Michał Trochimczuk, Managing Partner von Sollers ConsultingDie Versicherungsbranche durchläuft eine grundlegende Modernisierung und die Zeit ist überfällig dafür. Ausgangspunkt dieser Umwälzung ist die Generation Y und die Welle hat längst deren Eltern mitgenommen. Digital-affine Kunden nehmen die Versicherungsbranche oftmals gar nicht mehr wahr. Und wenn sie sie wahrnehmen, fällt es ihnen schwer, sich für die Traditionsbranche zu begeistern. Die Erwartungen an den Service sind enorm gestiegen. Im Zeitalter von Same-Day-Delivery wird Geschwindigkeit zentral. Das gilt auch für die Produktentwicklung. Versicherer benötigen aber immer noch viel zu viel Zeit, um ihre Produkte an den Markt zu bringen.

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Insurtechs als Antwort auf das Nachwuchsproblem?

Das große Problem in Deutschland ist der Vertrieb. Vermittler sind nicht beliebt. Nur bei 11 Prozent der Deutschen sind Vertreter gern gesehen. Das ist ein Stereotyp, das in sehr vielen Ländern vorherrscht. Doch in Deutschland haben die Versicherer starke Probleme, ihre Agenten-Teams zu verjüngen. In den Außendiensten der Versicherer sieht die Lage dramatisch aus. Mehr als 50 Prozent der Vermittler sind über 50 Jahre alt. Es macht sich schleichend die Überzeugung breit, dass der Beruf des Vermittlers über kurz oder lang zum Auslaufmodell wird.

Die Produkte sind schwer verständlich und werden noch komplizierter. Ein Beispiel von vielen: Wer eine Kfz-Versicherung abschließt, muss bis zu 80 Fragen beantworten. Selbst die Vergleichsportale haben sichtliche Probleme, ihren Kunden zu erklären, warum man so viele Fragen beantworten muss. Agenten, Makler und ihre Kunden sind damit überfordert. Nutzerfreundliche Systeme sind gefragt. Auch der Service ist nicht gut genug. Die Versicherer unternehmen viel, um ihren Service zu verbessern. Doch es ist frappierend, dass die Kunden das kaum wahrnehmen. Nach Untersuchungen von MSR würden nur 33 Prozent der Kunden ihren Versicherer weiterempfehlen. Bei Apple liegt die Weiterempfehlungsbereitschaft bei 72 Prozent.

Die InsurTechs sehen in den Schwächen der Versicherer eine Chance. Weltweit sind seit 2012 umgerechnet 16 Milliarden Euro an Kapital in 1.300 Versicherungs-Startups geflossen. Die Dynamik hält an. Im zweiten Quartal 2017 wurden nach Untersuchungen von Willis Tower Watson weitere 985 Mio. Euro in InsurTechs investiert. Die Mehrzahl von ihnen konzentriert sich auf den Vertrieb. Aber eine wachsende Zahl von Startups unterstützt Versicherer in der Effizienz und Automatisierung. Das US-Unternehmen Praedicat beispielsweise automatisiert das Risikomanagement, indem es mit Hilfe von Advanced Analytics wissenschaftliche Literatur analysiert und nach unbekannten Risiken sucht. Das Berliner Startup Element bietet seine Lösungen sowohl Maklern als auch Versicherern an.

Insurtechs ersetzen die "traditionellen" Versicherer nicht

Die potenziellen Möglichkeiten durch das Internet of Things, Blockchain, Advanced Analytics und künstliche Intelligenz sind enorm. Aber führt das wirklich zur Disruption? Dass scheint man selbst bei den Herausforderern nicht mehr so zu sehen. Nicht einmal bei jedem zehnten InsurTech ist man davon überzeugt, dass die heutigen Versicherer ersetzt werden. Und so sehen sich mehr als die Hälfte von ihnen als Lieferanten der Versicherer und gehen Kooperationen mit ihnen ein. Versicherer werden Teil von Partnernetzwerken, die Zahl an Partnerschaften wächst und geht immer weiter über das Versicherungsgeschäft im engeren Sinne hinaus.

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Von den 25 größten Versicherern der Welt investieren 64 Prozent direkt oder indirekt in InsurTech-Startups und das wird eher mehr als weniger. Versicherer transformieren ihre IT, fast jeder zweite Versicherer hat Großprojekte gestartet oder zumindest in Planung. Durch die Bemühungen ist das Time-to-Market zurückgegangen. Doch die Versicherer sind in ihren Strukturen noch nicht in der Lage, sich schnell genug digital zu vernetzen. Ihre IT-Architekturen müssen viel flexibler werden.

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