Sollten Studenten eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) abschließen, obwohl sie noch gar keinen Beruf ausüben? Mehrere Gründe sprechen dafür. Je früher Versicherungsnehmer einen Vertrag abschließen, desto günstiger bekommen sie ihn oft, da mit zunehmendem Alter auch das Risiko der Berufsunfähigkeit steigt. Zudem sind bei jungen Menschen Vorerkrankungen seltener, die zu einem Risikozuschlag führen könnten oder dazu, dass der Versicherer bestimmte Risiken vom Versicherungsschutz ausschließt.

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Unter Berufung auf eine (oft zitierte) Statistik der gesetzlichen Rentenversicherung, wonach jeder vierte Arbeitnehmer vor Erreichen des gesetzlichen Rentenalters seinen Beruf aufgeben muss, wird auch vom Handelsblatt grundsätzlich zu einer frühen Absicherung geraten. Glaubt man dem Artikel zu einem BU-Tarifvergleich, ist die Absicherung leicht zu haben: Immerhin konnten von 30 Anbietern acht mit der Note "sehr gut" und zehn mit der Note "gut" abschließen ... jedoch mit Angeboten für einen idealen Kunden für das eigene Risikomanagement.

Der Musterfall: Nichtraucher mit gewünschtem Beruf ohne körperliche Belastung

Zur Überprüfung der Tarife gingen die Tester von einem Musterkunden aus, den Autorin Lena Bujak mit folgenden Worten vorstellt: „Wichtig ... ist, dass unser Student nicht raucht und dass es sich bei seinem angestrebten Beruf um eine rein kaufmännische Tätigkeit ohne körperliche Belastung handelt. Also: Angestellter (etwa als Anwalt) ist ok, Arbeiter (zum Beispiel auf der Baustelle) nicht.“

Franke und Bornberg überprüften also anhand eines gesunden, 23-jährigen Nichtrauchers. Angegeben wurde, er studiere Jura und strebe weder einen Beruf mit riskanten körperlichen Tätigkeiten an, noch gehe er in der Freizeit diesen Tätigkeiten bereits nach. Das Einkommen des Studenten betrage 500 Euro.

Abgeschlossen werden sollte eine Police, die eine Rente in Höhe von monatlich 1.000 Euro garantiert, wenn der Student vor dem 67. Geburtstag berufsunfähig wird.

Die Auswahl der Tarife: Nicht nur Starterprodukte

Viele Versicherer bieten eigenständige Starterprodukte an, um junge Menschen für eine Berufsunfähigkeitsversicherung zu gewinnen. Unter den 30 getesteten Angeboten finden sich in der Mehrzahl derartige Angebote. Jedoch testeten die Autoren auch Berufsunfähigkeitsversicherungen ohne günstigen Startertarif – eine Entscheidung mit Einfluss auf das Ranking, wie sich zeigte.

Wie wurde gewertet?

Wenngleich etwa die Gewichtung anhand konkreter Parameter, die zur Rangliste führte, nicht aus dem Text des Handelsblattes ersichtlich ist, kann dennoch behauptet werden: angebotene Zusatzleistungen wirkten sich positiver aus als die Prämienhöhe. Der Testsieger, eine Police des Versicherers Canada Life, punktete zum Beispiel durch mehrere Zusatzleistungen. Trotz des Preisnachteils, es handelt sich immerhin um den zweitteuersten Tarif, würden diese Extras für das Produkt sprechen: es ermögliche zum Beispiel, den Beitrag bei Arbeitslosigkeit oder Elternzeit auszusetzen.

Auch wirkte sich die sogenannte „Infektionsklausel“ positiv auf die Platzierung eines Produkts der "Alte Leipziger" aus – eine Klausel, die sicherstellt, dass z.B. Angestellte medizinischer Berufe eine Versicherungsleistung erhalten, falls sie aufgrund einer ansteckenden Infektionskrankheit ihren Beruf nicht mehr ausüben können.

Allgemein wurden die Angebote nach Kriterien ausgesucht, die im Sinne des Musterkunden sind: die Berufsunfähigkeitsversicherung sollte weltweit gültig sein und ab dem ersten Monat Schutz leisten. Auch sollten alle Angebote die „abstrakte Verweisung“ ausschließen – der Versicherer verzichtet also auf die (in der Vergangenheit oft durch §2 der Versicherungsbedingungen ermöglichte) Prüfung, ob der Versicherte im Schadensfall noch irgendeine andere Tätigkeit als den erlernten Beruf ausüben kann.

