Die Hauptstadt Berlin will als zweites Bundesland seinen Beamtinnen und Beamten den Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ermöglichen und dafür eine Pauschale zur Krankenkasse zahlen. Aktuell bereite die Berliner Finanzverwaltung einen entsprechenden Gesetzentwurf vor, so berichtet die „Berliner Morgenpost“ am Sonntag. Die Pauschale soll dann die bisherige Beihilfe ersetzen.

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„Beamte sollen künftig eine echte Wahl zwischen einer Mitgliedschaft in der gesetzlichen oder der privaten Krankenversicherung erhalten“, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) dem Blatt zur Begründung des Vorstoßes. Die Änderung könne insbesondere den unteren Besoldungsgruppen und Familien zugutekommen, „da über die Gesetzliche Krankenversicherung Familienmitglieder mitversichert werden“, so Kollatz. Berlin rechne mit Kosten von 61 Millionen Euro im Jahr.

Hamburg als Vorreiter

Damit folgt Berlin dem Beispiel Hamburgs. Bereits seit dem 1. August 2018 können sich Beamte in der Hansestadt gesetzlich versichern und erhalten eine pauschale Beihilfe zur gesetzlichen Krankenversicherung. Stand Januar 2019 haben mehr als 1.000 Beamte von der Wechseloption Gebrauch gemacht: ein Bruchteil, wenn man bedenkt, dass die altehrwürdige Handelsstadt rund 40.000 aktive Beamte und weitere 30.000 im Ruhestand zählt (der Versicherungsbote berichtete).

Hintergrund ist, dass es sich für Beamte bisher kaum lohnt, einer Krankenkasse beizutreten. Hier müssen sie zusätzlich zum Arbeitnehmer- auch den Arbeitgeberanteil mittragen, bezahlen also schnell das Doppelte eines Beschäftigten, der nicht im öffentlichen Dienst ist. Hingegen beteiligt sich der Staat an Beihilfen, wenn sich ein Beamter privat krankenversichert: 50 bis 70 Prozent der Gesundheitskosten werden vom Dienstherren ersetzt.

Das lohnt sich für die Menschen im öffentlichen Dienst. Gerade im Alter, wenn die Kosten im statistischen Schnitt stark steigen, schießt der Staat aus dem Steuersäckel besonders viel zu. Von den Vorteilen der PKV, etwa schnellere Facharzt-Termine aufgrund höherer Arzthonorare, ganz zu schweigen.

So kommt es, dass sich fast alle Staatsdiener in der privaten Krankenversicherung tummeln. Mehr als 85 Prozent der Beamten sind privat vollversichert, so eine Studie der Bertelsmann Stiftung. Doch für Bund und Länder sind die Beihilfe-Kosten ein Risiko: seit Jahren wachsen die Ausgaben stark.

Bis zu ein Fünftel der Länderhaushalte für Beamtenversorgung

Allein der Bund gab im Jahr 2018 nach vorläufigen Zahlen 10,279 Milliarden Euro für Beihilfen und die Gesundheitsversorgung von Beamten und Pensionären aus, wie aus Zahlen des Bundesfinanzministeriums hervorgeht: 736 Millionen Euro bzw. 7,7 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Ausgaben der Länder sind hier noch nicht eingerechnet.

Die Beihilfe-Kosten werden weiter steigen, denn auch das Beamtentum altert. 1,5 Millionen Beschäftigte im öffentlichen Dienst werden bis 2030 in den Ruhestand gehen. Die Länder müssten schon jetzt ein Fünftel ihres Budgets für ihre Beamten ausgeben, warnt der Ökonom Bernd Raffelhüschen aus Freiburg: also für Beihilfen und Pensionen zusammengerechnet. Dieser Wert könne sich bis 2030 fast verdoppeln, schätzt der Volkswirtschaftler. Auch deshalb wollen die Länder mehr Beamte in die Krankenkassen locken: Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung könne man so sparen.

Attraktiv für Beamte in unterer Besoldungsgruppe

Ein Wechsel-Tsunami ist aktuell nicht zu fürchten, wie das Beispiel Hamburg zeigt: Viele Beamte bleiben der privaten Krankenversicherung treu. Und doch sind Krankenkassen speziell für Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes interessant, die kein so hohes Einkommen haben:

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In Hamburg stammen fast 50 Prozent der Wechslerinnen und Wechsler aus dem allgemeinen Verwaltungsdienst und dort speziell aus einer unteren Besoldungsgruppe, so geht aus Daten der Hamburger Gesundheitsbehörde hervor. Je nach Entgeltgruppe und Dienstjahren sind hier Bruttoeinkommen von deutlich unter 2.000 Euro möglich. Weitere 20 Prozent sind Lehrerinnen und Lehrer.

Wechseloption nicht für jeden

Allerdings soll in Berlin nicht jeder in die gesetzliche Krankenversicherung wechseln können. Von der Öffnung sollen nur neue Beamte Gebrauch machen dürfen sowie jene, die bereits zu einem höheren Beitrag freiwillig abgesichert sind, berichtet die „Morgenpost“ – für alle anderen sei der Weg versperrt. Eine Zahl lässt hier aufhorchen: In Berlin betrifft das nach Angaben der Finanzverwaltung neben allen neu Eingestellten bereits 26.500 Beamte, also knapp die Hälfte der 60.000 öffentlich Beschäftigten mit Beamtenstatus.

Der Beamtenbund hat sich bisher ablehnend zu dem Angebot geäußert und rät auch jetzt zur Vorsicht. Der Grund: Wer einmal in der Krankenkasse ist, soll nicht mehr ins Beihilfesystem zurückkehren können. So wollen die Länder verhindern, dass Beamte hin- und herwechseln und das System auch „missbrauchen“: Sie sich immer da versichern, wo es günstiger für sie ist.

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Krankenkassen-Pauschale verfassungswidrig?

Dieses verweigerte Rückkehrrecht ist ein Grund, weshalb sich das Bundesland Bayern strikt gegen den Krankenkassen-Zuschuss für Beamte stellt: es sei schlicht verfassungswidrig. In einer Stellungnahme des bayrischen Finanzministeriums heißt es: „Der Ausschluss einer Rückkehr in die Beihilfe widerspricht dem in Artikel 33 Grundgesetz verankerten Fürsorgeprinzip und kann sich als Falle für die Betroffenen erweisen, weil es keine Reaktionen des Einzelnen auf familiäre und berufliche Veränderungen zulässt“ (der Versicherungsbote berichtete).

Grundsätzlich zeigt sich ein Riss durch die Bundesländer. Während Länder mit SPD-Beteiligung in der Regierung (Thüringen, Brandenburg, Bremen und Berlin) eine Krankenkassen-Pauschale begrüßen und gar planen, haben sich bisher vor allem unionsgeführte Bundesländer dagegen ausgesprochen. Sie befürchten auch, Beamte sollen sich langfristig gänzlich gesetzlich versichern müssen: und damit viele Privilegien einbüßen. So hat Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) gegenüber der "Augsburger Allgemeinen" die Pauschale als "ersten Schritt zu einer Einheitsversicherung" bezeichnet.

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