Sind die Abschlussvergütungen in der Lebensversicherung zu hoch? Dieser Auffassung sind die Bundesregierung und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Beide haben ihren Willen erklärt, die Provisionen in der Leben-Sparte künftig zu deckeln.

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Neue Nahrung erhielt die These von den immens hohen Provisionen vor wenigen Tagen durch einen Beitrag des BdV-Vorstandssprechers Axel Kleinlein. Nie zuvor seien die Provisionen so hoch gewesen, seit 1998 hätten sie sich gar vervierfacht, so argumentierte Kleinlein in einem Video des Verbrauchervereins (der Versicherungsbote berichtete). Dabei setzte er bei seiner Berechnung die Höhe der Provision ins Verhältnis zur Höhe der garantierten Altersvorsorge: ein umstrittenes Vorgehen. Bekanntlich geben die Versicherer im Niedrigzins ihren Kunden immer weniger Garantien, während die Versicherer damit werben, dass sie mehr Geld aus den Beiträgen am Kapitalmarkt anlegen können. Das verspricht höhere Erträge - allerdings trägt der Kunde auch das Kapitalmarktrisiko.

Grundlage der Debatte ist das erklärte Ziel des 2014 erlassenen Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG), die Provisionen im Sinne der KundInnen zu senken. Darin habe das Gesetz völlig versagt, so ließ BdV-Chef Kleinlein jüngst die Presse wissen. Er fordert einen „harten Provisionsdeckel“ von maximal 1,5 Prozent der Beitragssumme.

Im Schnitt sank die Abschlusskostenquote der Versicherer

Diese Debatte nahm das Branchenmagazin procontra Online nun zum Anlass, einmal zu schauen, wie sich die Abschlusskostenquote der Versicherer seit Inkrafttreten des LVRG entwickelt hat. Grundlage war eine eigene Auswertung von 68 Anbietern, die fast für den kompletten Markt stehen. Seit Inkrafttreten der Reform hätten demnach 40 Anbieter ihre Quote senken können - allein 25 im abgelaufenen Geschäftsjahr 2017.

Die Abschlusskostenquote gibt an, wie hoch die Aufwendungen eines Versicherers für den Vertragsabschluss im Verhältnis zur Beitragssumme des Neugeschäfts sind. Hierbei gilt es zu bedenken, dass nicht nur Vermittlerkosten eingerechnet werden. Auch Ausgaben für die Werbung der Produkte, Verwaltungskosten, die bei Neuverträgen entstehen bzw. Aufwendungen für die Risiko- und Antragsprüfung werden hier eingerechnet.

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Das Ergebnis: Im ersten Bilanzjahr nach Inkrafttreten des LVRG sei die Abschlusskostenquote im Marktschnitt von 4,95 Prozent auf 4,84 Prozent gesunken, berichtet procontra Online. In 2017 habe die Quote dann sogar auf 4,67 Prozent gedrückt werden können. Hier bliebe aber zu fragen, inwieweit dies auf Einsparungen bei der Vermittlervergütung zurückzuführen ist. Werden Anträge etwa digital per Dunkelverarbeitung bearbeitet und können Mitarbeiter dadurch eingespart werden, sinkt ebenfalls die Abschlusskostenquote. Es müssen also weitere Daten herangezogen werden, um zu schauen, wie sich die Abschlussvergütung entwickelt hat.

LVRG-Evaluierungsbericht: Versicherungsmakler büßten am meisten ein

Auf das Video von Axel Kleinlein hat mittlerweile auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) reagiert - und der These, noch nie seien so hohe Provisionen für Leben-Tarife gezahlt worden, vehement widersprochen. „Die Aussagen des BdV sind irreführend und halten einer sachlichen Überprüfung nicht stand“, kommentiert GDV-Sprecher Christian Ponzel gegenüber dem Versicherungsboten. „Nachweislich sind die vom Kunden zu tragenden Abschlusskosten seit Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes deutlich gesunken und nicht etwa gestiegen. Wer heute eine Lebensversicherung abschließt, zahlt nach aktuellen Berechnungen des Bundesfinanzministeriums 22 Prozent weniger für den Abschluss als noch vor vier Jahren“.

