Laschet: Aus meiner Sicht – und das ist durch obige Ausführungen gestützt – ist es im Wesentlichen kein rechtliches Risiko, mit dem sich Versicherte und Versicherer im KFZ-Bereich konfrontiert sehen. Vielmehr riskieren die Hersteller, zunehmend Verantwortung durch Automation zu übernehmen. Daneben bleibt aber die Frage offen, ob es dauerhaft angemessen ist, die Halter eines PKW's Versicherungsprämien leisten zu lassen, welche ursprünglich dazu gedacht waren, ein völlig anderes Risiko abzudecken. Das betrifft dann sehr wohl auch die versicherungsrechtliche Risikogemeinschaft in diesem Bereich. Technik aber hat sich stets gewandelt und das Recht als solches hat auch funktionierende Reaktionsmechanismen. Man kann schon manchmal verwundert sein, wie gut klassische und zum Teil sehr alte gesetzliche Regelungen den Gerichten die Möglichkeit geben, aktuelle Entwicklungen zu bescheiden. Und dann erst kommen die Versicherer maßgeblich ins Spiel. Insofern teile ich die Annahme der Statik nicht ganz.

Anzeige

Eigentlich sollte man Modelle wie Tesla doch befördern, stellen die Automobilhersteller solche Unfälle wie der des verunglückten Autofahrers doch dann als eine enorme Seltenheit dar, wenngleich mit weitreichenderen Folgen. Damit könnten auch die Prämieneinnahmen der Versicherungen im Bereich KFZ zurückgehen, oder?

Laschet: Im Hinblick auf den angesprochenen Tesla-Vorfall tritt ein Phänomen zutage, das uns bereits aus dem Flug- und Bahnverkehr bekannt ist. Technische Fehler werden in der Presse wesentlich höher „bestraft“ als menschliches Versagen. Dabei sprechen die absoluten Zahlen für die Technik. Das Problem ist nur, dass es dem Großteil der Menschen derzeit im Grundsatz widerstrebt, die Kontrolle abzugeben. Dieses Problem ist im Straßenverkehr noch weitaus größer als etwa im Flugverkehr, denn dort besteht als Passagier fast keine andere Wahl, als dem (Auto-) Piloten die Kontrolle zu übergeben. Im Straßenverkehr hingegen muss der Fahrer den Autopiloten zunächst selbst aktivieren und den Verkehr dann sehenden Auges passiv verfolgen. Vor diesem Hintergrund verlangt die neuste Tesla-Technik im Übrigen, dass der Fahrer selbst stets die Hände am Lenkrad behält, um notfalls eingreifen zu können.

Rechtsanwalt Carsten Laschet ist geschäftsführender Partner der Sozietät Friedrich Graf von Westphalen in Köln.Rechtsanwalt Carsten Laschet ist geschäftsführender Partner der Sozietät Friedrich Graf von Westphalen in Köln.Seine Schwerpunkte liegen u.a. im Versicherungs- und Produkthaftungsrecht. In Letzterem wird er seit Jahren als einer von wenigen „Best-Lawyers“ ausgezeichnet.Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB | Rechtsanwälte

Im Ergebnis aber stimme ich Ihnen zu, dass mit fortschreitender Automation das versicherungsrechtliche Risiko im KFZ-Bereich minimiert werden kann, was in der Folge zu reduzierten Versicherungsprämien führen kann. Ob die Automation aber tatsächlich - so wie erhofft - das Risiko von Unfällen ausschließt oder lediglich minimiert, wird sich noch zeigen. Denn die zunehmende Automation erfordert ein hohes Maß an Vernetzung und Digitalisierung, was letztlich auch das Risiko für Großschäden erhöht. Ein einziger Hacker-Angriff könnte eine Massenkarambolage und zu Schäden in Millionenhöhe führen. In welchen versicherungsrechtlichen Bereichen diese Risikoverlagerungen und –erhöhungen dann im finanziellen Ergebnis aufschlagen werden, ist heute noch nicht abzusehen.

Bisher gehen über 90 Prozent aller Autounfälle auf menschliches Versagen zurück. Wenn sich das ändert, was muss sich dann rechtlich ändern?

Anzeige

Laschet: Das Recht ist auf Innovationen gut vorbereitet. Es bleibt zu beobachten, ob tatsächlich Anpassungen erforderlich sind. Haftungsrechtlich ist es immer eine Gefahr, zu kleinteilig alles regeln zu wollen, weil dann kleinteilig auch Vieles vergessen wird. Eine Gefahr im Übrigen, der heutzutage der medial beobachtete Gesetzgeber immer häufiger erliegt. Gesetze und Haftungsrecht sollten sich nicht nach den Schlagzeilen eines Tages richten.

vorherige Seite
Seite 1/2/

Anzeige