Michał Trochimczuk, Managing Partner bei Sollers Consulting. Copyright: Pressefoto Sollers In der Insurtech-Szene der USA finden Krankenversicherungs-Startups enorme Beachtung. Mit Clover Health und Oscar werden zwei von ihnen mit mehr als einer Milliarde US-Dollar bewertet. In Großbritannien dominieren Insurtechs mit B2B-Modell. Dem Lebensversicherer Gryphon ist im Frühjahr eine rekordhohe Finanzierung gelungen. Ein Gastbeitrag von Michał Trochimczuk, Managing Partner bei Sollers Consulting und Christoph Baltzer, PR Manager bei Sollers Consulting.

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Weltweit sind 1,2 Milliarden US-Dollar im ersten Halbjahr in Insurtechs investiert worden. Die größte Transaktion war die Finanzierung der Gryphon Insurance in London (230 Millionen US-Dollar), gefolgt von Bright Health in den USA, die eine Anschlussfinanzierung über 160 Millionen US-Dollar gestemmt hat und Clover Health auf Rang drei mit 130 Millionen US-Dollar Anschlussfinanzierung. Der Insurtech-Markt findet vor allem in den USA statt. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie von Willis Towers Watson erfolgten 45 Prozent aller Transaktionen in den USA, neun Prozent in Großbritannien und sechs Prozent in Deutschland.

Auch die Summen der Transaktionen in den USA sind viel größer als in Deutschland. Bei der jüngsten Finanzierungsrunde wurde das 2014 in San Francisco gegründete Clover Health mit 1,2 Milliarden US-Dollar bewertet. Damit ist das auf Krankenversicherung ausgerichtete Startup das vierte Einhorn unter den Insurtechs. Der digitale Krankenversicherer Oscar wurde bei seiner Finanzierungsrunde im letzten Jahr sogar mit 2,7 Milliarden US-Dollar bewertet. Neben dem chinesischen Digitalversicherer Zhong An gehört auch das auf die Digitalisierung der Personalverwaltung spezialisierte Zenefits zu dem Klub der Unicorns. Als „Unicorns“ – Einhörner – bezeichnet die Finanzwelt Start-ups, die mindestens eine Milliarde Dollar wert sind.

Christoph Baltzer, PR Manager bei Sollers Consulting. Quelle: Pressefoto Sollers Zenefits bietet Kleinunternehmen in den USA eine vereinfachte Online-Verwaltung von Gehaltsabrechnungen an und automatisiert die Krankenversicherung. Die Erlöse des Unternehmens stammen aus den Provisionen. Auf dem gering regulierten Gesundheitsmarkt der USA gibt es ein enormes Potenzial für Effizienzsteigerungen. Auch der 2015 in Minneapolis gegründete Krankenversicherer Bright Health stößt in diese Richtung vor. Er bindet Netzwerke von Gesundheitsdienstleistern eng an den Versicherer.

Oscar geht gegen Ineffizienz im Gesundheitssystem vor

Der von dem deutschen Ingenieur Mario Schlosser gegründete Krankenversicherer Oscar geht mit einer besonders breiten Palette digitaler Services gegen Ineffizienzen im US-amerikanischen Gesundheitssystem an. Digitale Assistenten beraten in Gesundheitsfragen, helfen bei der Arztsuche, managen Arzttermine und die Einnahme von Medikamenten und Oscar verwaltet sogar die Patientenakte. Der 2012 in New York gegründete Krankenversicherer ist in vier Bundesstaaten der USA tätig. Er macht Verluste, denen man jetzt mit Sanierungsmaßnahmen begegnet, die bereits erste Erfolge zeigen.

Bei den Insurtechs in den USA scheint sich allmählich die Spreu vom Weizen zu trennen. Eine Anschlussfinanzierung zu bekommen, ist für die Newcomer nicht leicht. 2016 ist das Finanzierungsvolumen bereits zurückgegangen. Deshalb suchen viele Insurtechs die Nähe zu Versicherern. Der Peer-to-Peer-Versicherer Lemonade wird beispielsweise von der Allianz kofinanziert. Unter den US-Versicherern haben vor allem USAA und die American Family Insurance viel in Insurtechs investiert.

Viel Potenzial bei Schaden-Prozessen

B2B-Modelle sind In den USA viel häufiger anzutreffen als in Deutschland. Potenzial sieht man derzeit vor allem bei der Automatisierung von Schaden-Prozessen. Schaden-Management gehört beispielsweise zu den Services des digitalen Luftfahrtbrokers Visicover, der mit AIG und der AGCS zusammenarbeitet. Stark beachtet wird das in Chicago gegründete Startup Snapsheet, das Kfz-Schäden mit Hilfe von künstliche Intelligenz automatisch reguliert. Das Tool ist unter anderem bei dem Pay-as-you-drive-Anbieter Metromile im Einsatz.

Die gleiche Idee verfolgt das Londoner Insurtech Tractable, das neben dem digitalen Schaden-Management Tools zur AI-gesteuerten Maschinen-Instandhaltung entwickelt und die Analyse von medizinischen Röntgenbildern unterstützt. Ageas setzt das Tractable-Modul bereits zur Effizienzsteigerung in seinem britischen Kfz-Geschäft ein. Großbritannien gehört zu den am stärksten digitalisierten Ländern der Welt, neun Prozent aller Insurtech-Transaktionen in diesem Jahr fanden auf der Insel statt.

Die mit Abstand größte Start-up-Finanzierung ist Ex-Managern von Prudential, Zurich und Admin Re für den Lebensversicherer Gryphon gelungen. Die Summe von 230 Millionen US-Dollar übersteigt das Volumen aller anderen Finanzierungen um ein weites. Mit Gryphon entsteht ein neuer Lebensversicherer in Großbritannien, der Dread Disease und Berufsunfähigkeitsversicherungen über Financial Advisors vertreiben will. Munich Re und Aviva haben in das Startup Neos investiert, das mit digitalen Systemen den Ausbruch von Feuer oder Einbrecher in Häusern meldet. Eine kleinere Finanzierung stemmte das Startup By Miles, das kilometerabhängige Autoversicherungen für Wenig-Fahrer anbietet.

In Großbritannien dominiert das B2B Modell

Die in Deutschland so beliebten digitalen Versicherungs-Ordner sind in den USA und Großbritannien bislang eine Seltenheit. In die Lücke stößt jetzt das britische Startup Brolly vor. Marmalade vermittelt jungen Fahrern Pay-as-you-Drive-Tarife, Bought By Many bietet auf P2P-Basis Nischenprodukte an. Eine ganze Reihe von britischen Insurtechs ist im B2B-Bereich unterwegs. Ähnlich wie die US-Unternehmen Zenefits und Namely unterstützt Hibob mit einem Onlineservice Kleinunternehmen bei der Personaladministration und den betrieblichen Zusatzleistungen. Mit Digital Risks gibt es einen digitalen Spezialbroker für junge Technikunternehmen. Ser digitale Gewerbemakler Simply Business ist schon da angekommen, wo viele der jungen Startups noch hinwollen. Im Frühjahr ist das Unternehmen an die Travelers Group verkauft worden.

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Simply Business, das in der New-Economy-Welle vor siebzehn Jahren gegründet wurde, ist inzwischen ein etablierter Player in der Versicherungslandschaft Großbritanniens. Mit 420.000 Kunden macht das Unternehmen 40 Millionen Pfund Umsatz im Jahr. Travelers zahlt für Simply Business 490 Millionen US-Dollar. Das Interesse der Versicherer an digitalen Unternehmen ist beachtlich.

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