Es fehlen Statistiken für die genaue Vergütung des Neugeschäfts

Auch die an Vermittler gezahlten Abschlussprovisionen seien um fast 13 Prozent gesunken, berichtet Ponzel mit Bezug auf den LVRG-Evaluierungsbericht des Bundesfinanzausschusses (hier veröffentlicht). Der Bericht soll nach vier Jahren nun Auskunft geben, ob und wie das LVRG wirkt: also auch, ob die Abschlusskosten sinken. Allerdings musste die Bundesregierung bereits eingestehen, dass sie keine konkreten Zahlen hat, wie sich die Abschlussvergütung konkret für das Neugeschäft entwickelt. Sie kann nur den gesamten Vertragsbestand abbilden:

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Zwar sanken die gezahlten Vergütungen (einschließlich anderer Bezüge) von rund 5,4 Milliarden Euro im Jahr 2013 auf rund 4,7 Milliarden in 2017. Hierbei gilt es aber zu bedenken, dass auch deutlich weniger Policen abgeschlossen werden.

Um dennoch einen Eindruck zu bekommen, wie sich die Vergütungen seit dem LVRG entwickelt haben, wurden im Bericht des Bundesfinanzministeriums die maßgeblichen Vergütungsvereinbarungen der Versicherer aus dem Jahr 2013 und 2017 verglichen. Bezugsgröße war also das Jahr, bevor das Reformgesetz in Kraft trat. Im Jahr 2017 lagen die Vergütungen demnach gut 5 Prozent unter dem Niveau aus der Zeit vor dem LVRG, heißt es im Bericht. Normiert man die früheren Vergütungen über die Laufzeit des Versicherungsvertrags auf 100 Kosteneinheiten (KE), werden jetzt nur noch 94,86 KE gezahlt. Das bedeutet in Summe eine Kostenentlastung von 200 Millionen Euro für das Neugeschäft.

Grafik: Die Vermittlervergütung sank von 2013 bis 2017. Abgebildet wird dies hier mittels sogenannter Kosteneinheiten (KE). Vor dem LVRG wurde ein Ausgangswert von 100 Kosteneinheiten angesetzt, nach dem LVRG (2017) waren es nur noch 94,86 KE. Quelle: LVRG-Evaluierungsbericht / Bundesfinanzministerium

Die sofort gewährten Vergütungen für den Vermittlungserfolg (Provisionen) sind dabei ebenfalls gesunken, von 74,91 Kosteneinheiten auf 65,25 KE. Dies bedeutet ein Minus von knapp 13 Prozent - jene Zahl, mit der nun auch GDV-Sprecher Ponzel argumentiert. Zugleich legten aber auch die aufgeschobenen Bestandsvergütungen zu - also jene laufenden Provisionen, mit denen Vermittler für niedrige Stornoquoten und hohe Bestandstreue ihrer Kunden belohnt werden. Sie erhöhten sich um 4,29 Bestandseinheiten. Die anderen Vergütungsbestandteile sind nahezu unverändert geblieben (siehe Grafik).

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Dabei sanken die Abschlusskosten bei den Vertriebswegen unterschiedlich. Die Zahlungen an Ausschließlichkeitsvermittler seien um 2,89 Prozent gesunken, jene an Makler und Mehrfachvermittler hingegen um 7,21 Prozent. Auch bei diesen Zahlen gilt: Sie beziehen sich auf die Vermittlervergütung insgesamt. Eingerechnet sind etwa auch interne Kosten der Lebensversicherer, die für die Provisionen entstehen, z.B. Verwaltungskosten für die Bearbeitung der Vergütungen. Auch werde nicht eingerechnet, wenn der Versicherer plane, Kosten künftig zu reduzieren. "Insoweit ist ein Vergleich mit den Kosten, die in den aktuell angebotenen Tarifen einkalkuliert sind, nicht möglich", schreiben die Studienmacher. Mit anderen Worten: es gibt keine Zahlen, wie sich die Vermittlervergütung im Neugeschäft entwickelt.

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