(Beim Thema Provisionsverbot kann die Branche inzwischen aufatmen. Denn wie die Finanzkommissarin Mairead McGuinness vom der EU-Kommission in einer Rede auf dem 'Eurofi High Level Seminar' in Stockholm mitteilte, ist das EU-weite Provisionsverbot vorerst vom Tisch, wie Versicherungsbote berichtete).

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Versicherungsbote: Rekord-Inflation, Energieknappheit lähmende Bürokratie und marode Infrastruktur in Deutschland herrscht Krisenstimmung Wie ist der Eindruck hat sich die Krise auch auf das Versicherungs- und Vorsorge-Geschäft ausgewirkt? Und wo stehen die Vermittler in diesen Zeiten?

Martin Klein: Naja, ganz plakativ kann ich sagen: an der Seite ihrer Kunden, wo sie hingehören. Ich glaube, in Krisenzeiten suchen Kunden stärker wieder die Nähe zu ihren Vermittlern oder Beratern, um Situationen abzuklopfen oder ein Gefühl dafür zu bekommen, ob noch alles in Ordnung ist. Denn wenn die Unsicherheit steigt, geht man nicht neue Wege – zum Beispiel nicht zu einem Robo-Advisor, der Kryptowährung vermittelt oder dergleichen –, sondern bewegt sich in vertrauten Wegen.

Deshalb nehmen wir bei Vermittlervertrieben und auch bei Maklern keine Krisenstimmung wahr. Wir haben alle gut zu tun und müssen mit den Kunden im Dialog bleiben. Natürlich ist die Situation – die gestiegene Inflation – eine Herausforderung für uns alle. Aber schauen wir uns unsere Studien an, sehen wir: Die Kunden gehen nicht an die Altersvorsorge ran und lösen diese für den Konsum auf oder dergleichen, zumindest nicht in der Breite, und das ist beruhigend. Das liegt auch daran, dass viele Kunden eben heutzutage tatsächlich gut beraten sind und jemanden haben, an den sie sich wenden können.

Nun könnte sich daran aber etwas ändern – zumindest, wenn es nach Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband geht. Diese sagte kürzlich ja: Deutschland habe tendenziell zu viele Finanzvermittler und Bankberater und es ist nicht die Aufgabe von Kleinsparern, dieses Überangebot zu subventionieren. Hat sie damit vielleicht auch ein bisschen recht? Was entgegnen Sie denn Frau Mohn?

Ich bin da ein Freund der Marktwirtschaft. Derzeit bestehen ja zwei Vergütungsformen nebeneinander – Honorarberatung und provisionsgestützte Beratung. Und solange sich die Kunden weiterhin für die eine oder andere Form der Beratungen entscheiden können, ist der Markt entscheidend. Hier sprechen auch Zahlen für sich. In der 34f-Vermittlung müssen Berater seit 2013 jeden Cent, den sie als Provision einnehmen, ihren Kunden offenlegen. Es hat sich seitdem dennoch kein Schwund in der Beraterschaft eingestellt. Wenn für beide Vergütungsformen ein faires regulatives Umfeld geschaffen wird, können Kunden als auch Berater über die gewünschte Form der Beratung entscheiden.

Es wird auch Kunden geben, die sind mit einem Robo-Advisor oder einem eingeschränkten Beratungsangebot glücklich, die bedienen sich bei gewissen Produkten selbst. Und es wird Kunden geben, die wünschen eine Beratung. Ein Produkt ohne Beratung ist natürlich günstiger im Einkauf als eines mit Beratung, das ist eigentlich selbstverständlich. Das ist nicht nur in unserem Marktumfeld so, sondern in jedem anderen auch. Deswegen wird die ganze Debatte teilweise getrieben von Vergleichen, die nicht korrekt sind. Können doch Kunden natürlich auch all diese Produkte billiger bekommen – dann aber in der Regel ohne Beratung.

Aber hätte Frau Mohn nicht auch recht? Wäre eine Marktbereinigung vielleicht sogar im Interesse vieler Versicherungs- und Finanzanlagenvermittler? Es gibt ja auch den Vergleich, dass man sagt: In Deutschland gibt es pro Kopf zu viele Finanzanlagenberater und Versicherungsvermittler. Würden Sie sagen, das ist eher so ein Vergleich, der hinkt? ?der können Sie das schon nachvollziehen?

