Simon Nörtersheuser: Vertriebsplattformen bringen unterschiedliche Akteure im Vertriebsprozess zusammen und müssen nicht unbedingt auf Endkunden ausgerichtet sein. Deswegen sind Sie in der Regel keine Gefahr für Makler, im Gegenteil: sie erleichtern ihnen die Arbeit, ohne dass die auf ihre Unabhängigkeit verzichten müssen. Digitale Vertriebsplattformen setzen hier an und sind auf einem sehr guten Weg. Das führt im Erfolgsfall auch immer zu einer Bündelung von Marktmacht.

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Die InsurTechs mit diesem Geschäftsmodell sind aber nicht alleine und konkurrieren mit etablierten Anbietern von Maklersoftware. Wer am Ende die Nase vorne haben wird, ist aktuell noch nicht abzusehen. Eine Konsolidierung im Maklermarkt schreitet allerdings ohnehin voran. Vor allem Einzelmakler suchen angesichts der Herausforderungen der Digitalisierung und zunehmender regulatorischer Vorschriften starke Kooperationen. Auf zahlreiche Anfragen aus unserem Netzwerk haben wir so unlängst reagiert und die Maklerpartnerschaft ins Leben gerufen. So muss kein Makler die technischen, juristischen und bürokratischen Herausforderungen fürchten und kann sich ganz auf sein Kerngeschäft, die unabhängige Beratung des Kunden, konzentrieren und das sogar noch ausbauen.

In welchen Bereichen ist die Gefahr für die Vermittlerschaft am größten, dass digitale Absatzkanäle der Insurtechs in Konkurrenz zu herkömmlichen Vertriebswegen treten?

Dr. Nikolai Dördrechter: Die mit Abstand größte Gefahr für die Vermittlerschaft ist es, sich nicht aktiv mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen und zu wenig Geld für Investitionen in Technologie in die Hand zu nehmen. Viele Makler haben – wenn überhaupt - nur leidlich gepflegte Maklerverwaltungsprogramme, eine veraltete IT-Infrastruktur und damit einhergehend stark „papierlastige“ Prozesse. So aufgestellte Makler und Vermittler werden es zukünftig immer schwerer haben, für ihre jüngeren Kunden attraktiv zu bleiben. Zudem gehen ihnen wertvolle vertriebliche Chancen durch die Lappen, die unsichtbar im Bestand schlummern.

InsurTechs sehe ich hier in erster Linie als Lösungsanbieter und nicht primär als Konkurrenz. Ein Großteil der InsurTechs, die ursprünglich mal als reiner Online-Makler im Privat- oder Gewerbekundengeschäft aufgetreten sind, haben sich zu Technologieanbietern weiterentwickelt, die sich als Partner der etablierten Vertriebskanäle sehen. Auf der anderen Seite sehen wir aber durchaus ernstzunehmende Konkurrenz für die etablierten Vermittler durch digitale-B2C--Makler, die große Vertriebspartnerschaften z.B. mit Banken eingegangen sind. Diesen stehen, nicht zuletzt gestärkt durch massive Finanzierungsrunden, ganz andere Wachstumsmöglichkeiten offen, als einem traditionell aufgestellten Vermittler oder Makler.

In welchen Bereichen könnten Vermittler aus Ihrer Sicht von der aktuellen Entwicklung profitieren?

Simon Nörtersheuser: Nur 14 von 134 InsurTech sind überhaupt vertrieblich im Endkundengeschäft tätig. Damit sind fast 90 Prozent der Versicherungs-Start-ups keine direkten Gegner der klassischen Vermittlerschaft. Im Gegenteil: Gerade wer als Einzelmakler die Herausforderungen der Digitalisierung bewältigen und gleichzeitig mit den schärferen Regulierungsvorschriften klarkommen will, sucht sich Unterstützung. InsurTechs bieten hier mitunter Lösungen, die etwa bei der Optimierung der Organisation helfen oder das Beratungsgespräch beim Kunden digital unterstützen.

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Dennoch ist die Maklerschaft weitgehend skeptisch: Laut aktueller Umfragen begegnen mehr als 75 Prozent den „Neuen“ mit Zurückhaltung. Wer aber auch in Zukunft erfolgreich vermitteln will, wirft entweder selbst einen genaueren Blick auf die InsurTech-Szene oder sucht sich starke Partner, die die Angebote längst nutzen. Denn gerade für die Bereiche, die den Kunden im persönlichen Kontakt mit dem Vermittler am wichtigsten sind – Beratung und Bedarfsanalyse, Vertragsanpassungen, Hilfe im Schadenfall, Kombinationsmöglichkeiten verschiedener Tarife und Details der Versicherungsbedingungen – , bieten auch InsurTechs sinnvolle und kostengünstige Unterstützung an.

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