Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit für Versicherungsunternehmen? Der Begriff Nachhaltigkeit erscheint ist seiner Verwendung teilweise etwas beliebig. Die Marktteilnehmer definieren individuell wie "toll" sie ökologische, soziale und ökonomische Aspekte bei Strategien, Produkten und Außendarstellung berücksichtigen. In unseren Analysen haben wir für Versicherungsgesellschaften zunächst vier Stakeholdergruppen identifiziert, an die sich wirkungsvolle Nachhaltigkeit richtet:

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  • Öffentlichkeit
  • Aufsicht (insb. BaFin)
  • Kunden
  • Mitarbeiter

Jede Interessengruppen unternimmt gewollt oder ungewollt eigene Anstrengungen, die Nachhaltigkeit anhand der bereitgestellten Informationen zu objektivieren. Genau aus diesem Grund schlagen wir eine einheitliche Kennzeichnung für Versicherungen und Versicherungsprodukte vor. Dargestellt werden die Ergebnisse der Selbsteinschätzung in Corporate Social Responsibility Berichten oder kurz CSR-Berichten. Diese sind als Nachweise über "die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen im Sinne eines nachhaltigen Wirtschaftens zu verstehen."

Für börsennotierte Versicherungsgesellschaften mit mehr als 500 Mitarbeitern sind Corporate-Social-Responsibility-Berichterstattung verpflichtend. Dabei geht es nicht nur um soziale Belange, wie der Name vielleicht nahelegt, sondern um eine ganzheitliche Betrachtung nachhaltigen Wirtschaftens. Der Deutsche Nachhaltigkeitskodex kann als Vorlage dienen, welche Themenfelder publiziert werden. Auch dazu haben wir bereits etwas veröffentlicht.

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Die Zielsetzung dabei sollte den Versicherungsgesellschaften klar sein: einen Beitrag zur Erreichung der UN-Nachhaltigkeitsziele leisten und darüber transparent informieren. Seit einiger Zeit gibt es durch die Zielke Research Consult GmbH eine objektive Analyse der CSR-Publikationen der Versicherungsgesellschaften. Das Beraterhaus kommt in einer ausführlichen Untersuchung von 42 CSR Berichten zu ernüchternden Ergebnissen. Insbesondere wird den Versicherungsgesellschaften attestiert, dass das Thema Nachhaltigkeit noch nicht angekommen sei. Ob es nun am Gewinnstreben der Unternehmen liegt oder an der fehlenden Bedeutung für den Verbraucher oder ob ganz andere Gründe ursächlich sind, ist nicht eindeutig zu beantworten.

Vorgehen in der Bewertung der CSR-Berichte

Das Beratungsunternehmen Zielke Research Consult stützt sich auf die Kategorien „Sozial“, „Umwelt“ und „Führung“ als Bewertungsgrundlage. Dabei werden Unterkategorien gebildet, welche auf einer Skala von -1 bis +1 bewertet werden. Besonderes Gewicht erhalten die Unterkategorien, ESG in der Kapitalanlage, Frauenanteil in Führungspositionen und CO2-Ausstoß pro Mitarbeiter*in. Hier können maximal +2 Punkte erzielt werden. An der Unterkategorie CO2-Ausstoß möchten wir auch veranschaulichen, was konkret bewertet wurde.

  • -1 Punkt gab es, wenn keine Angabe dazu gemacht wurden
  • 0 Punkte gab es bei Angabe von Gesamtemission oder direkte Emission ohne Berechnungsgrundlage oder Emission bestimmen Energieträger

Weitere (halbe) Punkte gibt es dann, wenn die Emissionsträger (Erdgas, Heizöl, Diesel für Notstrom und Dienstreisen mit dem eigenen Fuhrpark) nach internationalen Standards berechnet und mit dem Durchschnitt des Greenhouse Gas Protocols verglichen wurden.

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Bewertungskategorien inkl. Unterkategorien nach Zielke

Sozial
Welches Engagement hat die Versicherungsgesellschaft nach innen und außen im Rahmen ihrer sozialen Verantwortung?

  • Frauenanteil in Führungspositionen
  • Anteil der sozialen Initiativen an der Bilanzsumme
  • Net Promoter Score
  • Kinderbetreuung und Familienbeihilfe
  • Inklusion von körperlich beeinträchtigten Personen
  • Sportliche Förderung von Mitarbeitern

Umwelt
In den Unterkategorien des Themenblocks konzentrieren sich insbesondere auf eine nachhaltige Darlegung CO2-Ausstoß durch die Versicherungsgesellschaft.

  • Ökostromanteil
  • ESG Board oder Zuständige(n)
  • CO2-Ausstoß pro Mitarbeiter
  • Konkrete Maßnahmen zur CO2-Reduzierung
  • ESG in der Kapitalanlagenpolitik berücksichtigt

(wirtschaftliche) Führung
Hier geht es um den verpflichtenden Bericht zur Solvenz- und Finanzlage der Versicherungsgesellschaft, welche der Öffentlichkeit Aufschluss über die wirtschaftliche Stabilität geben soll.