Ergebnisse des Tests

Immerhin acht Versicherungen schlossen mit der Note „sehr gut“ ab, wobei die Reihenfolge der Liste auch die Platzierung des Rankings (gemäß der Gewichtung von Franke und Bornberg) wiedergibt:

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  1. Berufsunfähigkeitsschutz der Canada Life: mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 32,75 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 32,75 €
  2. SBU Starter Variante der Hannoverschen mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 13,35 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 33,72 €
  3. Einsteiger-BU der Nürnberger mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 16,72 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 30,70 €
  4. SBU Perfect Start des Volkswohl Bund mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 17,20 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 32,13 €
  5. SBU SecurAL der Alte Leipziger mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 40,13 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 40,13 €
  6. BU Einsteiger der Basler mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 20,81 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 33,11 €
  7. starterVorsorge der Europa mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 25,80 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 35,30 €
  8. Golden BU Start der LV 1871 mit einer Nettoprämie im ersten Jahr von 30,42 € und einer durchschnittlichen Nettoprämie von 37,57 €

Weitere zehn Versicherungen erhielten die Note „gut“:

  • SBU Premium Start der HUK24
  • PremiumBU Start PBUS der Continentale
  • SBU PROTECT young Komfort der Bayrischen
  • SBU Premium Start der HUK-COBURG
  • die Berufsunfähigkeitsversicherung der ERGO Vorsorge Leben
  • BUV-PLUS, Tarif 91 der Stuttgarter
  • BU-StartPolice Plus (E356) der Allianz
  • Starter SBU der AXA/DBV
  • Berufsunfähigkeits-Versicherung EcoPlan der InterRisk
  • ExklusivSBU der uniVersa

Ein problematischer Kandidat: der Musterstudent

Immerhin acht Anbieter mit „sehr guten“ und 10 Anbieter mit „guten“ Testergebnissen. Kann man nun Studierenden uneingeschränkt dazu raten, die Rangliste der Berufsunfähigkeits-Policen zur Orientierung zu nutzen? Leider kaum, denn es fehlen weitere Ergebnisse.

Eine Kontroverse des Orange-Portals veranschaulicht das Problem: Am 4. Oktober 2016 äußerte sich der Volkswirt und Journalist Martin Dowideit kritisch zur Berufsunfähigkeitsversicherung und löste damit eine Kontroverse aus. Er sagte in einem Interview wörtlich, vielen jungen Leuten werde gerade empfohlen, „eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Aber da würde ich schon einen zweiten Blick mal drauf werfen, weil je nachdem was man für einen Beruf hat, ist es vielleicht auch gar nicht so gefährlich in dem Job, den man hat.“ In der Folge dieser Aussage gab es laut Dowideit „heftige Reaktionen“, da man ihm vorwarf, das Risiko der Berufsunfähigkeit zu verharmlosen.

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Der Autor konkretisierte daraufhin Kritikpunkte, die es zu prüfen gelte. Ein Grund, sich gegen (oder für) eine BU zu entscheiden: "Die höheren Preise bei Vorerkrankungen, risikoreichen Berufsbildern oder gefährlichen Hobbys". Doch genau solche Musterfälle fehlen im aktuellen Ranking.

Der kerngesunde risikoarme Musterkunde mit Bürotätigkeit ... leider nur bedingt repräsentativ

Bedenkt man die Diskussion von 2016 auf dem Orange-Portal, hätte man sich von dem Test mehr Vielfalt durch eine größere Auswahl an Musterkunden gewünscht. Zwar sind z.B. Vorerkrankungen mit negativen Auswirkungen seltener in jungen Jahren, ausgeschlossen aber sind sie nicht. Wie wirkt es sich z.B. auf die Prämie und die Bedingungen aus, wenn Asthma oder eine Allergie bekannt sind, ein junger Mensch schon wegen Rückenproblemen in Behandlung gewesen ist oder (heutzutage keineswegs selten) bereits in psychologischer Behandlung war? Und gibt es so wenige Studenten, die rauchen?

