Stefan Rumpp: Die größten Exzesse in diesem Bereich findet man in BaFin-kontrollierten Unternehmen – Stichwort Courtagesätze bei Risiko-Lebensversicherungen zur Finanzierungsabsicherung. Dem Ansinnen, alle Unternehmen unter die Aufsicht dieser Einrichtung zu stellen, ist schon aus diesem Grund zu widersprechen.

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Ein weiterer Bereich sind regelmäßige Umdeckungen, die man häufiger bei Kranken- und Lebens-/Rentenversicherungsprodukten vorfindet. Hier wäre eine angemessene laufende Vergütung ein wirksames Mittel, um gegenzusteuern. Damit verbunden ist allerdings ein erschwerter Marktzugang für Neugründungen.

Der Aufbau einer auskömmlichen laufenden Vergütung erfordert Zeit und damit finanzielle Mittel. Diese sind regelmäßig bei Existenzgründern nicht im erforderlichen Umfang vorhanden. Vor dem Hintergrund, dass viele Unternehmen in den nächsten Jahren in jüngere Hände übergeben werden müssen, scheint es aber Lösungen zu geben. Statt Neugründungen könnten Betriebsübernahmen ein Zugang zum Markt sein.

Wir reden oft über Bürokratie und Überregulierung für die Vermittlerbranche. Um das Argument mal umzukehren: Wo sehen Sie aktuell positive Signale oder sogar politische Reformabsichten, die Vermittlern Hoffnung für die Zukunft machen können?

Positive Signale im Bereich der Reduzierung von Bürokratie sehe ich aktuell leider nicht. Das ist bedauerlich, zumal sehr viele Vorschriften völlig sinnbefreit sind. Es wäre mit wenigen Schritten möglich, die tägliche Papierflut im Sinne von Kunden und Beratern erheblich zu reduzieren. Hier fehlt dem Gesetzgeber offensichtlich sowohl die notwendige Fachkenntnis als auch der politische Wille. Wir stehen hier als Ansprechpartner gerne zur Verfügung.

In den letzten Monaten beobachten wir, dass sich vermehrt Investoren, zum Teil aus Nicht-EU-Staaten, in Maklerpools einkaufen. Wie bewerten Sie diese Entwicklung? Und wo sehen Sie Ursachen für diesen Trend?

Die Notwendigkeit, sich in größeren Einheiten zusammenzufinden, um die Anforderungen an Dokumentation und Prozesse stemmen zu können, führt dazu, dass Marktteilnehmer entstehen, die für Finanzinvestoren interessant sind – große Vertriebe, die erhebliches Potenzial durch die Verschlankung von Prozessen und Einsparung von Personal erwarten lassen. Das sind Aussichten, die den sogenannten Heuschrecken perfekt gefallen. Die Gegenseite, die Anbieter von Finanzdienstleistungen und Versicherungen, scheinen diesen Trend aktuell etwas zu verschlafen.

Es könnte passieren, dass man sich in kurzer Frist einem Verhandlungspartner gegenübersieht, der 50 Prozent der Vertriebsleistung des gesamten Marktes kontrolliert. Das kann nicht im Interesse der Anbieter sein. Man wäre schnell erpressbar. Aus unserer Sicht wird das für die verbliebenen unabhängigen Marktteilnehmer zu einer neuen Qualität ihrer Verbindungen zu Anbietern führen.

Voraussetzung wird allerdings sein, dass die technischen Herausforderungen, also die Hausaufgaben im eigenen Unternehmen, gemacht worden sind. Für die Anbieter von Branchensoftware, Maklerverwaltungs- und Vergleichsprogramme bricht damit der Markt in naher Zukunft vollständig weg. Es werden keine ausreichenden Mengen zahlender Kunden für diese Anbieter übrig bleiben. Verbünde wie zum Beispiel IGVM e.V. oder auch die VEMA e.G. werden an Bedeutung gewinnen. Die Sicherheit vor einer ungewollten Übernahme durch Investoren dürfte einem Teil der Berater ein wichtiges Anliegen sein.

Die Investoren haben eine klare Absicht: Sie wollen den Wert des Maklerpools steigern und damit Gewinne erzielen. Sehen Sie hier einen Interessenkonflikt mit Blick auf die Unabhängigkeit der Pools? Müssen Makler vielleicht sogar umdenken und autarker von Anbindungen werden? Bitte begründen Sie Ihre Antwort.

Im Auge behalten sollten die Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler, dass sie technisch in der Lage sind, die komplexer werdenden Prozesse digital abzubilden. Dabei wird es entscheidend sein, wer die Datenhoheit hat. Hier entstehen sehr schnell Abhängigkeiten, die eine Entscheidung auf Ebene des eigenen Unternehmens schwierig oder unmöglich machen. Die Überalterung der Branche dürfte einen Beitrag dazu leisten, dass dieses Problem noch nicht ausreichend im Fokus steht. Die nächsten Jahre werden weiterhin eine hohe Dynamik in Sachen Veränderungen unseres Berufsalltages mit sich bringen. Es gilt, fachlich und prozessual auf Ballhöhe zu bleiben.

Die Komplexität unseres Berufes wird allerdings dafür sorgen, dass auch auf mittlere Sicht der fachlich gut ausgebildete Berater seinen Platz haben wird. Die KI wird im Arbeit abnehmen, ihn aber nicht ersetzen.

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Hintergrund: Das Interview erschien zuerst im kostenlosen Fachmagazin des Versicherungsboten.

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