Versicherungsbote: Studierende und andere „Überbrücker“ können sich mit einer Anwartschaftsversicherung ein Rückkehrrecht in die PKV sichern. Vielleicht eine Erfahrung aus Ihrer Beratungspraxis: Wie oft spielt dieses Thema eine Rolle? Sprechen Sie die Kundinnen und Kunden selbst aktiv darauf an - oder wissen vielleicht viele gar nicht, dass es diese Option gibt?

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Gerd Güssler: Für Studierende, die bereits privat versichert sind und jetzt durch das Studium pflichtig werden, lohnt es, sich über eine Anwartschaftsversicherung Gedanken zu machen, um den Gesundheitszustand einzufrieren. Wichtig zu beachten ist, dass die Anwartschaft für einen bestimmten ZielTarif gilt. Daher: Stelle Dich heute so, wie wenn Du heute eine PKV-Vollversicherung kaufen würdest und kaufe dafür die Anwartschaft. Das kann, muss aber nicht der bisherige Tarif sein. Das kann auch eine Anwartschaft bei einem künftigen anderen Unternehmen sein. Auch das Alter einzufrieren ist eine Frage des Beitrags und ob Mann/ Frau sich das leisten möchte.

Der Beitrag für die große Anwartschaft liegt meist um die 40 bis 50 Prozent des Tarifbeitrages, die Kleine bei circa 20 Prozent.

Es wird zwischen großer und kleiner Anwartschaft unterschieden: die kleine sichert die Rückkehr ohne neueGesundheitsprüfung, die große auch das Eintrittsalter, das quasi eingefroren wird sowie die Alterungsrückstellungen. Wovon hängt es ab, wofür man sich entscheiden sollte? Und wie sehr klaffen die Kosten für beide Varianten auseinander?

Die kleine Anwartschaft kostet circa 20 Prozent des Tarifbeitrages aus ambulant, stationär und Zahn des gewünschten Zieltarifs. Die Kosten für die grosse Anwartschaft liegen hingegen bei ca. 40 bis 50 Prozent des gewählten Tarifs.

Insoweit ist eine mögliche Strategie:

Suche den künftigen Zieltarif mit heutigem Alter (zum Beispiel Eintrittsalter 20 Jahre und Monatsbeitrag 300 Euro). Nehme den Beitrag des gleichen Tarifs zum möglichen Studienende, also ein höheres Eintrittsalter (zum Beispiel Eintrittsalter 30 Jahre und Monatsbeitrag 500 Euro).

Und jetzt rechne modellhaft Beispiel (1):

Was investiere ich an Beitrag, bis ich 65 Jahre alt bin?! Bei Alter 20 (und ab 21 dann mit der Alterungsrückstellung) Beitrag 300* mal 12 mal 45 sind 162.000 und bei Alter 30 Beitrag 500* mal 12 mal 35 sind 210.000. Differenz 48.000 Euro mehr an Beitrag bei 10 Jahre späterem Eintritt. Die große Anwartschaft kostet 50 Prozent aus 300* das sind 150 Euro mal 12 mal 10 also 18.000. Dafür erkaufe ich mir das Einfrieren des Gesundheitszustandes, den früheren Beginn des Aufbaus an Alterungsrückstellungen und den günstigeren Beitrag einer/s Zwanzigjährigen. Eine Ersparnis von 30.000 Euro.

Jetzt stelle ich den Mehrbeitrag mit späterem Eintrittsalter (ab 30) dem Beitrag für die große Anwartschaft gegenüber und entscheide. Und beantworte mir die Frage, ob ich mir diese Strategie leisten möchte. Wähle ich die kleine Anwartschaft, dann habe ich ca. 20 Prozent aus 300 Euro – das sind 60 Euro für das Einfrieren des Gesundheitszustandes. Jedoch fällt beim Aktivieren der dann gültige höhere Beitrag zum dann gültigen Eintrittsalter an. Das kann bei kurzen Zeiten zwischen Anwartschaft und Versicherungsbeginn Sinn machen.

*Ersetze 300 und 500 mit dem tatsächlichen Beitrag. (1) Die Zahlen sind modellhaft fiktiv und zeigen nur den Gedankengang.

Worauf gilt es bei einer Anwartschaftsversicherung zu achten? Gibt es Fallstricke in manchen Verträgen, so dass dann eine Rückkehr in den Tarif eben nicht ohne neue Hürden möglich ist: zum Beispiel Wartezeiten?

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Es sind die Obliegenheiten zu erfüllen. Meist muss innerhalb von zwei Monaten reagiert werden und die Anwartschaft aktiviert werden, wenn zum Beispiel zum Ende des Studiums ein Wechsel in die PKV möglich ist. Wenn die Option nicht aktiviert wird, verfällt die Anwartschaft und dann war die ganze Aktion umsonst. Daher ein dickes gelbes Post-It an die Kühlschranktür.

