Das Jahr 2020 war für die Rechtsschutzversicherer nicht nur von der Covid-19 Pandemie geprägt, sondern auch von wegweisenden Gesetzgebungsverfahren, die den deutschen Rechtsdienstleistungsmarkt nach vorausgehenden BGH-Entscheidungen (Lexfox-Urteile) zu diversen LegalTech-Inkassomodellen weiter liberalisieren werden. In seiner Lexfox-Grundsatzentscheidung in 2020 ging es um einen standardisierten Onlinerechner, der die Erfolgsaussichten von Ansprüchen im Zusammenhang mit der Berliner Mietpreisbremse prüfte, kein juristisches und IT-Hexenwerk. Bei hinreichenden Erfolgsaussichten konnte der Verbraucher seine Ansprüche an Lexfox abtreten und das Unternehmen machte diese anschließend im eigenen Namen geltend. Die Vergütung erfolgte über ein Erfolgshonorar, das Lexfox einbehielt.

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Der BGH hatte sich damit erstmals zu dem erbittert geführten Streit über die grundsätzliche Zulässigkeit eines solchen Vorgehens eines nichtanwaltlichen Inkassodienstleisters positioniert und zu Gunsten der Legal-Tech-Unternehmen einen weiten Inkassobegriff zugrunde gelegt. Die Richter sahen sich damit auf der Linie des Gesetzgebers, der ein modernes, zukunftsfähiges und liberalisiertes Rechtsdienstleistungsgesetz habe schaffen wollen. Was bedeuten aber die Geschäftsmodelle von geblitzt.de, gefeuert.de oder wenigermiete.de für die Rechtsschutzversicherer heute und morgen? Und was passiert, wenn die LegalTechs eine erweiterte Rechtsdienstleistungszulassung (RDG) nach diesen BGH-Urteilen erhalten und nach langen Kriegen mit den Anwaltskammern ganz offiziell Erfolgshonorare in allen Zivilsachen mit den Verbrauchern und Rechtsuchenden vereinbaren dürfen? So wie es die Fluggäste von Flightright bereits kennen und wegen der hohen Convenience mit Sofort-Cash liebt gewonnen haben.

Übernehmen LegalTechs das Massengeschäft?

Es geht vermeintlich nur um die kleinen Streitwerte bis 2.000 Euro, aber genau diese Fälle bilden das Massengeschäft von Rechtschutz ab. Mit „Sofort-Rechtsschutz“ wird von den LegalTechs geworben und die Versicherer schauen den Online-Werbekampagnen staunend zu. Eine Dieselgate-Großkanzlei mit Spot auf Sky in der Fußballpause und auf allen Onlineformaten poppen die Werbebanner mit eingehenden Brands, wie myright.de oder blitzrechner.de, auf. Es geht hier um sehr viel mehr als nur ein neues Gesetz, es geht um die Kundenschnittstellen der Versicherer, da die LegalTechs auch sehr schnell erkannt haben, das rechtsschutzversicherte Kunden eine hervorragende Mandantenzielgruppe darstellen.

Dazu kommen e-justice und die Umsetzung des digitalen Rechtsverkehrs bis 2025, was die kleinteilige deutsche Anwaltschaft massiv verändern wird, so schon die Prognos Zukunftsstudie des Deutschen Anwaltsvereins für 2030, nur, dass die Veränderungen deutlich schneller und dynamischer kommen werden, teilweise schon da sind. Diese Dynamik, die sich mit der Covid-19-Pandemie gerade hinsichtlich des Technikeinsatzes deutlich beschleunigt hat, ist der Anwaltschaft durchaus bewusst und darum kämpfen sie auch mit allen Mitteln im Legal-Tech-Gesetzesverfahren, beschwören den Untergang des Anwaltstandes als Teil der Rechtspflege und lehnen die Liberalisierung, heißt die Öffnung eines Teils des Rechtsmarktes auch für LegalTechs im Gewande von Inkassodienstleistern, rigoros und kategorisch ab, beschimpfen beide sogar die BGH-Richter, die ihre liberale Auslegung des RDG deutlich überdehnt hätten. Auch der Gesetzgeber befände sich auf Irrwegen, das ist schon harter Tobak und dokumentiert die Bedeutung dieser Weichenstellung für den Rechtsdienstleistungsmarkt insgesamt.

