Versicherungsbote: Deutsche gelten als besonders garantieaffin. Warum ist das in der derzeitigen Niedrigzinsphase ein Problem?

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Ralf Meyer ist studierter Bankbetriebswirt (BA) und Versicherungsfachmann (BWV).Ralf Meyer: Aufgrund des hohen Sicherheitsbedürfnisses der Kunden bei der Kapitalanlage und speziell auch bei der Altersvorsorge entwickelte die Versicherungsbranche Lösungen, die eine Mindestrückzahlung zum Laufzeitende garantierten. Dabei wird, je nach Absicherungsstrategie, ein mehr oder weniger großer Teil des Anlagebetrags in festverzinslichen Wertpapieren angelegt, um die garantierte Auszahlung abzusichern.

Je niedriger die Rendite dieser festverzinslichen Wertpapiere ist, umso höher muss der Anteil des Sparbeitrags sein, der in die sichere Anlage fließt. Bei dem derzeit sehr niedrigen Zinsniveau muss also ein großer Teil der monatlichen Sparrate zur Sicherung der garantierten Auszahlung verwendet werden. Da bleibt nicht viel übrig um mit dem Restbetrag eine attraktive Rendite für die Altersvorsorge zu erzielen.

Um den Vorsorgebedarf zu decken erfordert es anderer Lösungen und Konzepte. Ein Weg ist die Fondspolice mit einer Investition in Aktienfonds ohne Garantie. Diese koppelt die Vorteile eines regelmäßigen Sparplans zur Altersvorsorge mit den Chancen auf eine attraktive Rendite durch die Investition in Substanzwerte.

Studien zeigen, dass die Corona-Krise bei vielen Deutschen den Vorsorge-Wunsch verstärkt hat. Wie sollten Vermittler Ihrer Meinung nach jetzt vorgehen, um Vorsorgeprodukte anzusprechen?

Krisen bringen uns Menschen zum Nachdenken. Die Staatschulden steigen massiv. Die sozialen Sicherungssysteme stehen aufgrund der demografischen Entwicklung vor kaum zu bewältigenden Herausforderungen. Gerade in diesem Umfeld der Unsicherheit wird vielen bewusst, dass es sinnvoll ist, sich mit der eigenen Altersvorsorge zu beschäftigen.

Selbstverständlich gibt es Menschen, die mit massiven finanziellen Einbußen zu kämpfen haben. Es gibt aber auch viele Personen, deren Einkommenssituation stabil geblieben ist, die aber aufgrund der Einschränkungen in den Freizeitmöglichkeiten deutlich weniger Ausgaben haben.

Kunden wird in dieser Situation bewusst, dass viele Ausgaben gar nicht notwendig sind. Die frei gewordene Liquidität kann dann für die Vorsorge investiert werden. Genau diesen Ansatz sollten Vermittler nutzen und aktiv in der Ansprache werden.

Was kann denn eine Fondspolice, was ein Fonds nicht auch könnte?

Eine Rentenversicherung sichert das Langlebigkeitsrisiko ab. Diese Absicherung mit einer lebenslangen Leibrente bietet kein anderes Anlageprodukt. Nachdem viele Menschen ihre persönliche Lebenserwartung unterschätzen, sollte dieser Vorteil sehr deutlich herausgestellt werden.

Ein weiterer Vorteil sind die steuerlichen Privilegien. Bei der Fondspolice findet kein Abgeltungsteuerabzug während der Sparphase statt. Zinsen, Dividenden und realisierte Kursgewinne bleiben unbesteuert und können in vollem Umfang reinvestiert werden.

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Wählt der Sparer zu Ruhestandsbeginn die Rentenleistung, wird diese aus dem gesamten angesparten Kapital berechnet. Bei Auszahlung der Rente unterliegt nur der sogenannte Ertragsanteil der Steuerpflicht. Entscheidet sich der Sparer für eine einmalige Kapitalabfindung, so bleiben 50 Prozent der Erträge steuerfrei, sofern der Vertrag 12 Jahre lief und der Empfänger zum Zeitpunkt der Kapitalauszahlung mindestens 62 Jahre alt ist.

