet und beruhen die mehrfachen Anordnungen auf den gleichen Umständen, so wird die nach Nr. 3 zu leistende Entschädigung nur einmal zur Verfügung gestellt.

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Nach Ansicht der Anwaltskanzlei dürften derartige Formulierungen aber unwirksam sein, „weil sie keine zeitliche Zäsur enthalten und daher entgegen dem Vertragszweck zu einer abschließenden – unzulässigen - Beschränkung des Versicherungsschutzes führen würden“, heißt es im Pressetext. Als Vergleich hierfür wählen sie ein anderes Risiko aus der Gastronomie: Wenn einmal Salmonellen im Restaurant aufgetreten sind, bedeutet das dann, sie sind nie wieder mitversichert: auch wenn sie erst nach Jahren wieder auftreten? "Das dürfte schwerlich – insbesondere nach dem maßgeblichen Verständnis des versicherten Unternehmens - der Fall sein", schreibt die Kanzlei.

Ansprüche auch nach Vergleichen?

Einen Anspruch für den zweiten Lockdown sehen Wirth Rechtsanwälte aber auch in solchen Fällen, bei denen Versicherungsnehmer und Gewerbekunde einen Vergleich über eine Betriebsschließungs-Entschädigung getroffen haben. Das dürfte zum Beispiel bei dem sogenannten Bayrischen Kompromiss der Fall sein. Hier hatten die Bayrische Landesregierung, Versicherer und die bayrische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) vereinbart, dass Hoteliers und Gastwirte mit 15 Prozent der Versicherungssumme für 30 Tage entschädigt werden, wenn sie im Gegenzug auf weitere Ansprüche aus dem Vertrag verzichten. Auch die Allianz hat in Auseinandersetzungen bereits Vergleiche mit Gastwirten geschlossen (der Versicherungsbote berichtete).

Es entspreche gefestigter Rechtsprechung, dass Vergleiche mit Versicherungsnehmern dem Umstand Rechnung tragen müssen, „dass der Versicherer dem Versicherungsnehmer aufgrund seines Fachwissen regelmäßig überlegen ist. Das wiederum hat zur Folge, dass Versicherer nur dann wirksam Vergleiche schließen dürften, wenn sie sich sehr redlich gegenüber ihrem Kunden verhalten und ihn unter anderem auf die mit dem Vergleich verbundenen Nachteile hinweise“, berichtet Wirth Rechtsanwälte.

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Speziell der Hinweis auf drohende Nachteile dürfte bei den Vergleichen nach dem bayrischen Modell selten stattgefunden haben, wie etwa Pressemeldungen der Versicherer zeigten: Stattdessen kommunizierten die Versicherer die erbrachten 15 Prozent Entschädigung als Kulanzleistung, die sie freiwillig zahlen.

"Ansprüche auf Versicherungsleistung sollten durch die betroffenen Unternehmen und Gewerbetreibenden unbedingt angemeldet werden, auch wenn schon beim ersten Lockdown die Ablehnung kam oder ein Vergleich geschlossen wurde“, sagt Tobias Strübing, Fachanwalt bei Wirth Rechtsanwälte.

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