Wie gut man Produktinformationen der Versicherer versteht, untersuchte aktuell eine Studie der AMC Finanzmarkt GmbH und Communication Lab. Das „Institut für Verständlichkeit“ Communication Lab hat sich auf die Analyse und Optimierung von Kommunikation spezialisiert. Geschäftsführer Oliver Haug erläutert im AMC-Interview, wie ein Produktinformationsblatt gestaltet sein sollte, damit es verstanden wird.

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Fragen an Oliver Haug - Produktinformationsblätter auf dem Prüftstand

Herr Haug, wie verständlich sind die PIBs von Versicherern denn nun?

Oliver Haug: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. Die Ergebnisse unserer aktuellen Studie zeigen: Die Qualitätsunterschiede bei der formalen Verständlichkeit von PIB variieren zum Teil sehr stark. Insgesamt kann man sagen: je einfacher ein Produkt, desto verständlicher die Produktinformation. Tendenziell schneiden PIB aus dem Bereich „Hab & Gut“ bei der Verständlichkeit besser ab, als PIB aus den Bereichen „Vorsorge & Rente“ oder „Gesundheit & Pflege“. Dennoch kann man nicht pauschal sagen, dass mit weniger komplexen Versicherungsprodukten auch immer leicht verständliche PIB einhergehen. In allen Sparten gibt es etliche Dokumente mit viel Luft nach oben.

Welche Versicherer machen ihre Sache bereits gut?

Sachversicherungs-PIB erreichen insgesamt betrachtet die besten Ergebnisse in unserer Studie. Sehr gute Werte erreichen die PIB von ERGO, HUK Coburg und Provinzial Rheinland. Aber auch die Ergebnisse von HUK24, ARAG, Signal Iduna, Volkswohlbund und LVM können sich sehen lassen. In den anderen Sparten erreicht kein PIB die Mindestwerte, um als verständlich eingestuft zu werden.

Wie sollte ein gutes PIB aussehen, damit es leicht verständlich ist?

Wichtig für verständliche PIB sind vor allem eine klare und übersichtliche Struktur mit kurzen und einfachen Sätzen. Versicherer sollten auf zusammengesetzte Wörter, unnötige Passivsätze und Nominalstil möglichst verzichten. Notwenige Fachbegriffe sollten erklärt werden. Eine direkte Ansprache der Kunden trägt ebenfalls zur Verständlichkeit bei.

Branchenweite Standards fehlen

Woran liegt es, dass immer noch viele PIB schwer verständlich sind?

Es fehlen branchenweite und verbindliche Standards für PIB, die für eine gute Qualität sorgen könnten. Aktuell wissen viele Unternehmen nur, dass ein PIB nicht mehr als 2 DIN-A4 Seiten umfassen sollte. Standards sollten Empfehlungen zum Inhalt, zum Aufbau und zur Gliederung, aber auch Hilfestellung für ein einheitliches Wording bieten.

Anregungen, wie das funktionieren kann, gibt es in anderen Branchen: Seit 2005 gelten beispielsweise EU-weit einheitliche und verbindliche Vorgaben für medizinische Beipackzettel. Sind diese nicht erfüllt, kommt das Produkt nicht auf den Markt. Und erst letztes Jahr hat die Deutsche Kreditwirtschaft ein allgemeingültiges Fachbegriff-Glossar für PIB von Finanzprodukten veröffentlicht. Damit haben Banken und Finanzinstitute die Chance, komplexe Begriffe mit einfacheren Synonymen zu ersetzen oder zu erklären – ohne die fachliche Richtigkeit oder die Rechtssicherheit zu gefährden.

Was sind die häufigsten Verständlichkeitshürden bei PIB?

Neben den formalen Sprachkriterien, die ich vorhin schon erwähnt habe – also lange Sätze, komplexe Wörter, Fachbegriffe etc. – gibt es auch eine Reihe weiterer Faktoren, die die Verständlichkeit von PIB beeinflussen. Dazu gehören etwa prozessuale Faktoren, wie beispielsweise der Entstehungszyklus eines PIB: Bis ein PIB freigegeben ist, geht das Dokument oft durch viele Abteilungen und noch mehr Hände. Und wie das dann eben so ist mit dem Brei und den vielen Köchen… Das liegt nicht zuletzt an der Komplexität von Versicherungsprodukten. Damit zusammen hängt dann auch die Herausforderungen der Experten-Laien-Kommunikation. Womit wir dann auch wieder bei der Sprache wären.

Ihr Fazit?

Vor allem gilt: Es gibt noch viel zu tun, bis wir in der Versicherungsbranche von verständlichen und verbraucherfreundlichen PIB sprechen können. Und dieses Ziel sollte keinesfalls aus den Augen verloren werden, denn PIB haben genau diese Aufgabe: Verbraucher verständlich und transparent über die Eigenschaften, Kosten sowie Chancen und Risiken von Versicherungsprodukten zu informieren.

Verständlichkeit im Vergleich zu 2012 verbessert

In einer ersten Untersuchung hatten sich die Institute bereits der Frage gewidmet, wieviel Klartext Versicherer tatsächlich sprechen. In der zweiten Studienauflage wurden nun die Allgemeinen Versicherungsbedingungen, Produktinformationsblätter, Marketingunterlagen und FAQs von insgesamt 44 deutschen Versicherern erneut analysiert und bewertet. Communication Lab setzt eine spezielle Software (TextLab) ein, um die Verständlichkeit der Texte objektiv und nach wissenschaftlichen Methoden zu messen.

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Im Vergleich zur 1. Auflage 2012 haben die Produktinformationsblätter etwas an Verständlichkeit gewonnen. Viele Projekte zur Vereinfachung der Sprache in der Versicherungswirtschaft kämem langsam zum Tragen, vermutet Oliver Haug. Er empfhielt Versicherern, das Ziel der Verständlichkeit weiterhin zu verfolgen.

Die komplette Studie ist für 790,- € zzgl. 19% MwSt. über AMC erhältlich.

AMC Finanzmarkt GmbH / Communication Lab

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