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Dass Rechtsschutz hier trotz deutlicher Hinweise des GDV völlig übersehen wurde, verdeutlicht die Dramatik. Das Fass der Aufhebung der „Lex Rechtsschutz“ im § 4 RDG und damit des Verbots der Eigenregulierung im außergerichtlichen Bereich wollte man nicht im Ansatz eröffnen. Die LegalTechs fordern dies vehement und daher ist es nur gut, dass einige Rechtsschutzversicherer sich nunmehr auch explizit hierzu zu Wort melden.

Schadenstückzahlen legten zu

Die deutschen Rechtsschutzversicherer sind wegen ihres Geschäftsmodells als Kostenversicherer und der neueren BGH-Rechtsprechung zur Bestimmung des Versicherungsfalls sowie der Nichtberücksichtigung des Vortrages (ins Blaue hinein) des Gegners für die Deckungsentscheidung in Krisen immer besonders herausgefordert und gefährdet. Es droht ein Run von Neukunden, die den Versicherungsfall als Risiko bereits latent mitbringen, sprich die schwarzen Wolken einer Insolvenz, Kündigung oder Vertrags- und Forderungsausfällen auf sich zukommen sehen.

In der Covid-19-Pandemie ist diese Gefahr besonders stark ausgeprägt, da sowohl der Firmen-, als auch der Privatkundenbereich betroffen sind und auch das Insolvenzstrafrecht kann in 2021/22 noch von Bedeutung werden. Privat- und Firmenkunden sind gleichermaßen in der aktuellen Krise betroffen und immer zahlt Rechtsschutz für beide Parteien vor dem Arbeitsgericht. § 12 a ArbGG bestimmt, dass die obsiegende Partei keinen Anspruch auf Kostenerstattung hat. Damit ist der Arbeits-RS die teuerste Leistungsart für Rechtsschutz insgesamt und die Schadenprognosen kletterten 2020 bis auf 1 Mrd. Euro und damit auf das Gesamtniveau des Dieselskandals. Stand heute ist es noch nicht so schlimm gekommen und das ist auch mehr als nötig, da zum 1.1.2021 die neuen Gerichtskosten- und Anwaltsgebührenordnungen mit einem Gesamtbelastungsvolumen von 13 Prozent wirksam geworden sind, übrigens ohne jegliche öffentliche und mediale Beachtung.

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Schadenstückzahlen legten zu

Neben diesen versicherungstechnischen und Underwriting-Herausforderungen kommt diesmal die operative Exzellenz dazu, da im Rechtsschutz das Lockdown-Phänomen anderer Sparten nicht eingetreten ist. Die Schadenstückzahlen gingen nicht deutlich zurück, sondern legten um 9,8 Prozent in 2020 zu. Die operative Exzellenz hier aufrecht zu halten, war und ist eine große Herausforderung, die von den meisten Versicherern und ihren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen gut gemeistert wurde, jedenfalls gab es keine Beschwerdeflut beim Ombudsmann, dort übernahm die Reiseversicherung die Poolposition von Rechtsschutz aus dem Vorjahr.

