In einem Interview mit der „Frankfurter Allgemeinen“ hat sich Oliver Bäte, Chef der Allianz, zu möglichen Zukäufen positioniert. Deals in der Finanzbranche seien unglaublich teuer geworden und man werde nichts allein wegen der schieren Größe unternehmen, so der 54jährige. „Aber wir werden uns bestimmt alles anschauen.“ Aufhorchen lässt, dass er dabei auch in einen großen Lebensversicherer investieren würde - trotz des schwierigen Marktumfeldes.

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“Kann für Allianz große Chance sein!“

Bisher hätten hohe Risiken in den Leben-Bilanzen vom Kauf eines solchen Versicherers abgehalten, erklärt der Manager. „In den nächsten drei bis vier Jahren wird es den einen oder anderen Lebensversicherer geben, dem Eigenkapital fehlt und der dann einen neuen Partner braucht, um nicht abgewickelt zu werden“. Das könne für die Allianz eine große Chance sein.

Verwunderlich ist der Ehrgeiz der Münchener nicht. Entgegen dem Branchentrend feiert die Allianz in der Lebensversicherung Erfolge. Allein im ersten Halbjahr 2019 stieg nach Konzernangaben der Umsatz in Leben um 25 Prozent auf knapp 13,7 Milliarden Euro.

Google und Amazon - erfolgreich auch ohne eigene Versicherer

Mit Blick auf mögliche Wettbewerber rechnet Oliver Bäte nicht damit, dass Daten-Giganten wie Google oder Amazon selbst als Versicherer tätig werden, wie er in dem FAZ-Gespräch erläutert. Aus einfachem Grund: Sie müssten nicht selbst Policen entwickeln, um vom Versicherungsgeschäft zu profitieren. Es reiche schon aus, den Kundenzugang zu kontrollieren.

Um beispielsweise einen neuen Kunden für die Autoversicherung zu gewinnen, müsse man bei Google 100 Euro und mehr zahlen, rechnet der Vorstandschef vor — ein guter Vertreter koste die Allianz im Schnitt nur 70 bis 80 Euro. Langfristig müsse es Ziel der firmeneigenen Strategie werden, nicht mehr von Konzernen wie Google oder Amazon abhängig zu sein.

Klimaschutz? Vermeintlich mit Hindernissen

Auch das Thema Klimaschutz spricht der Manager in dem Interview an. Bäte berichtet von zwei Besuchen bei den Vereinten Nationen — unter anderem hatte er Ende September bei der Klimakonferenz einen „Big Bang“ von Versicherern und Pensionsfonds beschworen. UN-Generalsekretär Antonio Guterres habe dabei einräumen müssen, dass ohne den privaten Sektor die Klimawende nicht zu erreichen sei. „Ohne die Zivilgesellschaft, ohne die jungen Menschen wie Greta Thunberg und ohne die privaten Wirtschaftsunternehmen geht es nicht“, so Bätes Fazit.

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Die Allianz selbst hat sich in Sachen Umweltschutz mit zwölf Großinvestoren zusammengeschlossen, in Summe verwalten sie ein Anlageportfolio von 2,4 Billionen Dollar. Diese „Net-Zero Asset Owner Alliance“ will bis 2050 klimaneutral investieren. Dauert das nicht zu lange? Bäte widerspricht — und verweist darauf, dass große Investoren überhaupt erst einmal versuchen, Rendite und Verantwortung zu kombinieren. Unter den Beteiligten seien große Player wie die kanadische Rentenkasse CDPQ, zweitgrößter Rentenversicherer des Landes, die französische Caisse des Dépôts (CDC) mit einer Bilanzsumme von 150 Milliarden Dollar oder der kalifornische Pensionsfonds Calpers. Es gehe nun darum, weitere Großanleger für die gemeinsamen Ziele einzusammeln.

Haftungsrisiken beim Kohleausstieg

Komplett raus aus der Kohle will die Allianz bis zum Jahr 2040, wie Oliver Bäte bestätigt: auch das eine lange Zeit. Gelten soll die Regel zudem nur für Eigenanlagen. Der Manager begründet die lange Frist und den letztendlich inkonsequenten Ausstieg auch mit Haftungsrisiken: Fondsmanager seien nach amerikanischem Recht haftbar, wenn sie nach den Pensionsplänen nicht renditemaximierend anlegen würden. Das betreffe Vermögensverwalter für Dritte wie Pimco oder Allianz Global Investors.

Bäte hebt zudem hervor, dass er sich auch mit Nichtregierungsorganisationen treffe. So habe sich die Allianz zum Beispiel beim brasilianischen Bergbaukonzern Vale nicht mit Ruhm bekleckert: am 25. Januar brach der Damm eines Absetzbeckens, große Teile der Kleinstadt Brumadinho wurden von giftigem Schlamm überschwemmt. 110 Menschen starben nach offiziellen Angaben, weitere 238 werden vermisst. Auch zuvor schon machte Vale mit schweren Unfällen und Menschenrechtsverletzungen von sich Reden: bei der Allianz hat der Konzern seine allgemeine Betriebshaftpflicht.

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Allianz in China

Bereits am Donnerstag letzter Woche meldete die Deutsche Presse-Agentur, dass die Allianz nun die Lizenz für ihre 100prozentige China-Tochter im Reich der Mitte erhalten habe. Die Zulassung durch die Behörden schob sich mehrere Monate hin: Bäte sei hierfür extra mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nach China gereist. Die neue Konzerntochter soll den Namen Anlian tragen, was in etwa „Sicheres Bündnis“ bedeutet. Es war das erste Mal, dass die chinesische Regierung einem Versicherer gestattete, ohne Beteiligung heimischer Firmen auf dem gut geschützten Markt zu agieren.

Im Interview mit der „FAZ“ lässt Bäte erkennen, dass er durchaus mit Respekt auf den chinesischen Markt und die dortigen Wettbewerber blickt. So kenne er etwa noch Ping An aus seiner Zeit bei McKinsey: zeitig schon hätten die Chinesen die Geschäftsmodelle auf der Basis von Daten für sich entdeckt. Die Allianz schaue sich viele Technologielösungen der Chinesen an, unter anderem wie man Autoschäden mit Hilfe von Fotoaufnahmen beurteilt. Obwohl „exportfähig“, rechnet er nicht mit einem zeitnahen Markteintritt auf dem deutschen Markt: Ping An agiere schließlich auf einem Heimatmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen.

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Die Allianz selbst habe zwei strategische Schwerpunkte in China, erklärt der Vorstandschef: man wolle das Lebensversicherungs-Modell dort verändern, wobei aus dem Interview nicht genau hervorgeht, ob das auch mit Blick auf den einheimischen Markt geschieht, also China quasi als Testlabor für neue Policen dient. Zum anderen arbeite die Allianz an einem Joint Venture mit dem Netzkonzern JD.com, um neue Versicherungslösungen in der Sach-Sparte zu entwickeln.

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