Versicherungsbote: Im Bereich digitale Schadenregulierung übernahm die Allianz den Anbieter Control Expert. Zurich entschloss sich dennoch, weiter mit Control Expert zusammenzuarbeiten, obwohl nun – vereinfacht gesagt – die Allianz KI auch von Zurich-Schadenfällen lernt. Mangelte es an Alternativen?

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Horst Nussbaumer: Wir verfolgten immer die Strategie, nie auf nur einen Anbieter zu setzen – und haben die Verteilung der entsprechenden Auftragsmengen nach dem Eigentümerwechsel neu bewertet. Control Expert ist zweifelsohne ein starker Wettbewerber, nichtsdestotrotz gibt es durchaus vergleichbare alternative Anbieter.

Versicherer als Dirigenten eines Orchesters von Dienstleistern – so oder ähnlich beschreiben viele Assekuranzen ihre Selbstwahrnehmung. Zeigt das genannte Beispiel nicht auch neue Gefahren?

Horst Nussbaumer (Zurich Gruppe Deutschland)Zurich DeutschlandAls Versicherer haben wir uns zum Ziel gesetzt, unsere Kunden über exzellente Services für Zurich zu begeistern. Dazu sind wir gerade in der Schadenregulierung dabei, Dienstleister zu integrieren, die hier im Gleichklang mit unseren Werten und unserem Anspruch ein optimales Kundenerlebnis ermöglichen.

Das bedeutet aber nicht, dass wir den Anspruch haben, immer als „Dirigent“ in diesem Ökosystem aus Services und Dienstleistungen aufzutreten. Hier kann der Dirigent auch mal ein anderer sein und wir Teil des Orchesters. Entscheidend für uns bleibt, über welchen Weg wir unseren Kunden die bestmöglichen Services bieten können.

Das könnte möglicherweise dann eine Gefahr darstellen, wenn dahinter keine klare Strategie steht, wo wir als Dirigent und wo wir als Spieler im Orchester auftreten wollen und werden. Gerade im Schadenbereich haben wir uns definitiv zum Ziel gesetzt, den Taktstock nur ausnahmsweise aus der Hand zu geben. Gleichzeitig bin ich aber auch der klaren Ansicht, dass Versicherer sich nicht generell ins Zentrum von Ökosystemen setzen können!

Müssen Versicherer in Zukunft ihre Ökosysteme gegen andere Versicherer verteidigen? Wie macht man das bei Zurich?

Ökosysteme leben davon, dass sie als gemeinsames Zusammenarbeitsmodell Mehrwerte für Kunden und alle Beteiligten generieren. Dazu gibt es schon lange viele gute Beispiele im Markt – gerade in der Zusammenarbeit zwischen mehreren Versicherern und Dienstleistern, beispielsweise bei Partnernetzwerken für Werkstätten. Allerdings hat sich dadurch erst langsam der Begriff „Ökosystem“ etabliert. Mit anderen Worten: solche Modelle gibt es schon länger, und besonders im Schadenbereich können die Versicherer auf intensive Erfahrungswerte aufbauen. Gleichzeitig dürfen wir mit dem Begriff nicht zu inflationär umgehen, nur um auf einen Zug aufzuspringen – entscheidend bleibt, dass unsere Kunden und wir „Spaß“ an einem solchen Modell haben!

Ihr Vorstands-Kollege Bohnhoff sprach in einem anderen Zusammenhang davon, dass Versicherer stärker kooperieren müssten. Kann das auch bei der digitalen Schadenabwicklung ein Weg sein? Zum Beispiel bei der gemeinsamen Nutzung von Hagel-Scannern?

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Es gibt schon jetzt starke Kooperationen von Versicherern, Beispiele habe ich genannt. Die gemeinsame Nutzung von Hagelscannern können als taktische Option sicher sinnvoll sein – auch wenn ich mir genauso gut vorstellen kann, diese von Dritten, spezialisierten Dienstleistern in Anspruch zu nehmen.

"Ich halte wenig davon, als Versicherer Amazon kopieren zu wollen!"

Als die Digitalisierung begann, wurde auch das Bild von Schnellbooten und Tankern bemüht. Was wurde bei Zurich daraus? Sind Ihre Schnellboote noch unterwegs?

Meine persönliche Meinung dazu ist, dass dieser Gegensatz immer schon ein Bild vermittelt hat, das in der Realität sehr viel differenzierter ist. Zudem haben wir in den letzten Jahren gesehen, dass gerade zahlreichen Startups bzw. Schnellbooten der Sprit ausgegangen ist, während diejenigen, die mit gut ausgerüsteten aber dennoch wendigen Versicherern auf Partnerschaften setzen, sehr erfolgreich unterwegs sind. Mit anderen Worten: die große Disruption durch die Schnellbootflotte ist bisher ausgeblieben.

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Wie kommt Zurich in Zukunft auf neue Ideen?

Auch wenn es banal klingen mag: durch „Zuhören und Lernen“. Unsere Kundinnen und Kunden, sowie die Vertriebspartner geben uns täglich wertvolle Hinweise auf neue Ideen!

Die Erwartungshaltung der Kunden hat sich verändert und die Pandemie hat diese Entwicklung nochmal verstärkt. Warum müssen Versicherer so tun, als wären sie Amazon?

Ich halte wenig davon, als Versicherer Amazon kopieren zu wollen. Die Geschäftsmodelle dahinter sind sehr unterschiedlich. Aber: Amazon hat definitiv das Käuferverhalten nachhaltig beeinflusst. Das hat sich in der Pandemie nochmal massiv beschleunigt. Kunden erwarten klare, transparente und einfache Prozesse, die gleichzeitig personalisiert auf die individuellen Bedürfnisse und Erwartungen eingehen! Daran müssen wir uns messen lassen.

Lange Entwicklungszyklen werden mitunter auch den Rechtsabteilungen zugeschrieben. Kommt die Assekuranz dort nicht an eine Art „natürliche Grenze“?

Versicherungen unterliegen aus guten Gründen einer stringenten Regulatorik und Aufsicht, was ganz im Sinne unserer Kunden liegt. Ich sehe hierbei durchaus die reale Gefahr, dass uns Geschwindigkeit verloren geht, die uns gegenüber weniger regulierten Branchen zum Nachteil gereichen kann.
Für Zurich sehe ich aber den alles entscheidenden Hebel in unseren agilen, transparenten und funktionsübergreifenden Zusammenarbeitsmodell über Vertrieb, Kundenservices, Produktentwicklung und IT.

Das Internet of Things (IOT) bietet zur digitalen Schadenabwicklung viele Anwendungsfelder. Auf welche können sich Vermittler und Kunden aus Ihrem Haus freuen?

Wir pilotieren gerade mit einem Autohersteller die automatisierte Schadenmeldung, Schadenkalkulation und aktive Kontaktaufnahme bei Kunden nach einem Unfall auf Basis der Daten aus dem Auto. Im Rahmen dieser Entwicklung haben wir mit mehreren Marktteilnehmern zusammen ein kleines ausbaufähiges Ökosystem gebaut, das uns perspektivisch erlaubt, neben dem reinen digitalen Schadenmanagement auch nützliche Services und weitere Produkte anzubieten. Zudem arbeiten wir an Präventions-Themen, die Frühwarnungen im Leitungswasserschadenbereich auf Basis von IoT-Informationen anstoßen. Gleiches ist auf Basis von Strom- oder Wasserverbrauch-Indikatoren in mittelständischen Unternehmen möglich.

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Die Fragen stellte Michael Fiedler

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