Insgesamt sind die Versicherer in 2020 noch mit einem blauen Auge davongekommen, der GDV reduzierte zuletzt seine Combined Ratio Prognose von 103 und 100 Prozent. Auch die Beiträge stiegen erfreulich um 3,0 Prozent auf 4,37 Mrd. Euro und die Vertragsstückzahlen stiegen um 1,5 Prozent auf 22,92 Mio. Stück. Die Ergebnisse der Gesellschaften fallen aber sehr unterschiedlich aus, insbesondere im Bereich der Maklerversicherer sind teilweise verstärkte Sanierungsmaßnahmen festzustellen. Unter den Top 11 der Branche verliert die ERGO/DAS ihren Top 3 Platz nunmehr an die ARAG, nachdem sie ein Jahr zuvor den Top 2 an die Roland abgeben musste. Überdurchschnittliche Wachstumsdynamiken weisen ARAG, ÖRAG, LVM und die R+V aus. In die Top 10 stürmt in 2020 die DEVK, die ihren dynamischen Wachstumskurs mit den dem Fokus Kfz- und Privatkunden fortsetzt.

Auf den hinteren Rängen findet sich zum Beispiel die GVO, die ihren hoch defizitären Aggretatoren- und Poolbestand mit der ConzeptIF von 3,4 Millionen (2018) auf 0,9 Mio. Euro bereits abgebaut hat, um diese Stichtagssanierung einmal neutral zu beschreiben. Aber auch die NRV liegt mit 87 Mio. Euro noch deutlich unter den 97 Mio. Euro aus 2018, als sie das defizitäre Industrie-Strafrechtgeschäft abgab. Etwas stärker als der Markt legt die Auxilia auf 113,4 Mio. Euro (4,0%) zu. Die W&W mit Adam Riese als Digitalversicherer an Bord wächst stark um 5,9 Prozent auf 133,4 (Vj. 126,0), aber auch 2020 jetzt sich der negative Schadenverlauf deutlich fort, die gemeldeten Schäden erhöhten sich um 17,5 Prozent (VJ. 7,5%) und die Schadenquote explodiert geradezu von 55,7 Prozent in 2018 auf jetzt 64,7 Prozent. Trotz restriktiver digitaler Underwritingpolitik mit Schadensteuerungsobliegenheiten für die Kunden zeigt diese Entwicklung - trotz multivariabler Tarifsystematik - sehr deutlich, wie anders ein reiner Käufermarkt zu bewerten und zu managen ist. Und sollten hier keine Schutzmaßnahmen eingezogen worden sein, wird sich dieser Trend gerade mit Blick auf die Arbeitsrechtsrisiken sicherlich in 2021 fortsetzen, bei voller Wirksamkeit des RVG 2021 mit ca. 13 Prozent Kostensprung auf alle Meldejahresschäden im Arbeitsrecht ein unschöner Ausblick.

Diese Schäden werden als schnellabgewickelte Zahlschäden in 2021 voll wirksam werden, was nur mit einer sehr starken Reservepositionierung in Teilen dann abzufedern sein wird. Aber auch andere, zu denen dann auch Getsafe als Makler/Assekuradeur gehört, sind sportlich auf den digitalen Vertriebsplattformen unterwegs und auch hier hört man von „Vollbremsungen“ oder gar Risikoträgerwechseln, die wohl auch bei der Degenia und der Deutschen Maklerunion anstehen. Aber das gerade Assekuradeur- und Poolmodelle für Rechtsschutz schon immer besondere Risiken darstellen, ist auch keine neue Erkenntnis und zeigt sich durch die vielfachen Risikoträgerwechsel bei diesen Pools und Assekuradeuren. Besonders kritisch wird es immer dann, wenn die angeschlossenen Maklerhäuser das Angebot als „Ventil“ zu ihrem Haus-Rechtsschutzversicherer nutzen, womit das Underwriting und das Schadencontrolling sowie das Bestandsmanagement besonders in der Überwachung herausgefordert ist.