Wir haben hier in der Tat eine relativ hohe Pro-Kopf-Dichte und werden auch keine steigenden Zahlen mehr erleben. Wir sehen aber zugleich, dass der Abrieb nicht im Bereich der Makler erfolgt. Die Versicherungsmakler-Zahlen sind sehr stabil, die 34f- Zahlen sind sehr stabil am Markt, die Zahlen der Mehrfachagenten. Das Angebot ist nachgefragt und wird gebraucht.

Wo wir mittlerweile tatsächlich weniger Personen haben in der Vermittlung, ist bei der Ausschließlichkeit. Das kommt aber auch daher, dass wir hier eine stärkere Überalterung hatten in der Vergangenheit. Wir sind auch historisch hier mit zu vielen Personen ins Register gegangen – Personen, die auch schon damals nicht mehr aktiv waren oder nur Bestände verwalteten. Wir werden beobachten, dass hier Zahlen auch weiter zurückgehen. Denn in der Ausschließlichkeit muss eine starke Marke nach vorn gebracht werden, damit Vermittler erfolgreich sind. Attraktiver wahrgenommen auf Kundenseite und aktiver auf Beraterseite werden aber in der Berufsausübung breit gefächerte Angebote und Vergleiche.

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Ansonsten sehe ich jetzt aber nicht dramatische Entwicklungen, die destruktiv dazu führen, dass wir ganze Kohorten von Vermittlern verlieren werden. Sondern es wird sich einpendeln. Das ist meine Erwartung.

„Jede Honorarberatung ist mit Umsatzsteuer verbunden und verteuert die Leistung"

Könnte sich dieser Zustand ändern, wenn es tatsächlich zu einem Provisionsverbot durch die EU-Kommission käme?

Ja. Ich glaube schon, dass wir dann – teilweise – einen schrumpfenden Markt bekommen könnten. Letztendlich ist es aber so, dass wir dann andere Vergütungsformen finden, die sich ja heute bereits etablieren. Wir haben im 34f-Geschäft bereits die Situation, dass viele Vermittler mit ihren Kunden eine sogenannte Servicegebühr oder eine Art Erstanlage-Gebühr vereinbaren. Das wären dann Vergütungsmodelle, die sich entwickeln würden.

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Wir haben teilweise Modelle, bei denen Kunden akzeptieren, dass der Versicherer oder die Investmentgesellschaft etwas aus dem Anlagevermögen zahlt für die erbrachte Dienstleistung – also eine aktive Vereinbarung eines zu zahlenden Honorars, welches dann aber eben von dritter Seite kommt. Solche Möglichkeiten gibt es. Ich denke: diese Vergütungsmodelle könnte ein Großteil des Marktes auch heute schon stemmen, um weiterhin ein Beratungsangebot vorzuhalten.

Nur: so etwas ist nicht immer zum Vorteil des Kunden, das muss man auch sagen. Wir haben eine provisionsbasierte Beratung, die an dem Vermittlungserfolg festgemacht wird und umsatzsteuerfrei ist. Jede Honorarzahlung hingegen ist mit Umsatzsteuer verbunden und verteuert dann eben auch die Leistung gegenüber dem Kunden. Die Tatsache, dass im Versicherungsgeschäft die Provisionen erst fließen, wenn es zum Abschluss kommt, ist für den Kunden ebenfalls von Vorteil. Denn er hat die Möglichkeit, sich von unterschiedlicher Seite Angebote und Rat einzuholen. Der Kunde hat erst dann, wenn er mit der Vermittlung auch wirklich zufrieden ist, die Vergütung hierfür in seiner Police inkludiert. Also lasst doch bitte alles weiterhin nebeneinander bestehen und den Markt entscheiden, wo es hingehen soll. Wir sehen keinen Anlass, ein Provisionsverbot einzuführen.

Denken Sie, es wird ein Provisionsverbot geben?

Wir sehen nicht, dass es zu einem Provisionsverbot in der aktuellen Debatte kommen wird. Ich denke, die meisten europäischen Länder werden sich ganz klar gegen ein Provisionsverbot aussprechen, so dass ein alleiniges Vorpreschen einer EU-Kommission nicht zum Erfolg führt. Stattdessen werden wir weiterhin beide Vergütungsformen nebeneinander erleben.

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Hintergrund: Das Gespräch ist Teil eines Interviews aus dem kostenfreien Versicherungsbote Fachmagazin 01/2023.

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