Das Problem des Tests-Settings spiegelt sich auch im Artikel des Orange-Portals wider. Die Autorin erweckt den Eindruck, für einen jungen Menschen sei es ja gar nicht schwer, einen geeigneten und günstigen BU-Schutz zu finden. Dieser Eindruck aber kann täuschen, wie zum Beispiel die Versicherungsmakler Stefan & Tobias Bierl aus Regensburg auf ihrem Blog – Bezug nehmend auf einen Text der Zeitschrift „Finanztest" kritisierten. Das Magazin hatte einen Leitfaden veröffentlicht, mit dem Studenten mutmaßlich schnell und einfach online die passende BU-Police abschließen können. Warum aber ist es selten empfehlenswert, anhand von Rankings einen eigenen Vertrag abzuschließen?

Einen BU-Schutz für junge Menschen zu erhalten, ist keineswegs so einfach, wie es scheint. Mehr noch: Es lauern Gefahren, dass der Versicherer am Ende nicht zahlt oder dass Daten vorschnell in die falschen Hände geraten. Hier hätte man sich mehr Aufklärung von einem Portal des "Handelsblattes" gewünscht, das sich überwiegend an junge Menschen wendet.

Denn vor den BU-Schutz haben die Versicherer die Hürde der Gesundheitsfragen gesetzt. Werden diese nicht exakt beantwortet, kann der Versicherer später im Leistungsfall geltend machen, dass die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde - und vom Vertrag zurücktreten. Prüfen wird dies der Versicherer aus Kostengründen erst im Leistungsfall, also wenn der Versicherungsnehmer eine Berufsunfähigkeits-Rente beantragt hat. Im schlimmsten Fall verliert dann der Betroffene seinen Schutz und folglich auch die Rente, obwohl er jahrelang Beiträge zahlte.

Recherche der Krankenakte - und anonyme Voranfrage

Deshalb empfehlen BU-Experten, zunächst die Krankenakte für den abgefragten Zeitraum zu recherchieren, in der Regel für fünf Jahre. Diese Krankenakte ist dann auch ausschlaggebend dafür, bei welchem Versicherer man anfragt, gehen doch die Anbieter sehr verschieden mit Vorerkrankungen um. Wo eine Gesellschaft bestimmte Vorerkrankungen mit Ausschlüssen bestraft, muss das bei einer anderen nicht der Fall sein. Diese Recherche aber sollte so gründlich wie möglich erfolgen, denn jeder verschwiegene Arztbesuch könnte sich am Ende nachteilig für den Leistungsfall auswirken.

Auf Basis dieser Recherche können dann auch mehrere Versicherer angeschrieben werden. In der Regel als anonyme Voranfrage, also ohne dass der Name des Antragstellers genannt wird. Wer bei einem Versicherer abgelehnt wird muss nämlich fürchten, in der HIS-Auskunftei der Versicherungsbranche zu landen: eine Art schwarze Liste ähnlich der Schufa, in der Kunden mit Auffälligkeiten eingetragen werden. Alle Versicherer haben darauf Zugriff. Das erschwert einen Abschluss bei einem anderen Wettbewerber zusätzlich.

Testergebnisse als erste Orientierung – und als Empfehlung für kerngesunde Studenten mit "kaufmänischer" Tätigkeit

Wie also ist der Test zu bewerten, der durch das Orange-Portal vorgestellt wurde? Die Ergebnisse können durchaus zur ersten Orientierung dienen, zumal positiv gewichtete Zusatzleistungen wie die Möglichkeit, den Beitrag bei Arbeitslosigkeit oder Elternzeit auszusetzen, keineswegs nur für jenen angenommenen Musterfall relevant sind.

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Andererseits: das Beratungsunternehmen Franke und Bornberg hat es den Versicherern durch Wahl nur eines Musterfalls sehr einfach gemacht zeigt sich die Qualität eines Angebots doch gerade dann, wenn der potenzielle Versicherungsnehmer kein idealer Kunde ohne Risikopotenzial ist und mit hohen Risikozuschlägen, dem Ausschluss bestimmter Risiken aus dem Versicherungsschutz oder gar mit einer Ablehnung des Antrags rechnen muss.

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