Ruft die Süddeutsche Zeitung Debeka-Vorstandschef Thomas Brahm zum Interview, ergeben sich die Schwerpunkte fast von allein. Denn zwar steht der Koblenzer Konzern nach Marktanteilen in mehreren Branchen gut im Geschäft – die Erstversichererstatistik der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) für 2017 weist ihn zum Beispiel als viertgrößten Lebensversicherer am deutschen Markt aus. Wichtigster Geschäftszweig der Debeka jedoch ist die private Krankenversicherung (PKV): 15,35 Prozent aller verdienten Bruttobeiträge am Markt konnte die „Debeka Kranken“ in 2017 einnehmen. Nach Marktanteilen ist die Debeka damit die Nummer eins aller privaten Krankenversicherer Deutschlands.

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So verwundert es auch nicht, dass der politische Reformdruck auf die private Krankenversicherung einen wesentlichen Kern des Interviews bildete. Den Schwenk vom allgemeineren Thema einer drohenden „Bürgerversicherung“ hin zum – für die Debeka nicht unheiklen – Unterthema „PKV als Beamtenversicherung“ leistete hierbei der Debeka-Vorstandschef selbst. Wurde Thomas Brahm doch zur Bürgerversicherung gefragt, ob „da gerade eher Ruhe herrsche“. Die Frage bezog sich auf jene Pläne von SPD und Grünen aus der letzten Bundestagswahl, die das Geschäftsmodell der PKV fundamental bedroht hätten.

Trotz Ruhe bei Bürgerversicherung: Beunruhigung

Mit einer Neuauflage der großen Koalition gerieten jedoch die Pläne unter die Räder, so dass der Chef von Deutschlands größtem Krankenversicherer tatsächlich zugeben konnte: Beim „Grundsatzthema Bürgerversicherung“ sei es „im Moment relativ ruhig“. Die Ruhe aber kann aus Sicht der Krankenversicherer eine trügerische sein, wie die weiteren Ausführungen des gelernten Versicherungskaufmanns nahelegen. Gäbe es doch eine „Reihe von anderen Entwicklungen“, die geeignet seien, „der PKV das Wasser abzugraben“. Die Wortwahl zeigt: Aus Brahms Sicht sind diese Entwicklungen von ebenso existenzieller Bedrohung für die PKV.

Von den Interviewpartnern nach Beispielen für diese Entwicklungen gefragt, nennt Brahm das sogenannte „Hamburger Modell“. Dieses Modell, das Beamten seit dem 01. August 2018 eine pauschale Beihilfe verspricht, sobald sie sich für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, „beunruhigt uns“, wie Brahm für den Konzern ausführt. Würden doch auch andere Bundesländer über ein derartiges Konzept nachdenken, das bisher nur in Hamburg existiert.

Ein Eingeständnis, das die Wichtigkeit der Beamten für die PKV herausstellt. Denn die lauten politischen Stimmen, die das Geschäftsmodell der PKV in Frage stellen, legitimieren sich durch das teure Beihilfesystem für Beamte. Während Beamte für eine private Krankenversicherung Anspruch auf Beihilfe haben und 50-70 Prozent der Gesundheitskosten von ihrem Dienstherren ersetzt bekommen, müssen sie für eine gesetzliche Krankenversicherung den vollen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zahlen…außer in Hamburg. Dort zahlt der Dienstherr seinen Staatsdienern seit sechs Monaten auch für Krankenkassen eine Beihilfe.

Den Steuerzahler freilich kommen die Privilegien der Beamten laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung teuer zu stehen: Schon jetzt zahlen Bund und Länder zusammen 12 Milliarden Euro an Beihilfen zur PKV, die Ausgaben könnten sich bis 2030 auf über 20,2 Milliarden Euro erhöhen. Kritiker wie der SPD-Politiker Karl Lauterbach spötteln aus diesem Grund auch, die PKV entwickele sich zu einer „Beamtenversicherung“ (der Versicherungsbote berichtete).

Hamburger Modell: kleiner Erfolg als Bedrohung

Auffallend nehmen in Brahms Ausführungen die Beamten einen breiten Raum ein. Das zeigt sich auch bei der Antwort auf die Frage, welche Vorteile das Portal "Meine Gesundheit" biete – ein Online-Portal, für das die Debeka mit anderen Versicherern wie der Axa oder der HUK-Coburg kooperiert (der Versicherungsbote berichtete). Als erstes...fallen dem Debeka-Chef die Beamten ein. So wolle man über das Portal "die Rechnungsabwicklung für Beamte vereinfachen". Sollen Beamte doch die Rechnungen nur einmal hochladen müssen und dann entscheiden können, ob sie die Rechnungen an die Versicherung, die staatliche Beihilfe oder an beide schicken.

