Eine Kontroverse des Orange-Portals veranschaulicht das Problem: Am 4. Oktober 2016 äußerte sich der Volkswirt und Journalist Martin Dowideit kritisch zur Berufsunfähigkeitsversicherung und löste damit eine Kontroverse aus. Er sagte in einem Interview wörtlich, vielen jungen Leuten werde gerade empfohlen, „eine Berufsunfähigkeitsversicherung abzuschließen. Aber da würde ich schon einen zweiten Blick mal drauf werfen, weil je nachdem was man für einen Beruf hat, ist es vielleicht auch gar nicht so gefährlich in dem Job, den man hat.“ In der Folge dieser Aussage gab es laut Dowideit „heftige Reaktionen“, da man ihm vorwarf, das Risiko der Berufsunfähigkeit zu verharmlosen.

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Der Autor konkretisierte daraufhin Kritikpunkte, die es zu prüfen gelte. Ein Grund, sich gegen (oder für) eine BU zu entscheiden: "Die höheren Preise bei Vorerkrankungen, risikoreichen Berufsbildern oder gefährlichen Hobbys". Doch genau solche Musterfälle fehlen im aktuellen Ranking.

Der kerngesunde risikoarme Musterkunde mit Bürotätigkeit ... leider nur bedingt repräsentativ

Bedenkt man die Diskussion von 2016 auf dem Orange-Portal, hätte man sich von dem Test mehr Vielfalt durch eine größere Auswahl an Musterkunden gewünscht. Zwar sind z.B. Vorerkrankungen mit negativen Auswirkungen seltener in jungen Jahren, ausgeschlossen aber sind sie nicht. Wie wirkt es sich z.B. auf die Prämie und die Bedingungen aus, wenn Asthma oder eine Allergie bekannt sind, ein junger Mensch schon wegen Rückenproblemen in Behandlung gewesen ist oder (heutzutage keineswegs selten) bereits in psychologischer Behandlung war? Und gibt es so wenige Studenten, die rauchen?

Das Problem des Tests-Settings spiegelt sich auch im Artikel des Orange-Portals wider. Die Autorin erweckt den Eindruck, für einen jungen Menschen sei es ja gar nicht schwer, einen geeigneten und günstigen BU-Schutz zu finden. Dieser Eindruck aber kann täuschen, wie zum Beispiel die Versicherungsmakler Stefan & Tobias Bierl aus Regensburg auf ihrem Blog – Bezug nehmend auf einen Text der Zeitschrift „Finanztest" kritisierten. Das Magazin hatte einen Leitfaden veröffentlicht, mit dem Studenten mutmaßlich schnell und einfach online die passende BU-Police abschließen können. Warum aber ist es selten empfehlenswert, anhand von Rankings einen eigenen Vertrag abzuschließen?

Einen BU-Schutz für junge Menschen zu erhalten, ist keineswegs so einfach, wie es scheint. Mehr noch: Es lauern Gefahren, dass der Versicherer am Ende nicht zahlt oder dass Daten vorschnell in die falschen Hände geraten. Hier hätte man sich mehr Aufklärung von einem Portal des "Handelsblattes" gewünscht, das sich überwiegend an junge Menschen wendet.

Denn vor den BU-Schutz haben die Versicherer die Hürde der Gesundheitsfragen gesetzt. Werden diese nicht exakt beantwortet, kann der Versicherer später im Leistungsfall geltend machen, dass die vorvertragliche Anzeigepflicht verletzt wurde - und vom Vertrag zurücktreten. Prüfen wird dies der Versicherer aus Kostengründen erst im Leistungsfall, also wenn der Versicherungsnehmer eine Berufsunfähigkeits-Rente beantragt hat. Im schlimmsten Fall verliert dann der Betroffene seinen Schutz und folglich auch die Rente, obwohl er jahrelang Beiträge zahlte.

Recherche der Krankenakte - und anonyme Voranfrage

Deshalb empfehlen BU-Experten, zunächst die Krankenakte für den abgefragten Zeitraum zu recherchieren, in der Regel für fünf Jahre. Diese Krankenakte ist dann auch ausschlaggebend dafür, bei welchem Versicherer man anfragt, gehen doch die Anbieter sehr verschieden mit Vorerkrankungen um. Wo eine Gesellschaft bestimmte Vorerkrankungen mit Ausschlüssen bestraft, muss das bei einer anderen nicht der Fall sein. Diese Recherche aber sollte so gründlich wie möglich erfolgen, denn jeder verschwiegene Arztbesuch könnte sich am Ende nachteilig für den Leistungsfall auswirken.

Auf Basis dieser Recherche können dann auch mehrere Versicherer angeschrieben werden. In der Regel als anonyme Voranfrage, also ohne dass der Name des Antragstellers genannt wird. Wer bei einem Versicherer abgelehnt wird muss nämlich fürchten, in der HIS-Auskunftei der Versicherungsbranche zu landen: eine Art schwarze Liste ähnlich der Schufa, in der Kunden mit Auffälligkeiten eingetragen werden. Alle Versicherer haben darauf Zugriff. Das erschwert einen Abschluss bei einem anderen Wettbewerber zusätzlich.

Testergebnisse als erste Orientierung – und als Empfehlung für kerngesunde Studenten mit "kaufmänischer" Tätigkeit

Wie also ist der Test zu bewerten, der durch das Orange-Portal vorgestellt wurde? Die Ergebnisse können durchaus zur ersten Orientierung dienen, zumal positiv gewichtete Zusatzleistungen wie die Möglichkeit, den Beitrag bei Arbeitslosigkeit oder Elternzeit auszusetzen, keineswegs nur für jenen angenommenen Musterfall relevant sind.

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Andererseits: das Beratungsunternehmen Franke und Bornberg hat es den Versicherern durch Wahl nur eines Musterfalls sehr einfach gemacht zeigt sich die Qualität eines Angebots doch gerade dann, wenn der potenzielle Versicherungsnehmer kein idealer Kunde ohne Risikopotenzial ist und mit hohen Risikozuschlägen, dem Ausschluss bestimmter Risiken aus dem Versicherungsschutz oder gar mit einer Ablehnung des Antrags rechnen muss.

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