LegalTechs vor der Legalisierung ihrer Geschäftsmodelle

Diese versicherungstechnischen Herausforderungen in 2020/21, bei weiter anziehenden Insolvenzzahlen und damit Arbeitsrechtsschutzfällen, sind aber nicht die einzige Managementaufgabe, die zu bewältigen sein wird. Mit dem anstehenden Gesetz zur Förderung verbrauchergerechter Angebote im Rechtsdienstleistungsmarkt (LegalTech-Gesetz) steht eine gravierende Marktveränderung vor der Tür, denen sich die Rechtsschutzversicherer zu stellen haben. Die beabsichtigte „Förderung“ soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers darin bestehen, dass LegalTechs künftig gesetzlich abgesichert werden und die Anwaltschaft, um mit dieser relativ neuen Konkurrenz besser klarzukommen, Erfolgshonorare, Honorarverzicht und Kostenübernahmen vereinbaren darf. Das bringt die Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) zur Weißglut.

BRAK-Präsident Wessels ging sogar so weit, die neue Inkassodefinition als „grenzenlos“ zu bezeichnen. Er malte das Schreckensbild, dass der Regierungsentwurf den LegalTech-Inkasso-Dienstleistern einen unbegrenzten Zugang zum Rechtsdienstleistungsmarkt eröffne. Aufgehängt an der Frage, ob das Gesetz grundsätzlich geeignet sei, verbrauchergerechte Angebote auf dem Rechtsdienstleistungsmarkt zu schaffen, gaben sich Wessels und Prof. Wolf die größte Mühe darzulegen, dass das Geschäftsmodell der LegalTechs an sich schon unredlich sei und zudem noch mit fragwürdigen Methoden in der Internetvermarktung vorangetrieben werde. LegalTech-Anbieter brächten ihre Kunden um den vollen Rechtsanspruch, der ihnen rechtlich zustünde, wenn sie eine Erfolgsprovision kassierten. Außerdem pickten die LegalTechs sich bei der Mandantenwahl stets die Rosinen mit besonders großen Erfolgsaussichten oder Rechtsschutzdeckungen heraus. Mandate mit weniger guten Aussichten lehnten sie ab. Auf Verbraucherschutz käme es ihnen dabei nicht an, weshalb der Entwurf auch nicht geeignet sei, ein verbrauchergerechtes Angebot zu schaffen. Prof. Wolf, Lehrstuhlinhaber für Anwaltsrecht in Hannover, kritisierte, dass für LegalTech-Anbieter das „Recht des Internets“ gelte. Was heute noch Flightright oder Wenigermiete.de sei, wären morgen schon „Google law“ oder andere Internet-Giganten.

Diese Attacken verdeutlichen in einer außergewöhnlichen Deutlichkeit, worum es hier gerade geht, um anwaltliche Geschäftsmodelle und Internetmarkt für Rechtsdienstleistungen, für den Regionalität immer unwichtiger wird, insbesondere in den zivilrechtlichen Massenverfahren, dem Brot- und Buttergeschäft der Anwaltschaft, aber auch der Rechtsschutzversicherer. Diese reagierten bisher in der Breite der Branche nur sehr verhalten, haben sie noch die Internetgroßkanzleien zum WiderrufJoker und dem Dieselskandal zu verarbeiten. Aber es wird nicht damit aufhören, es wird sicher weiter dynamisieren, das LegalTech-Gesetz wird weitere Modelle eröffnen und es auch die Erfolgshonorarfreigabe für Anwälte gibt, werden LegalTech-Anwaltskanzleien wie Pilze aus dem Boden sprießen und die Kundenschnittstelle der Rechtsschutzversicherer weiter attackieren.

Rechtsschutz auf dem Weg zum LegalTech

Einige Rechtsschutzversicherer haben sich bereits auf den Weg gemacht, die DEVK mit KLUGO und die ARAG mit Hellolaw agieren bereits auf dem Markt und werden ihre Aktivitäten weiter forcieren. Andere gehen Beteiligungen ein, wie die Auxilia mit Atornix als Ableger von rightmart, die einen ganzen Strauß von Legalservices der Auxilia zur Verfügung stellt. Entscheidend wird sein, ob man mit den neuen digitalen und telefonischen Rechtsservices, die die ÖRAG unter MEINRECHT brandet, auch die eigenen Kunden erreicht. Was nützt der tollste Legalservice, wenn ihn keiner kennt?

