11.000 selbstständige Berufsbetreuer gibt es aktuell in Deutschland: Sie sollen Menschen unterstützen, wenn sie ihre finanziellen und behördlichen Angelegenheiten nicht mehr regeln können oder die Angehörigen bei der Pflege überfordert sind. Ein sehr sensibler Bereich: Mitunter entscheiden die Betreuer, wie viel Geld die entsprechende Person ausgeben darf oder begleiten Inkassoverfahren sowie medizinische Behandlungen. Sie erhalten intimste Einblicke in das Leben ihrer Klienten, während sie in ihrem Auftrag Entscheidungen in Krisensituationen treffen müssen. Und streiten im Zweifel auch mit Familienangehörigen, die anders entschieden hätten. Es ist klar, dass bei einem solchen Beruf enorme Haftungsrisiken lauern.

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Mit dem Betreuungsorganisationsgesetz, in diesem Jahr verabschiedet, will die Bundesregierung die Anforderungen an den Berufsstand ab 2023 erhöhen. Unter anderem ist vorgesehen, dass die Betreuer dann eine obligatorische Berufshaftpflichtversicherung (nach § 23 BtOG) abschließen müssen. Ein längst überfälliger Schritt ob der drohenden finanziellen Schäden, die einer pflegebedürftigen Person durch falsche Entscheidungen des Betreuers drohen. Mindestens 250.000 Euro müssen künftig pro Versicherungsfall abgedeckt werden.

Zu der obligatorischen Berufshaftpflicht meldet sich nun der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) mit einem Positionspapier zu Wort. Er fürchtet zu strenge Vorgaben. Die Versicherungspflicht müsse so gestaltet sein, „dass das Berufshaftpflichtrisiko beruflicher Betreuer auch künftig zu angemessenen und für den Betreuer darstellbaren Prämien versichert werden kann“, fordert der Verband. Und sieht an einigen Stellen noch dringenden Klärungsbedarf.

Berufshaftpflicht nur für Vermögensschäden?

Nicht abschließend geklärt sei etwa, ob die obligatorische Berufshaftpflicht nur Vermögensschäden absichern soll. Dafür spreche die vergleichsweise niedrige Mindestsumme pro Fall, argumentiert der GDV. Die Summe für Personen- und Sachschäden sei bei Berufshaftpflicht-Policen üblicherweise höher und risikoadäquater, sie liege bei etwa 3 Millionen Euro pro Fall. „Eine Versicherungssumme für Personen- und Sachschäden von 250.000 EUR würde den Versicherungsschutz demgegenüber deutlich verschlechtern“, warnt der Verband: und fordert, hier deutlicher festzuschreiben, wofür der Schutz greifen soll.

Der GDV spricht sich selbst dafür aus, den Schutz auf Vermögensschäden zu beschränken. „Das Risiko eines Personen- oder Sachschadens ist nach unserer Einschätzung demgegenüber deutlich geringer. Pflichtversicherungen sollten auf exponierte Risiken begrenzt sein“, schreibt der Verband. Ein zumindest diskutables Argument, wenn man bedenkt, dass Betreuer auch in gesundheitliche Entscheidungen eingebunden sein können: etwa bei alkoholkranken Menschen oder wenn der Bedürftige nicht mehr selbst über die Notwendigkeit einer Operation entscheiden kann. Das Risiko auf Vermögen zu beschränken, würde auch die Kosten für die Versicherer im Schadensfall niedriger halten, wie aus den Argumenten des Verbandes indirekt hervorgeht.

