Gute Lösung im Sinne der Gewerbekunden - oder fauler Kompromiss? Diese Frage könnten sich aktuell viele Betreiber von Gaststätten, Hotels und Lebensmittel-Firmen in Bayern stellen. Viele Betriebsschließungs-Versicherer haben sich bisher geweigert, für die Kosten aufzukommen, wenn eine Firma infolge der Corona-Pandemie vorsorglich dicht machen musste. Doch nun wollen einige Anbieter doch zahlen und ihre Blockadehaltung aufgeben - wenn auch nur einen Teil der Summe.

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Bayrische Landesregierung drängte auf Kompromiss

Dass es dazu gekommen ist, verdankt sich aber dem Druck der Politik. Die Bayerische Staatsregierung hat sich am Freitag mit Versicherern und Verbänden des Hotel- und Gaststättengewerbes zusammengesetzt, um zu verhindern, dass die Corona-Geschädigten komplett leer ausgehen.

Herausgekommen ist eine Empfehlung, die zunächst die Allianz, die Versicherungskammer Bayern und die Haftpflichtkasse Darmstadt unterzeichnet haben. „Das heutige Ergebnis ist aus Sicht aller Beteiligten eine tragfähige und vernünftige Lösung für beide Branchen“, kommentiert Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (CSU).

Doch über das Wochenende haben weitere Versicherer per Pressetext verkündet, dass sie sich diesem Kompromiss anschließen wollen. Dazu zählen die Nürnberger, die Zurich Deutschland sowie die Generali Deutschland. Die Generali hat einen Nothilfefonds über 30 Millionen Euro aufgelegt, "um Kunden, Geschäftspartner und andere Stakeholder zu unterstützen“, wie es in einem Pressetext heißt. Ein besonderer Schwerpunkt des Fonds solle dabei auf kleine Unternehmen und junge Geschäftspartner gelegt werden.

Versicherer wie die Allianz, Nürnberger und Zurich haben zudem angekündigt, den Kompromiss bundesweit den Gewerbebetrieben anzubieten - auch in anderen Branchen.

Zehn bis 15 Prozent der vereinbarten Tagessumme

Einen Wermutstropfen gibt es jedoch für die Hoteliers und Gastronomen, die nun entschädigt werden sollen. Sie werden die vereinbarte Versicherungsleistung nicht in voller Höhe erhalten. Zehn bis fünfzehn Prozent der vereinbarten Tagessumme sollen sie ausgezahlt bekommen, begrenzt auf 30 Tage, wie aus den Pressetexten der Versicherer hervorgeht. Besser als gar nichts - aber doch recht wenig.

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Das Bayerische Wirtschaftsministerium begründet die niedrigere Summe damit, dass den Betroffenen ja noch auf anderem Wege geholfen werde. Im Hotel- und Gaststättengewerbe reduziere sich der wirtschaftliche Schaden der Betriebe bereits um 70 Prozent, da sie auch von staatlichen Hilfsangeboten wie Kurzarbeitergeld und Soforthilfen von Bund und Ländern profitieren würden. Zudem sparen sie Materialkosten ein. „Im Hinblick auf die verbleibenden Einbußen (ca. 30 Prozent) sind die Versicherer bereit, einen freiwilligen Beitrag zu leisten und ihren Kunden hierdurch kurzfristig weitere Liquidität zur Verfügung zu stellen“, heißt es auf der Webseite des Ministeriums.

...niedrigere Summe statt langer Rechtsstreite?

Staat und Privatwirtschaft reichen sich also die Hand, um gemeinsam Solidarität zu zeigen? Klingt gut. Aber für die versicherten Betriebe könnte sich der Kompromiss als vergiftetes Angebot erweisen. Lassen sie sich darauf ein und verzichten auf rechtliche Schritte, bliebe auch ungeklärt, ob sie nicht doch Anrecht auf die volle Schadenssumme haben statt der gebotenen zehn bis 15 Prozent.

Unter anderem gelangten mehrere Maklerverbände zu der Einschätzung, dass die Gründe der Versicherer, nun nicht zahlen zu wollen, vorgeschoben seien (der Versicherungsbote berichtete). Doch nun macht Allianz-Sprecher Christian Weishuber gegenüber dem Versicherungsjournal klar: „Unternehmen, die eine Kulanzzahlung wählen, müssen auf alle Ansprüche aus einer BSV-Police verzichten“. Klageweg versperrt.