Um nicht zum reinen Kostenabwickler zu verkommen, muss sich Rechtsschutz deutlich aggressiver gegenüber ihren Kunden und Kundinnen zeigen, ihr Kompetenzmodell verändern, die Syndikusanwälte und -anwältinnen in den Schadenbereichen an die Kunden- und vermittlerfront bringen und dies ganz anders vermarkten, als heute. Die Erreichbarkeit von qualifizierten Rechtsservices und fallabschließenden Rechtsschutzfallanfragen treten ins Zentrum der operativen Exzellenz. Die Versicherer müssen Antworten auf geblitzt.de und gefeuert.de geben, deren CEO freimütig in einem LegalTech-Podcast offenbart, dass es um das Abfischen von Rechtsschutzversicherten geht, die den höchsten Ertrag für seine Plattform und die angeschlossenen Lizenzkanzleien versprechen.

Es geht heute um Mandatshandel und dieser wird mit dem LegalTech-Gesetz und auch den Onlineaktivitäten der juristischen Verlage mit anwalt.de oder anwalt24.de weiterwachsen. Und dann wird es noch deutlich mehr situative Rechtsdienstleistungen geben, zu Pauschalhonoraren oder auf Erfolgsbasis, eine Renaissance der Prozessfinanzierung, für die Anwaltschaft ebenfalls Teufelszeug, die die Rechtsschutzversicherer nicht zum Fliegen gebracht haben, steht vor der Tür. Und die Verbraucher und Rechtsratsuchenden, die finden diese auf Convenience ausgelegten Modelle mit Klick und Cash-funktionen (flightright) einfach nur cool. ‚Lieber den Spatz in der Hand, als Ärger und Zeitaufwand für die Taube auf dem Dach‘ - so ticken Verbraucher heute. Gerade bei den kleinen Alltagsrechtsstreitigkeiten. Nicht nur 70 Prozent der Amtsgerichtsverfahren, so Prof. Wolf, bewegen sich in der Range von Streitwerten bis 2.000 Euro, auch im Rechtsschutz wird man kaum andere Durchschnittswerte finden, was den Nutzen einer Vollkasko-Rechtsschutzpolice für heute 300 und mehr Euro im Jahr immer mehr in Frage stellt. Rechtsschutz muss also umdenken, sowohl in ihren Produkt- und Rechtsassistancemodellen, als auch in ihren operativen Aufstellungen und insbesondere den Vermarktungs- und Kommunikationsstrategien.

Wenn nicht, dann wird die Erstkontaktquote zum Rechtsschutzversicherer immer weiter sinken; Rechtsservicekompetenzen und auch Schadenfallsteuerung immer mehr ins Hintertreffen geraten. Und die Kunden werden sich immer häufiger und lauter die Frage nach dem tatsächlichen Produktnutzen stellen.

Dass sich Rechtsschutz nicht nur mit diesen Angriffsszenarien der LegalTechs mit erweiterter RDG-Zulassung zu beschäftigen hat, sondern auch die Chancen von e-justice und dem digitalen Rechtsverkehr, der bis zum 1.1.2026 bundesweit umgesetzt sein soll, ist auch nicht in der Breite angekommen. Die digitale Abwicklung von Rechtsschutzfällen und insbesondere Gerichtskosten- und Anwaltsrechnungen eröffnet für das Prozessmanagement völlig neue Optionen. Die Fallkonstellationen sind bei Rechtsschutz bei weiten nicht so komplex, wie bei Arztrechnungen; das Potential für die Verarbeitung von strukturierten Daten erheblich. Dazu gehören dann auch entsprechende Kundenplattformen, wie z.B. die ÖRAG AWS-Cloud APP mit 24/7-Live-Pushservices und einem KI-Chatbot, der technologisch das Prozessmodell von geblitzt.de deutlich in den Schatten stellt: Anhörungs- oder Bußgeldauslesung, automatische Deckungsprüfung mit Entscheidung und Schadenanlage, Anwaltsrouting, Verfahrensbearbeitung, Zahlung der pauschalierten Anwaltskosten und Schadenschließung. Werden diese Schritte vom Kunden über den Chatbot abgewickelt, wird jeder Prozessschritt per Pushservice mit Originaldokumenten in der App ‚MeinRecht’ bereitgestellt. Dies ist nur eine neue Möglichkeit für die Zukunft, um selber ein LegalTech-Feeling bei Kunden und Vertriebspartnern auszulösen.