„Kunden verwechseln oft Sicherheit und Garantie“

Welche Einwände gegen Fondspolicen werden denn von Kunden vorgebracht und wie können Vermittler die entkräften? Können Sie unseren Lesern vielleicht zwei oder drei konkrete Beispiele nennen?

Der Haupteinwand bei Fondspolicen mit Aktienfonds besteht darin, dass der Kunde keine Garantie hat. Hier verwechseln Kunden häufig zwei Begriffe: Sicherheit und Garantie

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Garantien beziehen sich immer auf den Nominalwert. Übrigens reduziert sich bei 2 Prozent Inflation und 30 Jahren Laufzeit die Kaufkraft einer Anlage von Nominal € 10.000 auf ca. € 5.500. Fragen Sie den Kunden doch einfach mal, was ihm wichtiger ist – was auf dem Papier steht (Nominalwert) oder das, was er sich dafür kaufen kann. Es ist nicht überraschend, wenn sich die meisten Kunden für „Das, was ich mir dafür kaufen kann!“ entscheiden.

Selbstverständlich ist eine Anlage in Aktienfonds keinesfalls als sichere Anlage anzusehen. Allerdings gibt es drei wesentliche risikominimierende Faktoren: Die breite Streuung, eine lange Laufzeit und die ratierliche Einzahlung. Anleger, die in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Geldanlagen rund um Aktien gemacht haben, haben einen, oft zwei, meistens sogar alle drei der risikominimierenden Faktoren mißachtet. In meinem vor kurzem erschienenen Buch „Fondspolicen verständlich verkaufen“ beschreibe ich ausführlich, wie sich Laufzeit, Streuung und ratierliche Einzahlung positiv auf die Sicherheit von Aktienanlagen auswirken.

Früher wurden langfristige Produkte abgeschlossen und der Kunde hat dann vielleicht frühestens bei der Auszahlung wieder vom Vermittler gehört. Stichwort Wiederanlage. Heute sind die Anforderungen andere. Was meinen Sie: Wie kann Nachbetreuung bei Fondspolicen aussehen und welcher Stellenwert ist dem beizumessen?

Selbstverständlich ist ein regelmäßiges Gespräch mit dem Kunden notwendig. Deshalb ist es sinnvoll, eine konkrete Vereinbarung mit dem Kunden zu treffen, wann man sich wieder mit ihm zusammensetzen wird. Diese Nachbetreuung kann natürlich zusammen mit einer Überprüfung der Sachversicherungen kombiniert werden. Dann muss dafür nicht einmal ein separater Termin vereinbart werden. Nachdem sich die Altersvorsorge an eine geänderte Lebens- und Einkommenssituation anpassen soll, steckt in jeder Nachbetreuung einer bestehenden Fondspolice auch eine Vertriebschance. Selbst wenn der Kunde beim Abschluss einer Fondspolice umfassend beraten wurde, tauchen doch immer wieder Fragen auf. Eine kritische Berichterstattung in den Medien oder Gespräche mit Freunden, Bekannten oder Verwandten können zu Unsicherheiten führen. Deshalb ist es wichtig, dem Kunden regelmäßig die wesentlichsten Aspekte in Erinnerung zu rufen. Gerade bei stark fallenden Kursen an den Börsen ist es sinnvoll, den Kunden gezielt wegen seiner Fondspolice zu kontaktieren. Der Berater ist in dieser Situation gefordert, den Kunden die bei Abschluss erläuterten Vor- und Nachteile steigender und fallender Aktienkurse während der Ansparphase in Erinnerung zu rufen.


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Ralf Meyer arbeitet nach mehreren Positionen in der Beratung bei Banken seit 2003 als selbständiger Berater. Als „Der Bankverkaufstrainer“ ist er Trainingsexperte für nachhaltige Anlage- und Vorsorgeberatung. Seine Erfahrungen fließen ein in seine Tätigkeit als Geschäftsführer des Instituts für FAIRE BERATUNG Finanzdienstleistung GmbH und als mehrfacher Buchautor zum Thema „Verständlich verkaufen“.

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