Verlieren Unternehmen ihren Anspruch auf Kurzarbeitergeld (Kug), wenn sie mit einer Betriebschließungs-Police vorgesorgt haben? Das berichtet die Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte am Dienstag in einem Pressetext. Demnach verschickt die Bundesagentur für Arbeit derzeit Bescheide an Firmen, in denen sie die Zahlung der Kurzarbeiter-Hilfen verweigere. Begründung: Mit den Geldern aus den gewerblichen Policen könnten nun Engpässe ausgeglichen werden.

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“Keine Gewährung von Kurzarbeitergeld möglich!“

“Falls eine Betriebsschließungsversicherung vorliegt, ist keine Gewährung von Kurzarbeitergeld möglich“, heißt es lapidar in einem Schreiben der Agentur für Arbeit Augsburg, das dem Versicherungsboten vorliegt. Kurios ist das aus mehreren Gründen. So haben einige Versicherer bereits angekündigt, dass sie für Schäden infolge des neuen Coronavirus Covid-19 nicht zahlen wollen, wenn der Betrieb aufgrund behördlicher Anweisungen schließen musste. Hier sind im Zweifel lange Rechtsstreite über mehrere Instanzen zu erwarten.

Absurd ist diese Absage auch deshalb, weil Politik und Versicherer argumentieren, dass Unternehmen von beiden Hilfen profitieren, falls sie infolge der Coronapandemie schließen mussten. Zur Erinnerung: Die Landesregierung Bayerns, mehrere Versicherer sowie der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga haben vor wenigen Tagen in einem Kompromiss vereinbart, dass die Betriebsschließungs-Versicherer nur zehn bis 15 Prozent der eigentlich vereinbarten Versicherungsleistung zahlen müssen.

Begründung für die reduzierte Summe: Der Staat erstatte den Gewerbetreibenden ja bis zu 70 Prozent des weiteren Schadens , wenn nun der Betrieb ruht und die Einnahmen fehlen. Eben durch das Kurzarbeitergeld, welches hierbei als wichtigste Stütze für notleidende Firmen angedacht ist. Den Versicherern kommt der Kompromiss entgegen, viele wollen ihn bundesweit den Kunden anbieten. Im Gegenzug sollen die Betroffenen alle weiteren Ansprüche aus den Betriebsschließungs-Verträgen abtreten (der Versicherungsbote berichtete).

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"Hier beißt sich die Katze in den Schwanz"

Nun sollen sich beide Leistungen, die im bayerischen Kompromiss zusammengedacht wurden, gegenseitig ausschließen? „Hier beißt sich die Katze sprichwörtlich in den Schwanz“, kommentiert Fachanwalt für Versicherungsrecht Tobias Strübing. „Während die Bundesagentur für Arbeit die Gewährung von Kurzarbeitergeld davon abhängig macht, dass kein Versicherungsschutz besteht, haben viele Versicherer in ihren Bedingungen geregelt, dass Entschädigungsleistungen anzurechnen wären. Und zudem ist eben auch Grundannahme des Bayern-Kompromisses die Anrechnung. Es wäre zu begrüßen, wenn die Bundesagentur für Arbeit in die Bayern-Vereinbarung umgehend einbezogen und hier eine klare Regelung im Sinne der betroffenen Unternehmen gefunden wird“, so Strübing.

Wer als Firma vorsorgte, ist der Dumme?

Ärgerlich ist das Nein zum Kurzarbeitergeld auch deshalb, weil nun jene Firmen „bestraft“ werden, die mit einer gewerblichen Versicherung gegen Betriebsschließungen vorgesorgt haben. Und weil das gezahlte Geld aus dieser Versicherung kaum ausreichen dürfte, um dauerhaft Mitarbeiter, die infolge der Coronakrise nach Hause geschickt wurden, zu entschädigen. Eine Maßnahme, zu der unter anderem viele Hotels, Gaststätten, Veranstalter oder Messebetreiber gezwungen waren.

Kurzarbeitergeld wird deutlich länger gezahlt

Leidtragende dieser Regel könnten nun die Beschäftigten dieser Betriebe sein: Ihnen droht die Kündigung. Niemand verpflichtet die Firmen, mit dem Geld aus diesen Policen ihre Mitarbeiter zu entschädigen. Und gerade bei kleinen Unternehmen dürften die Zahlungen aus den Betriebsschließungs-Verträgen deutlich unter den Geldern liegen, die die Bundesarbeitsagentur für Kurzarbeit erstattet. Denn die Gewerbepolicen sind häufig auf einen Höchstbetrag gedeckelt und zeitlich stark begrenzt.

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In der Regel sehen die Betriebsschließungs-Verträge eine Zahlung von 30 bis maximal 60 Tagessätzen vor, die sich am Ertragsausfall des jeweiligen Betriebes orientieren. Kurzarbeitergeld wird hingegen deutlich länger gezahlt, maximal für zwölf Monate. Wer Kinder hat, erhält von der Bundesarbeitsagentur 67 Prozent der sogenannten Nettoentgeltdifferenz: ein pauschal berechnetes Entgelt, das sich an der Höhe des Lohnes orientiert. Arbeitnehmer ohne Kinder erhalten 60 Prozent (der Versicherungsbote berichtete).

Das Nein zum Kurzarbeitergeld lässt den Kompromiss der bayerischen Landesregierung mit den Versicherern noch unattraktiver erscheinen: zumindest auch Sicht der betroffenen Betriebe. „In jedem Fall sollten die betroffenen Unternehmen jetzt erst Recht sehr genau abwägen und prüfen lassen, ob die angebotenen 15 Prozent wirklich interessengerecht sind“, rät Strübung.

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