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Gründe, weshalb die Versicherer nicht voll zahlen wollen

Die Begründungen, weshalb die Versicherer die volle Summe verweigern, sind verschieden. Manche Versicherer beriefen sich zum Beispiel darauf, dass sie zwar Betriebsschließungen infolge des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) abgesichert haben. Aber nur jene Seuchen, die namentlich im Vertrag genannt werden. Weil das Coronavirus COVID-19 noch neu ist, fehlt es in den Altverträgen: Es wurde erst im Januar 2020 vom Bundesgesundheitsministerium als meldepflichtige Krankheit erfasst.

Ein weiterer Grund für die verweigerte Zahlung: In vielen geschlossenen Betrieben sei keine Infektion festgestellt worden. Erst wenn die Seuche in der Firma selbst auftrete, müsse der Versicherer zahlen.

Hierzu schreibt etwa die Zurich in einem Pressetext: Eine Betriebsschließungsversicherung sei "nur auf jene Fälle ausgelegt, in denen die Schließung auf Grund eines im Betrieb vorliegenden konkreten Infektionsfalles angeordnet wurde. Die aktuellen Allgemeinverfügungen bzw. Rechtsverordnungen der Länder betreffen dagegen überwiegend solche Betriebe, in denen selber gar kein Infektionsfall vorliegt. Eine flächendeckende, ja sogar landesweite Schließung hingegen ist nicht Gegenstand des Versicherungsschutzes. Zudem ist das neuartige Coronavirus in der Regel nicht in der Liste der mitversicherten Krankheiten enthalten. Somit kann hier regelmäßig keine Deckung gewährt werden".

Leistungspflicht ungeklärt?

Dem entgegen verweisen Versicherungsmakler als Sachverwalter vieler Gewerbekunden darauf, dass es ja geradezu Sinn und Zweck des Infektionsschutzgesetzes sei, prophylaktisch eine Ausbreitung von Krankheiten zu verhindern. Folglich sei das Argument, man zahle nur bei einer bereits aufgetretenen Seuche im Betrieb, zumindest fragwürdig. Darüber hinaus würden viele Verträge über eine Klausel "Unbenannte Gefahren" absichern: Risiken also, die noch nicht konkret im Vertrag benannt werden. Sie könnten eventuell auch bei dem Corona-Lockdown greifen, was Gerichte klären müssten.

Im Zweifel wären lange Rechtsstreite über mehrere Instanzen zu erwarten, die sich über mehrere Jahre hinziehen können. Viele Gaststätten und Betriebe brauchen aber sofortige Hilfe - auch deshalb ist zu erwarten, dass die Gewerbekunden auf das Kompromiss-Angebot eingehen werden. Zu ihrem eigenen Nachteil? Ein Problem auch für viele Versicherungsmakler, die nun ihren Kundinnen und Kunden beratend zur Seite stehen müssen.

Einige Versicherer zahlen

Recht eindeutig dürfte sich die Sache verhalten, wenn BSV-Verträge auch eine sogenannte Öffnungsklausel beinhalten. Sie führt dazu, dass explizit auch solche Krankheiten mitversichert sind, die nicht im Vertrag genannt werden. Entsprechend hatten sich auch einige Versicherer zuvor schon bereit erklärt, die Schäden vollumfänglich zu übernehmen. Dazu gehören laut "Süddeutscher Zeitung" die Barmenia, HDI und Signal Iduna.

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In der Regel gilt aber: Entscheidend ist der konkrete Vertragstext. Und so kann nicht pauschal gesagt werden, welcher Versicherer nun vollumfänglich für Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie zahlt: und welcher nicht. Bei der Allianz würden immer viele Verträge für Arztpraxen und Kliniken eine solche Klausel beinhalten. Hierzu hat sich Allianz-Chef Oliver Bäte im Interview mit dem "Spiegel" geäußert: "Wenn wir Pandemiedeckung angeboten haben, werden wir die bezahlen. Pacta sunt servanda."

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