Wollte sich doch in einem Gerichtsverfahren durch zwei Instanzen ein Makler auf seine gesetzlichen Betreuungspflichten berufen und hatte hierfür auch gute Gründe – jedoch erlitt er eine deutliche Niederlage. Demnach handelt es sich bei seinen vermeintlichen „Service Calls“ ohne Einwilligung des Kunden um so genannte „Cold Calls“ – und damit um unlautere Telefonwerbung im Sinne des Wettbewerbsrechts. Der Versicherungsbote stellt ein Urteil vor, das Makler in Zukunft beherzigen sollten.

Anzeige

Gesetzreform unterband lästige Werbeanrufe

Viele kennen die Situation aus dunklen Zeiten des unlauteren Vertriebs: Das Telefon klingelt – und eine unbekannte und freundlich erscheinende Stimme ist am Telefon. Der überraschende Anruf jedoch entpuppt sich recht schnell als Versuch, das Abonnement einer Zeitung oder ein Produkt zu verkaufen oder sogar Menschen zum Abschluss eines lang laufenden Vertrags zu überreden. Diese auch als „Cold Call“ bezeichnete Praxis war lange Zeit so berüchtigt wie verbreitet und brachte oft schlecht informierte und insbesondere ältere Menschen in die Vertrags-Bredouille. Erst das „Gesetz zur Bekämpfung unerlaubter Telefonwerbung und zur Verbesserung des Verbraucherschutzes bei besonderen Vertriebsformen“ aus dem Jahre 2009 etablierte nach und nach ein effektives Maßnahmenpaket, um die schon damals unerlaubte Praxis wirkungsvoller zu unterbinden.

So definiert Paragraph 7 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), dass ein solcher Werbeanruf nur bei „ausdrücklicher Einwilligung“ einer Verbraucherin oder eines Verbrauchers zu erfolgen habe. Ansonsten drohen wettbewerbsrechtliche Konsequenzen – etwa Kosten in Folge einer rechtmäßigen Abmahnung oder sogar ein Bußgeld von bis zu 300.000 Euro, wie die Bundesnetzagentur informiert. Das alles stellt auch in der Maklerbranche keine unbekannte Rechtslage dar.

Anrufe als Ausübung der Betreuungspflicht

Jedoch: So einfach ist es dann oft doch nicht, wenn eingeschätzt werden muss, was möglich oder gar nötig oder was im Sinne eines unlauteren Wettbewerbs verboten ist. Das musste auch ein Makler aus Nordrhein-Westfalen erfahren. Denn dieser rief Kunden an, die aufgrund laufender Versicherungsverträge bereits durch ihn betreut wurden – um sich über die Zufriedenheit des Kunden zu informieren und notfalls alternative Produkte und Angebote anzubieten. Aber kann es rechtlich verfänglich sein, den Kunden durch Anrufe zur Zufriedenheit zu befragen, ohne hierfür vorher eine Erlaubnis eingeholt zu haben? Der Makler jedenfalls sah dies nicht so und meinte sich im Recht.

Ja: Mehr noch! Der Makler meinte sich zu den Anrufen geradezu verpflichtet. Denn aus seiner Sicht erfüllte er mit den als „Service Calls“ bezeichneten Anrufen eine - vermeintlich durch das Gesetz vorgegebene – Verpflichtungen zur „Nachbetreuung“ von Versicherungsverträgen. Diese Pflicht leitete er aus Paragraph 61 des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG) ab – der Paragraph definiert „Beratungs- und Dokumentationspflichten des Versicherungsvermittlers“.

Anzeige

Makler wollte vor Gericht Rechtslage klären

Aus diesem Grund reagierte der Makler auch nicht, als einer seiner Kunden – ein Geschäftsführer – sich durch die Anrufe belästigt fühlte und den Makler wettbewerbsrechtlich abmahnen lies. Statt eine Unterlassungserklärung abzugeben, ließ es der Makler folglich auf eine Auseinandersetzung vor Gericht ankommen. Denn wie kann "unlauter" sein, was durch das Gesetz dem Makler vorgeschrieben wird?