Auffallend an der Beunruhigung ist außerdem die Tatsache, dass trotz Hamburg das traditionelle Beihilfe-Konzept zur PKV wie eh und je beliebt ist: 94 Prozent der Beamten in Deutschland wählen eine private Krankenversicherung und genießen damit auch Privilegien wie kürzere Wartezeiten auf einen Arzttermin oder die Chefarztbehandlung, wie der PKV-Verband selbst beteuert. Diese große Zustimmung unter den Staatsdienern zur PKV spiegelt sich auch direkt in der Hansestadt: Bisher wählten etwas mehr als 1.000 Beamte das neue Modell für die gesetzliche Krankenkasse. Ein nur kleiner Erfolg, der vom Hamburger Senat freilich als großer gewertet wird: in einem Pressetext hat der Hamburger Senat die Zahlen als Beleg genommen, dass das GKV-Modell gut nachgefragt werde. Jedoch: Hamburg zählt nach Angaben der Stadt rund 40.000 aktive Beamte und weitere 30.000 im Ruhestand. Nur ein geringer Teil der Beamten springt demnach auf das neue Modell an (der Versicherungsbote berichtete).

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Dass die Zustimmung der Beamten zur PKV ungebrochen ist, verdeutlicht auch eine Zahl, die Brahm im Interview für das Hamburger Geschäft nennt: Trotz neuem Lockangebot zur GKV hat die Debeka im Jahr 2018 rund 15 Prozent mehr Beamtenanwärter privat versichert als 2017, bekundet Brahm. Derzeit werden Beamtenanwärter durch den PKV-Verband anhand einer Kampagne besonders stark umworben (der Versicherungsbote berichtete). Beteiligt an dieser Kampagne ist auch die Debeka. Auffallend: Sogar auf dem Portal der Kampagne warnen die privaten Versicherer, nicht ohne Polemik, vor dem „Hamburger Sonderweg“.

Personalpolitik: Außendienst soll gestärkt werden

Zwei weitere „heiße“ Themen, die der Branche unter den Fingernägeln brennen, sind ebenfalls Bestandteil des Interviews: Personalpolitik und Digitalisierung. Anders als Allianz-Chef Oliver Bäte aber gibt sich der Debeka-Chef im Interview nahezu konservativ. Statt nämlich wie die Münchener Konkurrenz auf eine Digitaloffensive und vereinfachte Produkte zu setzen, verkündet der Debeka-Chef: Bei allen Produkten, die eine ausführliche Beratung erfordern, sehe der Versicherer keine Online-Abschlüsse vor.

Debeka habe "keinen Mitarbeiter zu viel"

Eine Position, die sich auch in der Personalpolitik widerspiegelt. Die Konkurrenz setzt auf verringerte Vertriebskosten und eine Reduzierung der Mitarbeiter – exemplarisch hierfür der Konzernumbau der Allianz (der Versicherungsbote berichtete). Brahm hingegen beteuert gegenüber der Süddeutschen: Man habe „keinen Mitarbeiter zu viel“.

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Zwar soll es tatsächlich eine Reduzierung von Personal geben, weil man weniger Leistungssachbearbeiter benötigen würde. Diese Mitarbeiter aber sollen umgeschult werden. Hingegen will der Versicherer die Zahl der Außendienstmitarbeiter und damit das Vertriebspersonal sogar ausbauen – ein Kontrast zur Konkurrenz, den auch die Süddeutsche in ihren einleitenden Worten würdigt.

Hintergrund: Das Interview der Süddeutschen mit Debeka-Chef Thomas Brahm wurde am 11. Februar 2019 veröffentlicht und ist online abrufbar. Thomas Brahm führt den Versicherungskonzern seit dem 01. Juli 2018. Die Konstanz in der Personalpolitik, die aus dem Interview durchscheint, spiegelt sich auch in seiner Person: Brahm selber absolvierte beim Versicherer seine Lehre zum Versicherungskaufmann, stieg vom Mitarbeiter zum Personal- und voriges Jahr zum Vorstandschef auf (der Versicherungsbote berichtete).

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