Die Digitalisierung des Versicherungsbetriebs bleibt ein Dauerthema der Branche. Hier liefern Insurtechs innovative Lösungen, beispielsweise um Versicherungsrisiken besser zu erkennen, Schadenprozesse zu unterstützen und Vertrieben digitale Lösungen zur Kundeninteraktion zu liefern. Inzwischen hat sich der Blick auf die jungen und wilden Unternehmen durchaus geändert. Während zum Start der ersten Insurtechs noch von Lautsprechern die Rede war, die alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen, spricht man nun deutlich positiver über die Szene. „Versicherung wird zunehmend zur „Tech-Surance“ mit InsurTechs als Katalysator und treibende Kraft der digitalen Transformation“, sagt Dr. Dietmar Kottmann, Partner bei Oliver Wyman und Leiter für das Geschäft für Versicherungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz.

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Insurtechs und etablierte Versicherungsunternehmen werden zukünftig noch mehr an einem gemeinsamen Strang ziehen. Dabei wird die von Insurtechs getriebene Digitalisierung mehr und mehr natürlich in der insgesamt stattfindenden digitalen Transformation der Branche, der „Tech-Surance“ aufgehen.

Investitionen auf Rekordhoch

Die teilweise sehr großen Investitionen in Insurtechs reißen nicht ab. Weltweit flossen im Jahr 2020 in Summe knapp 7,11 Milliarden US-Dollar in Insurtechs. In diesem Jahr wurde der Wert bereits geknackt. Denn allein im ersten Halbjahr wurden in Finanzierungsrunden stolze 7,38 Milliarden US-Dollar eingespielt.

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Ähnlich sieht die Entwicklung der Insurtechs in Deutschland, Österreich und der Schweiz aus: Die Pandemie hat den jungen Unternehmen nicht geschadet, sondern deren Entwicklung in Summe positiv beschleunigt. Dies zeigt der aktuelle Insurtech-Radar der internationalen Strategieberatung Oliver Wyman, Nikolai Dördrechter und Policen Direkt. Für den Radar wurden bereits zum vierten Mal deutsche InsurTechs einer detaillierten Analyse unterzogen. Erstmalig flossen auch Start-ups aus Österreich und der Schweiz in die Untersuchung mit ein.

Insurtechs haben noch Lücken im Angebot

„Entgegen ursprünglicher Befürchtungen gab es bei den InsurTechs in DACH keinen COVID-19 bedingten Strömungsabriss bei der Finanzierung. Nach einer kurzen Verschnaufpause Mitte 2020 sind die Investoren aktiver als zuvor“, konstatiert Dr. Nikolai Dördrechter, InsurTech-Experte und Co-Autor des InsurTech-Radars. Das zeigt nicht zuletzt die Millionen-Finanzierung von Wefox. Das Berliner Unternehmen hatte rund 650 Millionen Euro erzielen können und stieg damit zum Einhorn auf - eine Größenordnung, die beim ersten Insurtech-Radar in 2016 noch gänzlich unmöglich schien. Die Internationalisierung spielt bei der Ausrichtung aber eine zunehmend wichtige Rolle. Denn viele Unternehmen bauen mittlerweile Lösungen für mehrere Märkte.

Pandemie "hilft" Insurtechs

Generell habe sich die Pandemie für viele Insurtechs eher positiv ausgewirkt. Denn durch das zeitweise Herunterfahren des öffentlichen Lebens könnte sich auch die Nachfrage nach Versicherungen auf digitale Information und Abschlüsse verschoben haben, glauben die Studienmacher. Dies sei in ähnlicher Weise auch beim verstärkten Einkauf bei Online-Versandhändlern zu beobachten. So hätten über 80 Prozent der endkundenorientierten B2C-Insurtechs mehr Neukunden gewinnen können als vor der Pandemie. Bei über 20 Prozent der Unternehmen sei die Zahl der Neukunden sogar um mehr als 50 Prozent gestiegen.

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Bei Insurtechs, deren Primärkunden die etablierte Versicherungswirtschaft ist, sogenannte B2B2C-Modelle, seien die Sprünge noch ausgeprägter gewesen. Hier hätten über 80 Prozent der Unternehmen mehr Vertragspartner als vor der Pandemie hinzugewonnen, über ein Drittel hätten sogar einen Zuwachs von ebenfalls mehr als 50 Prozent notiert.

Die Gesamtanzahl der Unternehmen bleibt aufgrund von Marktaustritten stabil bei rund 210. Stark gewachsen sei die Relevanz der technologieaffinen Start-ups im Versicherungsbereich. So hätten sich Insurtechs auch in komplexeren Geschäftsmodellen in den Bereichen Angebot und Betrieb behaupten und Wachstumsthemen wie Embedded Insurance erfolgreich besetzen können. Vor allem die Neocarrier, die klassische Versicherungsprodukte digital neu interpretieren, seien weiterhin im Aufwind. In diesem Bereich habe sich die etablierte Assekuranz verstärkt engagiert. „Neocarrier sind das heimliche Spielfeld der Assekuranz geworden. Bei mindestens 18 Insurtechs ist die etablierte Versicherungswirtschaft stark engagiert“, sagt Dördrechter. Allerdings gäbe es im Angebot der DACH-Insurtechs auch noch Lücken, in die zunehmend internationale Start-ups stoßen. Hier muss die Szene in der DACH-Region noch aufholen, fordern die Studienmacher.

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