Der wirtschaftliche Abschwung durch die Corona-Krise durch eine aufziehende Konkurswelle und der Bilanz-Skandal bei Wirecard: viele Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführer werden sich in den kommenden Monaten – berechtigt oder unberechtigt – mit Schadenersatzforderungen insbesondere auch über Insolvenzverwalter konfrontiert sehen, titelt der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

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Weiterhin zeigen diverse neuere Urteile eine weitere Verschärfung des Haftungsregimes gegenüber Unternehmensleitern, die zwar immer häufiger über D&O-Policen mit und ohne Vertrauensschadengrunddeckungen abgesichert sind, was aber wiederum für neue Probleme gerade in Konkursfällen sorgt. Nach dem alten Grundsatz: „Die Haftung folgt der Deckung“.

Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH, IV ZR 217/19) einen langen Streit in Bezug auf den § 64 Satz 1 GmbHG a.F. (Neu § 15 b InsO) entschieden. Der in der Vorschrift geregelte Anspruch gegenüber dem Geschäftsführer ist ein gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz und damit auch im Sinne der AVB von D&O-Versicherern abgesichert, so der Leitsatz.

Wenig betrachtet werden die weiteren, fast immer tangierten Bereiche des Wirtschafts- und Konkursstrafrechtes, wie auch des Top-Manager-Anstellungsvertragsrechts, die insbesondere bei von Gläubigern oder Insolvenzverwaltern eingeleiteten Strafverfahren sehr schnell in den Mittelpunkt der Verfahren und Interesses aus Sicht der betroffenen Organe gelangen.

Streit um Rechtsnatur nun beendet

D&O-Policen gewähren Deckung für Haftungs- und Schadensersatzansprüche gegen Unternehmensleiter und Unternehmensleiterinnen und in Teilen auch der nächsten Ebene in herausgehobenen Funktionen, z.B. der Schlüsselfunktionen von Banken und Versicherern. Die OLG-Rechtsprechung und Literatur ordnen Haftungsansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. nicht als Schadensersatzansprüche, sondern „Erstattungsansprüche eigener Art“ ein, da es nicht um einen Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gehe, sondern um einen Erstattungsanspruch der Gläubigergemeinschaft, der seiner Natur nach darauf gerichtet ist, das Gesellschaftsvermögen aufzufüllen, damit es im Insolvenzverfahren zur ranggerechten und gleichmäßigen Befriedigung aller Gesellschaftsgläubiger zur Verfügung steht.

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Damit korrespondierte die Frage, ob es im Rahmen einer D&O-Versicherung für Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. Deckungsschutz gegeben kann. Die Oberlandesgerichte verneinten dies überwiegend, anders große Teile der Literatur. In seinem Urteil hat der BGH nunmehr entschieden, dass Ansprüche aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. vom Versicherungsschutz umfasst sind und verweist auf die allgemeinen AGBG/AVB-Auslegungsregelungen. Nach diesen Maßstäben ergebe die Auslegung der AVB für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer bzw. Versicherten einer D&O-Versicherung, dass der in § 64 Satz 1 a.F. GmbHG geregelte Anspruch ein gesetzlicher Schadensersatzanspruch im Rahmen der Versicherungsbedingungen ist - Punkt. Anders könne der Versicherungsnehmer bzw. der Versicherte die Klausel auch nicht infolge einer rein rechtsdogmatischen Einordnung als „Anspruch eigener Art“ verstehen. Ein darauf gestütztes Verständnis könne von einem juristisch oder versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten Versicherungsnehmer/Versicherten einer D&O-Versicherung nicht verlangt werden. Vor diesem Hintergrund führt der BGH weiter aus, dass gerade das für einen GmbH-Geschäftsführer bedeutende und potentiell existenzvernichtende Haftungsrisiko aus § 64 Satz 1 GmbHG a.F. von der Deckung der D&O-Versicherung nicht ausgenommen sein kann, weil ein Vermögensschaden nicht bei der Versicherungsnehmerin, sondern bei deren Gläubigern eingetreten ist.

Auswirkungen und SanInsFoG

Zum 1. Januar 2021 ist das SanInsFoG (Sanierungs- und Insolvenzrechtsfortentwicklungsgesetz) in Kraft getreten. Durch das SanInsFoG wurde mit § 15b InsO eine Neuregelung geschaffen, die die Regelung des § 64 GmbHG a.F. ersetzt und den denselben Regelungszweck beinhaltet. Die BGH-Entscheidung wird daher auf den neu geschaffenen § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO anwendbar sein. Sollte das insolvente Unternehmen über eine D&O-Versicherung zugunsten ihrer Geschäftsführer verfügen, dann ist davon auszugehen, dass ein Insolvenzverwalter in Zukunft verstärkt versuchen wird, etwaige persönliche Haftungsansprüche wegen der Masseschmälerung gemäß § 15b Abs. 4 Satz 1 InsO bei dem Geschäftsführer und bei der D&O-Versicherung auch gerichtlich durchzusetzen, womit die Befriedigungsaussichten sich erheblich vergrößern und ein Verzicht selbst Haftungsthemen auf Seiten des Insolvenzverwalters auslösen könnten, die dann seine Pflicht-Vermögensschadenpolice betreffen würde.

Für die Geschäftsführer einer Gesellschaft bedeutet die Entscheidung des BGH gleichzeitig, dass sie zukünftig deutlich stärker auf D&O-Versicherungen zurückgreifen sollten, um etwaige persönliche Haftungsrisiken im Rahmen einer Insolvenz zu vermeiden, dies gilt beidseitig, wobei der BGH auch klargestellt hat, dass mit Blick auf die Außenhaftung der Deckungsschutz insbesondere im Interesse des Unternehmens liegt.

