Bätes Reformkurs: Zustimmung beim Vorstand, Kritik bei Mitarbeitern

Allianz-Vorstandschef Oliver Bäte hat guten Grund, zufrieden zu sein. Wurde doch sein Vertrag im September des letzten Jahres durch den Aufsichtsrat der Allianz vorzeitig bis zum September 2024 verlängert (der Versicherungsbote berichtete). Ein Vertrauensbeweis des Vorstands, dass Bäte den Konzern auf den richtigen Weg brachte.

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Denn neue Wettbewerber wie Amazon und Google könnten in Zukunft den Traditionsversicherern wie der Allianz das Geschäft streitig zu machen. Zudem setzen Start-ups auf Software und künstliche Intelligenz statt auf menschliche Beratung – schon jetzt prüfen Dienste wie „helpcheck“ oder „Claimright“ zum Beispiel alte Lebensversicherungsverträge auf Ansprüche der Kunden. Sie treten damit in direkte Konkurrenz zu Versicherungs­beratern und Anwälten (der Versicherungsbote berichtete). Was momentan als Nischen-Angebot wirkt, zeigt Möglichkeiten sowie Gefahren der Zukunft: Der Algorithmus ersetzt die Beratung, statt der Agentur vertreibt Amazons Alexa die Policen. In Zeiten drohender Konkurrenz aus dem Internet, in denen die Versicherer außerdem unter dem Niedrigzins ächzen, braucht es Lösungen. Und mit Bäte, der seit 2015 den Konzern führt, sieht sich der Vorstand auf dem richtigen Kurs.

Dass Bäte mit seiner Digitalisierung des Konzerns, dem Aufbau eines paneuropäischen Direktversicherers sowie mit der Forcierung auf einfachere und standardisierte Produkte jedoch nicht nur Zustimmung findet, zeigte zuletzt eine Mitarbeiter-Umfrage des Konzerns. Grund der Unzufriedenheit ist ein harter Sparkurs, den Bäte insbesondere Mitarbeitern des Heimatmarktes verordnete – so wurde eigenen Vertretern die Erfolgszulage für 2017 gestrichen. Zudem baut der Konzern schrittweise die sogenannte Bestandssicherungsprovision (BSP) ab, die bisher eine enge und langfristige Kundenbindung mit barem Geld honorierte.

Mitarbeiter hegen auf Grund dieser Einschnitte eine Befürchtung: Das Beschwören einfacher Produkte (Vorbild ist die Auslandstochter in Spanien, die Autofahrern maximal zwei Kfz-Tarife anbietet) sowie der Aufbau eines Direktversicherers wird als Versuch gewertet, die Vermittler des Konzerns loszuwerden und dafür Alexa und Co. an Bord des Flaggschiffs deutscher Versicherer zu holen (der Versicherungsbote berichtete).

"Mitarbeiter im Callcenter" sollen es richten

Die Süddeutsche Zeitung hat am Mittwoch Allianz-Chef Bäte zur zukünftigen Strategie des Konzerns befragt. Grund für kritische Nachfragen zur Zukunft der Mitarbeiter sah man auch bei dem Münchener Blatt. Machte doch Bäte mehrfach während des Interviews deutlich: Vertriebskosten müssten noch weiter runter.

Deswegen wurde im Interview direkt ein Gerücht aufgegriffen, dass 7.000 von 27.000 Stellen bei den Angestellten der Allianz wegfallen sollen. Bäte wies dieses Gerücht als „kompletter Unsinn“ zurück … und führte dann trotzdem aus, wie eine Reduzierung der Mitarbeiterzahl Kosten sparen soll. Ziel des Konzernchefs: Vertriebs- und Bearbeitungsprozesse im Schadenmanagement sollen derart vereinfacht werden, dass vieles über „Mitarbeiter im Callcenter“ abgewickelt werden kann. Durch eine geringere Komplexität der Produkte und durch flachere Hierarchien möchte der Allianz-Chef erreichen, dass Callcenter- Mitarbeiter „beim ersten Kontakt zu 80 Prozent" einen Versicherungsfall "abschließen können“, sobald ein Kunde anruft.