  • Solvency II Transparenz
  • Solvenzquote
  • Diversifikation
  • Staatsanleihenquote

Die selbstausgegebene Mission des Beratungshauses ist es, die Nachhaltigkeitsanstrengungen der Versicherungsgesellschaften transparent zu machen. Dazu gibt es neben der Ergebnisübersicht eine detaillierte Erklärung auf 46 Seiten, wie die Bewertung vorgenommen wurde. Respekt an das Team von Zielke Research Consult. Dazu noch ein weiteres Beispiel, was aus unserer Sicht vermehrter Aufmerksamkeit bedarf: externe Anspruchsgruppen. Damit sind die Kunden und Öffentlichkeit gemeint. Kundenzufriedenheit und die Höhe der sozialen Initiativen pro Mitarbeiter werden hier anhand von Mittelwerten der Versicherungsgesellschaften miteinander verglichen und bepunktet.

Die Grenzen der Bewertung

Bei aller Bemühung um Objektivierung stößt die Analyse aus unserer Sicht an ihre Grenzen. Die Kundenzufriedenheit wird durch den Net Promoter Score gemessen, den allerdings nur drei (von 42) Versicherungsgesellschaften veröffentlicht hatten. Weiterhin erhält diese Kategorie die gleiche Gewichtung wie die sozialen Initiativen. Aus Sicht eines gemeinwohlorientierten Menschens ist diese Herangehensweise ungünstig.
Um ein medial präsentierbares Ranking zu erhalten, werden die Punkte aus den Kategorien („Sozial“, „Umwelt“ und „Führung“) mit jeweils einem Drittel gewichtet. Nachhaltigster Versicherer ist demnach die Gothaer. Auf den Plätzen folgen Allianz und Helvetia.

Fazit

Die Bewertungsgrundlage dieses Rankings ist eine hervorragend objektivierte Selbsteinschätzung. Dennoch bleiben grundsätzlichen Fragen. Wie geeignet sind die Selbsteinschätzungen, um diese zu vergleichen? Welche Rolle spielt die gewählte Kategorisierung und deren Gewichtung? Welchen Impact haben die Versicherungsgesellschaften auf Klima und Umwelt?

Unser Vorschlag erscheint hier recht simpel. Der Interessent und Leser sollte entscheiden, welche Kriterien er für wichtig oder am wichtigsten hält. Diese Individualisierung kann analog des magischen Dreiecks der Geldanlage Präferenzen einfach und verständlich abbilden. Es entsteht ein persönliches Dreieck der Nachhaltigkeit. Zur vollständigen Transparenz wünschen wir uns auch mehr Informationen zum Thema Compliance und Korruptionsvermeidung sowie Vertriebsanreize und Provisionshöhen.

Laut Bund der Versicherten hat jede*r Deutsche im Schnitt sechs Versicherungen. Die Versicherungsgesellschaften könnten jeden Touchpoint oder Kundenkontakt nutzen, um auf die besondere Bedeutung von Nachhaltigkeit aufmerksam zu machen. In diesem Kontext wäre eine Wirkungstreppe im Hinblick auf nachhaltig herbeigeführte Verhaltensänderung der Zielgruppe der Versicherungsgesellschaften am wünschenswertesten. Diese Forderung scheint sehr weit hergeholt. Allerdings sind wir der Meinung, dass aufgeklärte und nachhaltige Konsumenten sehr empfänglich für klima- und umweltzentrierten Input sind. Die gesellschaftliche Rolle von Versicherungen als Inbegriff von Langfristigkeit, Stabilität und Kollektivabsicherung stellt den perfekten Nährboden dar. Ein bisschen Träumen ist hoffentlich erlaubt…

Als Alternative erscheint auch eine Versicherungs-(Nutri)-Score sinnvoll. Das ist keine wirklich neue Idee, mögen Sie jetzt einwenden. Aber die Transparenzerwartung der Kunden wird bisher bewusst umgangen. Außerdem erscheint es auch im Sinne weiterer Stakeholder sinnvoll, einheitliche Kennzahlen festzulegen. Neben Kunden und Mitarbeitern als direkt Betroffenen, könnte auch Öffentlichkeit und Aufsicht eine vergleichbare Vision der unterschiedlichen Versicherungsgesellschaft nähergebracht werden. Lesen Sie hierzu in Teil V: Gewinne der Versicherungsunternehmen – Ein Dilemma oder Teil der Lösung? Welche Konsequenzen dieses Bedürfnis bei Gewinnen von Versicherungsgesellschaften hat. Daher fassen wir unser Verständnis noch einmal zusammen:
Ziel: Transparenz im Hinblick auf die Beitragszusammensetzung als Goldstandard der ökonomischen Nachhaltigkeit

  1. Ausweis der Gewinnerzielungsabsicht in %
  2. Ausweis der Überschussverwendung auf Produktebene
  3. Ausweis der Kostenaufwendungen
  4. Ausweis der Aufwendungen zur Unterstützung der Nachhaltigkeitsbereiche (analog GDV-Standard)

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