Sollten aber doch auch Personen- und Sachschäden obligatorisch abgesichert werden müssen, spricht sich der Verband dafür aus, dass sie unabhängig von den Vermögensschäden in einem eigenen Vertrag abgesichert werden können. Schon heute hätten zum einen viele Betreuer die Risiken schon bei zwei verschiedenen Versicherern abgesichert. Zum anderen seien Kombiprodukte, die alle drei Bereiche Vermögen-, Personen- und Sachschaden abdecken, „derzeit nicht oder allenfalls vereinzelt angeboten“, schreibt der GDV. „Sie wären ein Fremdkörper in der bisherigen Produktstruktur“ - die Entwicklung aufwendig und bis zum Start des Gesetzes am 1.1.2023 kaum darstellbar.

Ausschlüsse, Selbstbehalt

Auch andere Vorschläge des Verbandes scheinen zentral darauf abzuzielen, das Kostenrisiko kleinzuhalten. So will der GDV durchsetzen, dass in den Haftpflicht-Verträgen auch Ausschlüsse festgelegt werden dürfen: unter anderem für Ersatzansprüche wegen wissentlicher Pflichtverletzung, wenn also bewusst gegen Recht verstoßen wird. Was der Verband nicht anspricht: Gerade sogenannte Pflichtwidrigkeitsklauseln sind zwar marktüblich auch bei anderen Berufshaftpflicht-Policen. Sie können aber ein Einfallstor sein, um Ansprüche pauschal abzulehnen, wie auch Versicherungsmakler zu bedenken geben. Die Grenzen zwischen versehentlichen und bewussten Verstößen sind mitunter schwer zu ziehen, es drohen lange Rechtsstreite. Und die betroffenen Geschädigten könnten leer ausgehen, wenn der Betreuer nicht über ausreichend eigenes Vermögen verfügt, durch ihn verursachte Schäden zu begleichen.

Auch eine Serienschadenklausel für Vermögensschäden wollen die Versicherer in den Verträgen festschreiben dürfen. Stark vereinfacht gilt dann mehrfaches, aber auf gleicher oder gleichartiger Fehlerquelle beruhendes Tun oder Unterlassen als einheitlicher Verstoß, auch wenn verschiedene Personen aus verschiedenen Fällen Schadensersatz beanspruchen: Entsprechend wird auch die Summe derart gedeckelt, als handele es sich um einen einzigen Schadensfall. Üblich sind solche Klauseln in der Berufshaftpflicht von Rechtsanwälten oder Rechtsdienstleistern, wie der Verband informiert. Auch solle die maximale Jahreshöchstleistung begrenzt werden dürfen: Das sei auch bei freiwilligen Verträgen bisher gelebte Praxis.

Den Betreuern und Versicherern soll es darüber hinaus erlaubt werden, einen Selbstbehalt zu vereinbaren: maximal bis ein Prozent der Mindestversicherungssumme. Das senkt nicht nur die Versicherungsprämie, sondern verhindert, dass die Versicherten bereits bei geringen Schäden ihre Police in Anspruch nehmen, statt die Ansprüche aus eigener Tasche zu zahlen.

Zu bedenken sei des Weiteren, dass viele Betreuer bereits über Gruppenversicherungen abgesichert seien oder anderweitig Schutz genießen, etwa, weil sie auch als Rechtsanwalt oder Steuerberater tätig sind.

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Letztendlich plagen den GDV Bedenken, so wird aus dem Papier deutlich, dass der Markt solche Policen nicht oder nicht zu erschwinglichen Preisen bereitstellen kann, schon weil die Zielgruppe sehr klein ist: trotz Versicherungspflicht. Hier werden Erinnerungen an die Situation von Hebammen wach. Weil die Schadensersatzforderungen bei Geburtsfehlern in den letzten Jahren regelrecht explodiert sind, haben sich nach und nach Anbieter von diesen Tarifen zurückgezogen. Nur mit Hilfe eines Sicherstellungszuschlags durch die Krankenkassen kann die Haftpflicht überhaupt weiter gewährt werden. Viele Hebammen haben sich auch wegen der Haftpflichtrisiken und -kosten aus ihrem Beruf verabschiedet. In manchen Regionen kann der Bedarf längst nicht mehr gedeckt werden.

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