Bäte bestritt gegenüber den Interviewpartnern auch gar nicht, dass es für seine Pläne „weniger Leute“ braucht, wie ihm durch eine Frage der Süddeutschen provozierend in den Mund gelegt wurde. Bei der Reduzierung der Mitarbeiter aber setzt der Allianz-Chef auf das Wirken der Zeit. Gebe es doch „eine natürliche Fluktuation und eine vergleichsweise alte Belegschaft“. Der Abbau der Stellen soll so organisiert werden, dass auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden kann.

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Auch möchte der Konzernchef mehr für die Aus- und Weiterbildung der Belegschaft tun. Eine Formulierung freilich macht dabei hellhörig. Denn zu den angestrebten Verbesserungen gehöre nach Bäte auch, „Mitarbeitern, die uns verlassen müssen, bei der Fortbildung zu helfen.“ Indirekt könnte eine solche Formulierung ("müssen") darauf hindeuten: Kündingungen sind dann dennoch nicht vermeidbar.

Bäte: Amazon "ist viel gefährlicher als Google"

Auch zu den mächtigen Wettbewerbern, die das Kerngeschäft des Konzerns in Zukunft bedrohen könnten, äußerte sich Bäte. Verkaufe die Allianz ja auch "über Google", wie Bätes Interviewpartner meinten – auch die Allianz schaltet Anzeigen und bezahlt Werbemaßnahmen, um beim Such-Giganten Kunden zu gewinnen. Bäte begründete dies mit dem "Quasi-Monopol", das Google beim Zugang zu Kundendaten hat. Für die Vermittlung über solche Wege müsse man allerdings in vielen Ländern heute "mehr als 50 Euro zahlen", um einen einzigen Kunden zu gewinnen – nach Aussage des Allianz- Chefs kein günstigerer Weg als durch Vertreter. Amazon ist aus seiner Sicht jedoch "viel gefährlicher" als Google. Könne man doch dort "nach Windeln suchen oder nach einer Autoversicherung", Amazon stünde drauf, aber "kein Mensch weiß, was dahinter steht".

Datenmonopole bedrohen den Wettbewerb

Bäte spricht auch ein Missverhältnis an in möglicher Konkurrenz mit Unternehmen wie Google oder Amazon: Versicherern würde sehr genau vorgeschrieben, was sie mit welchen Daten machen dürfen und was nicht. Soziale Netzwerke und Unternehmen wie Google hingegen sind weit weniger reguliert. Die fehlende Regulierung der "Big Techs" führt demnach nicht nur zu einem unzureichenden Datenschutz, sondern auch zu einem möglicherweise verzerrten Wettbewerb, sobald Technologie-Riesen ins Geschäftsfeld von Versicherern und Banken vordringen.

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Dieses Problem "treibt" mittlerweile auch die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) "besonders um", wie erst diese Woche BaFin-Präsident Felix Hufeld laut einer Meldung der Börsen-Zeitung auf dem Neujahrsempfang der Behörde äußerte. Dessen ungeachtet aber ist Bäte skeptisch, ob es Unternehmen wie Amazon auch möglich wäre, einen Schaden zu regulieren. Das nämlich wäre "nicht so leicht, wie viele denken".

Beim digitalen Umbau „zu langsam“

Unerbittlich, aber auch selbstkritisch gab sich der Allianz- Chef bei weiteren Themen des Interviews. Hätte er doch zum Beispiel unterschätzt, wie schwierig es ist, die Sachversicherung in Deutschland zu modernisieren. Auch würde der digitale Umbau „zu langsam“ gehen, es „rumpelt“ aus Sicht Bätes demzufolge ordentlich. Dass es „konsequent in die richtige Richtung geht“, daran aber lässt der Allianz-Chef keinen Zweifel.

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Besonders deutlich wird dieser Umstand an einer Aussage, die sich auf eine „interne Opposition“ und speziell auf das Management bezieht: Man könne nicht alle für den neuen Kurs gewinnen, aber 80 Prozent derer, die wichtig sind. Die aber, die nicht mitmachen wollen, die „muss man nach Hause schicken“.

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