20- bis 34-Jährige: Mit Vorsorge überfordert?

Die umlagefinanzierte gesetzliche Rentenversicherung ächzt unter dem demografischen Wandel – Schlagworte wie „Altersarmut“ und „Rentenlücke“ bestimmen die Debatten. Zeigt sich die erste tragende Säule der Altersvorsorge – die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) – aber durch eine zunehmend alternde Gesellschaft anfällig, müssen andere Säulen des Alterssicherung größere Lasten übernehmen. Eine Situation, die auch jüngeren Erwachsenen bewusst ist, wie eine aktuelle Umfrage im Auftrag des Finanzdienstleisters Fidelity International unter 2.400 Beschäftigten zeigt.

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Hierbei könnten Umfrageergebnisse aber zugleich eine mit ihrer Vorsorgeplanung überforderte Generation offenbaren. Denn richten soll es eine betriebliche Altersvorsorge, die automatisiert über den Arbeitgeber läuft. Demnach wünschen sich 57 Prozent der 20- bis 34-Jährigen, dass ihr Arbeitgeber automatisch einen Teil ihres Gehalts in eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) investiert. Eine Lösung, die an die Niederlande denken lässt: Dort sind Betriebsrenten ein gängiger Bestandteil des Lohnes geworden (der Versicherungsbote berichtete).

Der Wunsch nach einfachen Lösungen... und Transparenz

Die Umfrage offenbart demnach den Wunsch nach einfachen Lösungen... und größtmöglicher Transparenz. Zugleich nämlich wünschen sich 36 Prozent der 20- bis 34-Jährigen, Altersvorsorgeansprüche sollten auf der Lohn- und Gehaltsabrechnung ausgewiesen werden. Ähnlich der Wunsch von 38 Prozent aus der gleichen Befragten-Gruppe, der Arbeitgeber solle alle Informationen zur Ruhestandsplanung leicht zugänglich machen. Fast scheint es, als würden junge Menschen alle Hoffnung auf den Arbeitgeber legen, ihnen einen Überblick durch die unüberschaubare deutsche Vorsorge-Architektur zu verschaffen.

Viele Deutsche kennen nicht eigene Rentenansprüche

In der Presseerklärung des Finanzdienstleisters werden die eigenen Umfrageergebnisse pointiert mit der Floskel: „Altersvorsorge ja, drum kümmern, nein danke!“ Jedoch: Äußert man dies als Vorwurf an die jungen Leute, könnte ein wichtiges Problem verkannt werden. Denn eine große Unkenntnis vieler Deutscher betrifft ausgerechnet den Stand bei eigenen Rentenansprüchen. Dieses Problem trifft nicht nur auf junge Menschen zu. Eine Umfrage des Vereins Deutsche Renten Information (DRI) und der Frankfurter Goethe-Universität brachte sogar zu Tage: 70 Prozent der Bundesbürger können nicht sagen, welche Rentenansprüche sie aus den drei Säulen der Altersvorsorge bereits erworben haben (der Versicherungsbote berichtete). Solches Unwissen trifft auf ein Vorsorgekonstrukt großer Komplexität.

BMAS: Mehrere 10.000 Vorsorgeeinrichtungen mit großer Produktheterogenität

Das veranschaulicht ein Forschungsbericht im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS): Allein „in der betrieblichen Altersversorgung“ gäbe es „mehrere 10.000 Vorsorgeeinrichtungen, die eine große Produkt-Heterogenität aufweisen“. Solche Zahlen müssen beim Wunsch nach automatisierten Verfahren bedacht werden – viele Menschen trauen sich schlicht einen Überblick über mögliche Lösungen nicht zu. Hinzu kommen die oft komplexen Altersvorsorgeprodukte der dritten Säule privater Vorsorge. Erst kürzlich hat zum Beispiel SPD-Politiker Ralf Kapschack der Versicherungsbranche eine „Unübersichtlichkeit der Produkte“ und „ramponiertes Vertrauen“ vorgeworfen.

Somit gilt als Auftrag sowohl an die Branche als auch an die Politik: Transparente Lösungen sind gefordert, die überhaupt erst ermöglichen, jungen wie älteren Menschen ihre Vorsorgeansprüche zu veranschaulichen. Ein wichtiger Schritt dahin könnte zum Beispiel eine säulenübergreifende Renteninformation sein, die allen Bürgern ihre Ansprüche aus den drei Säulen der Alterssicherung aufzeigt. Denn die Kenntnis des „Ist-Zustands“ ist ein erster wichtiger Schritt für die Zukunftsplanung – 23 Prozent der Befragten in der Umfrage des Finanzdienstleisters geben schließlich auch an, über „keinen konkret dokumentierten Plan“ für ihre Altersvorsorge zu verfügen, obwohl sie über Altersvorsorge "nachdenken".

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Rentenportal könnte Abhilfe schaffen

Die Bundesregierung hat sich mit dem Rentenportal die Schaffung eines möglichen Transparenz-Systems zum Ziel gesetzt – laut BMAS-Forschungsbericht ein „ambitioniertes Ziel, das wesentlich von den politischen Entscheidungsprozessen und der konstruktiven Mitwirkung“ der Branche abhängt. Arbeiten Politik und Versicherungswirtschaft zusammen, wäre eine solche Information laut BMAS machbar. So könnte eine Pilotphase „in zwei bis drei Jahren starten“, wie das Papier ebenfalls ausführt. Die aktuelle Fidelity-Umfrage offenbart: Hierfür wäre in Zeiten des demografischen Wandels und drohender Vorsorgelücken höchste Zeit.

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