Hier ist eine Anwartschaftsversicherung erst recht von Vorteil

Gibt es Situationen, in denen eine Anwartschaftsversicherung aus Ihrer Sicht keinen Sinn macht?

Wenn von Anfang an klar ist, dass es keine Option für eine private Krankenversicherung nach Studien-/Ausbildungsende geben wird. Sonst gilt es, den Einzelfall im Gespräch zu erörtern.

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Würden Sie Maklern raten, das Thema Anwartschaftsversicherung im Beratungsgespräch aktiv anzusprechen? Lauern gar Haftungsfallen, wenn man es nicht tut und der Versicherte seinen PKV-Schutz zu den alten Bedingungen „verliert“?

Grundsätzlich sind Versicherungsmakler, wenn Sie einen Beratungsbedarf erkennen, Sachwalter. Daraus folgt: Sie müssen den Kunden ansprechen und hinweisen. Das sagt schon das Sachwalterurteil [BGH, Urteil vom 22.05. 1985, Az.: IVa ZR 190/83 – Anmerkung Redaktion]. Makler müssen jedoch nicht mit der Glaskugel am Schreibtisch sitzen und Gedanken erahnen. Oder nicht gesätes Gras wachsen hören. Sie werden jedoch als Sachwalter des Kunden auf die Möglichkeiten hinweisen, wenn Sie Sachverhalte erfahren, die eine Beratungspflicht auslösen. Und da gehört das Thema Anwartschaften ganz normal dazu.

Macht aus Ihrer Sicht auch eine GKV-Anwartschaftsversicherung Sinn, die die Rückkehr zu einer Krankenkasse ermöglicht? Wann?

Sobald sich jemand ins Ausland begibt – auch innerhalb Europas - ist es zur Sicherung des Status „Ich war GKV“ eine Empfehlung und ratsam. Zwar ist die Anwartschaftsversicherung – auch aufgrund der Versicherungspflicht – nicht mehr zwingend notwendig, jedoch für den Nachweis „Ich war GKV“ hilfreich. Hier gilt es, sich am besten schriftlich die Rückkehroption von seiner Krankenkasse bestätigen zu lassen. Denn das eine sind Gesetze und Vorschriften, das andere die Menschen, die sie umsetzen, interpretieren und wahrnehmen. Klingt jetzt erst mal nicht vertrauenserweckend und logisch. Doch geht es hier für den Kunden darum, dass, wenn er zum Beispiel krank ist, er seiner Pflicht sich zu versichern trotzdem fristgerecht nachkommen und seinen letzten Status nachträglich beweisen muss für die Annahme in einer GKV. Und nach unter Umständen zehn oder 15 Jahren kann das ziemlich aufwendig werden.

Wer berufsunfähig wird, kann den Anspruch auf Krankentagegeld verlieren: obwohl er vielleicht doch irgendwann in den Beruf zurückkehren kann. Auch hier sind Anwartschaften möglich. Sollten Versicherte davon Gebrauch machen und Makler dies ansprechen? Worauf sollten privat Krankenversicherte noch mit Blick auf eine mögliche Berufsunfähigkeit achten?

Hier ist eine Anwartschaftsversicherung erst recht von Vorteil, um das Aufleben der PKV nach Gesundung wieder zu ermöglichen. Nach den Allgemeinen Vertragsbedingungen hat der Kunde zwar das grundsätzliche Recht, auch eine Anwartschaft für das Krankentagegeld abzuschließen, wenn die Aussicht auf Wiedereintritt in die Arbeitswelt besteht. Doch die Frage ist: Wer bestimmt darüber, ob die Erwerbstätigkeit wieder möglich wird? Wer hier beim Kauf der PKV auf die gesamte Qualität geachtet hat, hat Vorteile. Denn wenn im Leistungsfall viele Eigenleistungen - egal welche - zu erbringen sind, um Leistungen zu erhalten, kann das mühsam bis existentiell werden.

Aktuell werden Anwartschaftsversicherungen auch für Berufsunfähigkeits-Policen diskutiert, wenn auch nach einem etwas anderen Modell: Eltern sollen sie für Kinder und Schüler abschließen und damit den Gesundheitszustand für später „einfrieren“, um kostengünstig eine BU abschließen zu können. Was halten Sie von einem solchen Modell? Wäre es aus Ihrer Sicht überhaupt machbar/ kalkulierbar?

Alles, was Menschen den Zugang zu Policen ermöglicht, die existentiell sind, wie zum Beispiel Policen rund um die Arbeitskraftabsicherung, ist mehr als sinnvoll! Das lässt sich nach versicherungsmathematischen Grundsätzen berechnen. Doch auch hier würde gelten: Wähle dort, wo Du später kaufen willst.

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Die Fragen an Gerd Güssler stellte Mirko Wenig

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