Fazit

Basierend auf meiner 30jährigen Rechtsschutzerfahrung kann ich sagen, dass die Branche vor einer einschneidenden Veränderung des Rechtsdienstleistungsmarktes steht. Auch wenn diese Marktzugangsveränderungen durch die anstehenden Beitragsangleichungsrunden aufgrund des RVG 2021 etwas überdeckt werden. Die Messlatte ist daher in den nächsten Jahren nicht nur das Beitragswachstum, das wegen der BAK mit einem Volumen von 15-20 Prozent über 3 Jahre gar nicht zu vermeiden sein wird, sondern ein stabiles Kundenwachstum, das in der Folge zum Beitragswachstum wird bzw. über intelligente Bestands-Crosselling-Kampagnen entwickelt werden muss. Das Kundenbindungsmanagement und die Customer Convenience erlangen wesentliche strategische und operative Bedeutung.

Heute agieren noch viele Versicherer eher wie ein Strukturvertrieb: Viel Neugeschäft oben rein und um das Storno wird sich nur bedingt und nach Ablauf der Stornohaftungszeit gar nicht mehr gekümmert.

Rechtsschutz hat mit smarten LegalTech-Features sehr viel Potential der tagtäglichen Nutzendarstellung für Verbraucher und Verbraucherinnen, auch das hat die Covid-19-Pandemie gezeigt. Sich dafür auch IT-seitig in den einzelnen Kundenservicebereichen und Partnernetzwerken fit zu machen, ist mit Cloud-, APP und KI-Anforderungen eine investitionsintensive, aber auch sehr spannende Herausforderung für die nächsten Jahre. Es bestehen aber auch erhebliche Kostensenkungspotentiale in der digitalen Verbindung von Anwaltschaft, Gerichten und den Kunden. Software as a Service (SaaS) als Rechtsschutzversicherer in den Schnittstellen zu den Kunden, Vertriebspartnern und Rechtsdienstleistungs- und Anwaltsnetzwerken zu denken, dies ist eine Aufgabe, die Geschäftsmodelle von heute transformieren wird. Am Ende wird man an den Marktanteilsveränderungen ablesen können, wer diesen Weg am besten beschritten hat.

Und es geht hier nicht nur um die Kundengruppen von heute und die 45 Prozent bisher nicht versicherte Haushalte. Sondern auch um die 55 Prozent nichtversicherten Rechtsratsuchenden, denen Rechtsschutz mit situativen Smartinsurance-Angeboten auch ein Angebot machen kann. Das ist ein neuer Markt, den sich die LegalTechs als Zielmarkt definiert haben.

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Es geht dabei nicht um die Kannibalisierung von Rechtsschutz, die immer schnell auch vom Vertrieb bei diesen Angeboten hervorgezogen wird. Vielmehr geht es um die Erschließung und Abschöpfung des neuen Marktpotentials im Bereich der digitalen Legal-Serviceangebote. Nach Inkrafttreten des LegalTech-Gesetzes wird dieser Bereich weiter an Fahrt aufnehmen. Mit dem Angebot smarter Legalservices und -produkte zu Festpreisen dann neue Legal-Insurance-Kunden zu gewinnen, ist dann die Kür für das Spartenmanagement der Rechtsschutzversicherer.

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