Kundenanrufe zur Bestandspflege – gelten auch als Werbung

Vor Gericht freilich verlor der Makler auf ganzer Linie: Er wurde zur Unterlassung verurteilt und sollte die Kosten tragen aufgrund eines Urteils durch das Landgericht (LG) Düsseldorf (Az. 12 O 245/18). Der Makler aber ging in die nächsthöhere Gerichtsinstanz und versuchte, durch Berufung dieses Urteil abzuwenden. Erfolglos: Mit Urteil vom 19.09.2019 wurde die Berufung durch das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf nun zurückgewiesen (Az. 15 U 37/19). Das Urteil gilt als rechtskräftig.

Demnach handelt es sich auch bei den vermeintlichen „Service Calls“ um Werbung im Sinne des UWG – geschehen diese ohne Einwilligung des Kunden, handelt es sich um unlauteren Wettbewerb. Müsse doch jede Äußerung als Werbung gelten, die „objektiv darauf gerichtet“ wäre, „durch Beeinflussung der geschäftlichen Entscheidung des Verbrauchers den Absatz zu fördern.“

Anzeige

Um Werbung handelt es sich also zunächst, wenn der Angerufene unmittelbar zu einem Geschäftsabschluss bewegt werden soll. Jedoch – und darauf weist das Gericht explizit hin – auch ein mittelbarer Versuch, den Verbraucher auf ein bestimmtes Produkt zu lenken, gilt als Werbung im Sinne des UWG. Und diese weite Auslegung berührt das Vermittler-Geschäft im Kern.

Denn gemäß der Urteilsgründe des Gerichts dient auch eine Frage nach der Zufriedenheit des Kunden als Werbung, sobald diese dazu dient, entweder einen Kunden zu behalten oder künftige Geschäftsabschlüsse zu fördern. Das trifft sogar dann zu, wenn zum Beispiel ein Anruf gar nicht dem Angebot konkreter Produkte dient, sondern wenn mit der Zufriedenheit nur die Wechselwilligkeit des Kunden ergründet werden soll. In diesem Sinne kann jeder Kundenkontakt zur Bestandspflege als „Werbung“ verstanden werden.

Korrespondierende Maklerpflichten: Erfüllbar im Einklang mit Wettbewerbsrecht

Gibt es aber tatsächlich eine Pflicht zur Nachbetreuung durch das Versicherungsvertragsgesetz, so dass Anrufe wie jener des Maklers sogar geboten sind? Diese Frage hat das Gericht bewusst offen gelassen. Das hat seinen Grund: Die Beantwortung der Frage ist für die Urteilsfindung gar nicht entscheidend.

Denn selbst, wenn das Versicherungsvertragsgesetz Maßnahmen wie die Anrufe geboten erscheinen lässt, müssen laut Gericht „die korrespondierenden Pflichten in jedem Falle im Einklang mit dem Wettbewerbsrecht“ erfüllt werden. Was Makler und Vermittler folglich beachten müssen, um sich nicht des Risikos einer Abmahnung oder gar eines hohen Bußgeldes auszusetzen, führt das Gericht in seinen Urteilsgründen aus.

Kontaktiert demzufolge ein Makler den Kunden telefonisch, darf er „diese telefonische Kontaktaufnahme gem. § 7 Abs. Nr. 2 UWG nur dann für eine (mittelbare) Werbung nutzen, wenn er zuvor eine ausdrückliche Einwilligung des Kunden eingeholt hat“. Er könne also die „telefonische Kontaktaufnahme zum Kunden durch die vorherige ausdrückliche Einwilligung legitimieren lassen.“ Rechtsexperten wie Anwalt Björn Thorben raten aufgrund dieses Urteils, zukünftig „neben dem Maklervertrag auch entsprechende Einwilligungen des Kunden aus datenschutzrechtlicher sowie wettbewerbsrechtlicher Hinsicht“ einzuholen. Und dies hat wohl zukünftig routinemäßig im Voraus zu geschehen.

Anzeige

Falls diese Einwilligung aber fehlt, liefert just das Oberlandesgericht einen weiteren Vorschlag. Könne der Makler „in Ermangelung einer vorherigen ausdrücklichen Einwilligung" doch auch „alternativ einen anderen Kommunikationsweg anstelle der in § 7 Abs. 2 Nr. 2 und 3 UWG genannten Kontaktwege wählen“, um nicht gegen Wettbewerbsrecht zu verstoßen.

Seite 1/2/

Anzeige