Ein Jahr ist das sogenannte Hamburger Modell alt. Das Bundesland zahlt als erstes seit August 2018 eine Pauschale für seine Beamtinnen und Beamten aus, wenn sie sich gesetzlich versichern und gegen die private Krankenversicherung entscheiden. Das Jubiläum nimmt nun der Hamburger Senat zum Anlass, ein erstes Fazit zu ziehen. Und dieses fällt positiv aus.

Anzeige

Es profitieren einkommensschwache Beamte

“Ein Jahr nach deren Einführung in Hamburg nehmen bereits 1.365 Beamtinnen und Beamten bzw. Versorgungsempfängerinnen und -empfänger den Zuschuss zur gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch“, berichtet die Hamburger Gesundheitsbehörde auf ihrer Webseite. Die Kosten hierfür fallen zudem deutlich geringer aus als ursprünglich veranschlagt. Habe man ursprünglich mit 5,8 Millionen Euro Euro pro Jahr gerechnet, müssten bisher nur 3,7 Millionen Euro erstattet werden.

Hamburgs Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD) kommentiert: “Von der Einführung der Pauschalen Beihilfe profitieren vor allem diejenigen, die sich die Beiträge zur Privaten Krankenversicherung nicht leisten können: Beamtinnen und Beamten mit vielen Kindern, einem geringen Verdienst oder Vorerkrankungen. Diese Menschen haben wir finanziell spürbar entlastet.“

Eine Auswertung des Hamburger Senats ergab demnach, dass tatsächlich eher einkommensschwache Behörden-Angestellte vom Wechselrecht Gebrauch machen. Fast 50 Prozent der Wechsler stammen aus dem allgemeinen Verwaltungsdienst und dort speziell aus einer unteren Besoldungsgruppe.

Bisher mussten Beamte Arbeitgeberanteil in GKV selbst stemmen

Vor Einführung des Hamburger Modells lohnte es sich für Beamte kaum, einer gesetzlichen Krankenkasse beizutreten. Hier mussten sie den Arbeitgeberanteil selbst stemmen, entsprechend hoch fielen die Beiträge aus. Ganz anders, wenn sie sich privat versicherten: Dann greifen ihnen Bund und Länder mit Beihilfen unter die Arme. Der Dienstherr übernimmt im PKV-System 50 bis 70 Prozent der Gesundheitskosten, abhängig von Dienstjahr und Status des Beamten. Folglich ist die überwiegende Mehrheit der Beamten privat vollversichert: Beihilfeberechtigte stellen mit 4,83 Millionen fast die Hälfte aller Privatversicherten.

Der Erfolg des Hamburger Modells muss folglich in Relation gesetzt werden zur Gesamtzahl der Beamtinnen und Beamten in Hamburg. Die Stadt ist Dienstherr für rund 40.000 aktive und 30.000 pensionierte Beihilfe-Berechtigte: Nur 1,95 Prozent machten von der Wechseloption bisher Gebrauch. Auch die Kostenersparnis ist darin begründet, dass der Zulauf nicht so hoch ausfiel wie erwartet. Ursprünglich rechnete der Senat mit 2.400 Wechselwilligen.

Anzeige

Dennoch: Das Hamburger Modell hat Strahlkraft auch über die Elbestadt hinaus. In den Bundesländern Berlin, Brandenburg und Thüringen haben sich die Landesregierungen bereits dafür ausgesprochen, es ebenfalls einzuführen. In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Bremen ist das Hamburger Modell Gegenstand der parlamentarischen Diskussion.

Widerstand durch Unionsgeführte Länder

Doch nicht überall wird das Hamburger Modell mit Wohlwollen begrüßt: es gibt massiven Widerstand dagegen. Der Deutsche Beamtenbund (dbb) lehnt es strikt ab und hat das wiederholt zum Ausdruck gebracht. Dabei geht es durchaus auch um die Verteidigung eigener Privilegien. Das Beihilfesystem müsse schon deshalb erhalten werden, damit eine Beamten-Karriere attraktiv für Nachwuchskräfte bleibe, sagte dbb-Vize Friedhelm Schäfer bei einer Veranstaltung im Mai. Privatversichert sein und große Teile der Gesundheitskosten ersetzt bekommen: ein Lockmittel für potentielle Staatsdienerinnen und -diener.

Schäfter macht auch auf drohende Nachteile für Beamtinnen und Beamte aufmerksam. Das Hamburger Modell hat nämlich einen Haken: Die Rückkehr ins Beihilfe-System ist verwehrt, hat man sich einmal für die Pauschale und die gesetzliche Krankenkasse entschieden. So soll verhindert werden, dass die Beamten wild zwischen den Systemen hin- und herwechseln, je nachdem, was besser für sie ist. Wer vom Hamburger Modell Gebrauch macht, müsste den Arbeitgeberanteil zur Krankenkasse folglich wieder selbst zahlen, wenn er in ein Bundesland ohne Kassenpauschale wechselt.

Anzeige

Das Problem wäre leicht zu lösen, wenn alle Bundesländer mitziehen und das Hamburger Modell selbst anbieten. Aber damit ist nicht zu rechnen. Die Unionsgeführten Bundesländer haben sich ebenfalls teils aggressiv von der Kassenpauschale distanziert. Eine Wahlfreiheit zwischen PKV und GKV „würde den ersten Schritt zu einer Einheitsversicherung bedeuten und einen ideologisch motivierten Angriff auf das duale Gesundheitssystem sowie das Berufsbeamtentum in Deutschland darstellen“, sagte etwa Bayerns Finanzminister Albert Füracker (CSU) der „Augsburger Allgemeinen“ (der Versicherungsbote berichtete).

Verstößt Hamburger Modell gegen Grundgesetz?

Ein weiteres Argument Fürackers: Es könnte schlicht gegen das Fürsorgeprinzip nach § 33 Grundgesetz verstoßen, wenn man Beamtinnen und Beamten die Rückkehr ins Beihilfesystem verweigere, um Vorteilshopping zwischen den Systemen zu verhindern. Dass er in dem Modell auch ein "unkalkulierbares Kostenrisiko" sieht, verwundert hingegen: erzeugen doch gerade die Beihilfen hohe Kosten für Bund und Länder.

Die Bundesländer müssten schon jetzt ein Fünftel ihres Budgets für ihre Beamten ausgeben, warnt der Ökonom Bernd Raffelhüschen aus Freiburg gegenüber "Focus Online", wobei hier Pensionen und Beihilfen eingerechnet sind. Und auch der Bund musste seine Rückstellungen für Beihilfen 2018 erneut erhöhen: um 2,3 Prozent auf mittlerweile 191 Milliarden Euro. Zum Vergleich: Das entspricht mehr als der Hälfte des jährlichen deutschen Staatshaushalts (der Versicherungsbote berichtete). Ein Grund für die hohen Kosten ist, dass der Beihilfe-Anspruch im Alter höher ist als in jungen Jahren: genau dann, wenn die Staatsdiener statistisch höhere Gesundheitskosten haben.

Anzeige

Allerdings fallen Beihilfen auch nur dann an, wenn die Beamtin oder der Beamte tatsächlich krank werden oder Hilfsmittel benötigen. Die Pauschale hingegen muss monatlich gezahlt werden. Hamburg erstattet seinen Behörden-Angestellten maximal die Hälfte für den Höchstbetrag der gesetzlichen Krankenkassen: Dieser liegt derzeit bei 703,32 Euro im Monat. Der Kassenzuschuss des Bundeslandes kann also höchstens 351,66 Euro im Monat betragen.

Seite 1/2/

Anzeige