Rechtsanwalt Norman Wirth. Quelle: Wirth RechtsanwälteWohl kaum ein Rechtsstreit bewegte die Vertriebsbranche zuletzt wie jener zwischen dem Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK) und dem Onlineportal Check24. Auf der einen Seite ein Lobbyverband, der nahezu 40.000 Versicherungs- und Banksparkaufleute vertritt und durchaus Einfluss hat. Auf der anderen Seite Deutschlands größtes Vergleichsportal mit gut 15 Millionen Kunden. Es schien wie eine Machtprobe zwischen traditionellem Versicherungsvertrieb und den schnell wachsenden Onlineanbietern (der Versicherungsbote berichtete).

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Der BVK verklagte Check24, weil das Vergleichsportal seine Kunde ungenügend berate und nicht ausreichend in Kenntnis setze, dass man als Versicherungsmakler eine Provision kassiert. Am 06. April 2017 hat nun der 29. Zivilsenat des Oberlandesgericht München das Urteil gesprochen, das dem Versicherungsboten vorliegt. Beide Seiten sehen sich als Sieger im Rechtsstreit (der Versicherungsbote berichtete). Doch was bedeutet dieser Urteilsspruch? Wir haben den Fachanwalt Norman Wirth von der Berliner Kanzlei Wirth Rechtsanwälte um eine erste Einschätzung gebeten.

Geschäftsmodell von Check24 grundsätzlich nicht in Frage gestellt

„Das Geschäftsmodell von Check24 wurde auch in der zweiten Instanz grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Insbesondere ist bestätigt worden, dass die automatisierte Befragung des Kunden und die daraus folgende automatisierte Empfehlung (RoboAdvice) zulässig und Beratung im Sinne des Gesetzes sein können“, sagte Norman Wirth dem Versicherungsboten.

So habe der BVK in mehreren Punkten den Rechtsstreit verloren: Die seitens des Lobbyverbandes geforderten Prüfpflichten habe das Gericht so nicht dem Versicherungsvertragsgesetz (VVG) entnehmen können. „Das ist insofern auch gut so, da ansonsten nicht nur Check24 ein Mehr an Prüfpflichten beim Kunden erhalten hätte, sondern alle Makler“, so Wirth.

Bei ausgewählten Beratungen hatte der BVK darüber hinaus moniert, dass bestimmte Fragen dem Kunden nicht gestellt werden, womit ein Verstoß gegen die Beratungspflicht nach § 61 Abs. 1 Satz 1 VVG vorliege. Hier hatte Check24 bereits nach dem erstinstanzlichen Urteil vor dem Landgericht München nachgebessert. Ein Beispiel: Wenn ein Kfz-Kaskovertrag eine Werkstattbindung vorsieht, muss Check24 nun die Nutzer von Leasingfahrzeugen informieren, dass es hierbei zu Konflikten mit dem Leasinganbieter kommen kann. Auch dieser schreibt unter Umständen vor, dass das Auto nur in bestimmten Vertragswerkstätten repariert werden darf.

Schriftliche Erstinformation - „Der Branche eher einen Bärendienst erwiesen“

In einem wichtigen Punkt sieht Norman Wirth nun „praktische Auswirkungen für alle, die über ihre Webseite auch Versicherungen vermitteln“. Und zwar bezüglich der Frage, wie dem Kunden online die Erstinformation gemäß § 11 Versicherungsvermittlerverordnung (VersVermV) mitzuteilen ist. „Hier muss man sagen, hat der BVK der Branche eher einen Bärendienst erwiesen“, so Wirth.

Der Rechtsanwalt erklärt: „Regelmäßig, so auch bei Check24, findet man die Erstinformation am Ende der Webseite gesondert oder im Impressum. Die Erstinformation ist jedoch laut VersVermV dem Kunden in Textform zu übermitteln. Textform heißt, so stellt das Gericht klar, aktive Übermittlung per Briefpost, E-Mail oder in Form eines obligatorischen Downloads“, erläutert Wirth. Und weiter: „Das betrifft nicht nur die Versicherungsvermittler! Auch unter anderem Finanzanlagenvermittler mit einer Zulassung nach § 34 f Gewerbeordnung haben nach § 12 Finanzanlagenvermittlerverordnung (FinVermV) die Pflicht der Mitteilung der Erstinfo in Textform“.

Hier stelle sich mit dem Urteil die Frage, ob die Finanzanlagenvermittler nun im Einzelfall ebenfalls nachbessern müssten. „Es ist nicht auszuschließen, dass zu diesem Thema nun die nächste Abmahnwelle vor der Tür steht“, fürchtet Wirth.

Muss Check24 tatsächlich bei Erstkontakt über Provisionen informieren?

In einem Punkt widerspricht Norman Wirth dem BVK. In der Pressemeldung wertet es der Verband als großen Sieg, dass Check24 nach dem Urteil bereits beim Erstkontakt mit dem Kunden nun kommunizieren müsse, dass man ein wirtschaftliches Eigeninteresse verfolge und für den Vertrieb von Versicherungen eine Provision erhalte. So schreibt der Verband in einer Pressemeldung: "Das Online-Portal muss sich bereits beim Erstkontakt als Makler zu erkennen geben, der nicht nur Preise vergleicht, sondern als Online-Versicherungsmakler Provisionen kassiert.“

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Diese Aussage stimmt nach Einschätzung von Wirth schlicht nicht. Das Urteil sage mitnichten, dass Check24 nun beim Erstkontakt über den Erhalt von Provisionen aufklären müsse. „Das Gericht bezieht sich ausschließlich auf die Pflichten zur Kundenerstinformation nach § 11 VersVermV und dort steht zumindest bisher nicht, dass über die Vergütung irgendetwas mitgeteilt werden muss", erklärt Wirth. "Erst mit dem Wirksamwerden der IDD in Deutschland wird ab dem kommenden Jahr über die Erstinformation eine solche Informationspflicht bestehen.“

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