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D&O und Strafrechtsschutz

Das strikte Trennungsgebot von Rechtsschutz und D&O wird bei den Insolvenzfällen mehr als offenkundig, da in vielen Fällen parallel zu den Haftungsverfahren auch strafrechtliche Ermittlungsverfahren eingeleitet werden, diverse Konkurs-Strafdelikte und dann am Ende auch immer der nur vorsätzlich begehbare Untreue-Tatbestand nach § 266 StGB im Raum steht. Neben der wissentlichen Pflichtverletzung als Ausschlussgrund für eine D&O-Versicherung tritt dann der Vorsatzausschluss auf das Parkett, bei Verurteilung zu einer vorsätzlichen Tatbestandserfüllung (§ 283 StGB Bankrott ff.) erlischt der D&O-Deckungsschutz. Dies gilt dann auch für die Spezial-Straf-Rechtsschutzpolicen, die vom Vorbehaltsdeckungsmodus in den Regressmodus schalten müssen und die sehr hohen Verteidigungskosten (i.d.R. auf Stundenhonorarbasis) vom verurteilten Unternehmensleiter zurückverlangen.

Die Koordination der strafrechtlichen Verteidigungsstrategie zur Vermeidung derartiger persönlicher Haftungsfolgen ist daher im höchsten Interesse des versicherten Geschäftsführers oder auch Vorstandes. Da in diesen Fällen häufig auch mit fristlosen Kündigungen agiert wird, tritt zusätzlich der Anstellungsvertrags-Rechtsschutz auf die Bühne, um auch diese, häufig taktisch gewählte Vorgehensweise von Gesellschaftern, Aufsichtsräten und Insolvenzverwaltern, ggf. mit Urkundenprozessen abzuwehren. Selbst die Gesellschafter und Insolvenzverwalter müssen bei ihrer rechtlichen Vorgehensweise bedenken, welche möglichen Folgen sich für den D&O-Deckungsschutz ergeben. Im Extremfall führt der eigene Sachvortrag eines vorsätzlichen Bankrotts, begleitet durch eine Strafanzeige und entsprechende Verurteilung, was viele Jahre dauern kann, zum Leistungsausschluss. Gerade der Vorsatznachweis wird aber in den hier in Rede stehenden Antrag-Verschleppungsfällen immer sehr schwierig sein, insbesondere in den Covid-19 Pandemiefällen, die mit Auslauf der Schutzgesetze zur Anmeldepflicht auf die Konkursgerichte zurollen werden. Insoweit wird hier nicht nur auf Rechtsschutz eine Schadenwelle zulaufen, sondern auch auf D&O-Versicherer.

Fazit

Der BGH beendet einen Streit zugunsten der mitversicherten Organe einer GmbH in Bezug auf eine D&O Versicherung, verpflichtet indirekt andererseits alle Insolvenzverwalter zur Verfolgung dieser Ansprüche, um sich nicht selbst einer Haftung auszusetzen. Da hier diverse Strafrechtsnormen mit ins Spiel kommen, ist schon die Risikoträgertrennung D&O und Rechtsschutz im Sinne der alten Spartentrennung wegen möglicher Interessenkollisionen bei Vorsatzstraftaten und daraus folgenden Haftungsausschlüssen für den Versicherten und seine anwaltliche Interessenvertretung besonders wichtig.

Sich die Rechte aus einer D&O-Police des Unternehmens zu sichern, ist eine Fragestellung für den Dienstvertrag des Organs. Oder auch die Möglichkeit einer persönlichen D&O-Police für Geschäftsführer, deren Kosten sodann über die Vergütungsregelungen und vereinbarten Nebenleistungen (Versicherungspakete) dann zu berücksichtigen sein würden, ist eine Option aus Sicht der Geschäftsführer. Und auch das Wesen der D&O, zunächst mögliche Ansprüche gegen die versicherten Organe abzuwehren, stößt bei den Innenhaftungsfällen vielerorts auf Unkenntnis bzw. Unverständnis. Gar nicht bekannt ist, dass nicht substantiierte, aus der Luft gezogene Vorwürfe in Kündigungs- und Haftungsklageverfahren, am Ende auch die beauftragenden Aufsichtsräte oder Gesellschafter in die Haftung bringen können, oder gar - wie in einem Bankenfall - zu einer Verurteilung eines Aufsichtsratsvorsitzenden wegen Untreue zum Nachteil des Instituts führt, mit voller Regressierung aller Verfahrenskosten durch den Vorstand des Instituts.

Insgesamt ist aufgrund der hier im Ergebnis versichertenfreundlichen BGH-Entscheidung eine deutlich ansteigende Fallzahl von Gerichtsverfahren zur Geschäftsführerhaftung im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren zu erwarten, die dann aufgrund der strafrechtlichen Parallelverfahren einer besonderen anwaltlichen Betreuung und Steuerung (Koordinationsanwalt) bedürfen.

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Andererseits eröffnet die Entscheidung weitere Ansprache- und Vertriebschancen in Bezug auf den Spezial-Straf-Rechtsschutz als Unternehmens- oder auch Individuallösung, als auch den hier sehr wichtigen Anstellungsvertrags-Rechtsschutz, der ggf. durch eine Vermögensschaden-Rechtsschutzdeckung zur Schonung der D&O-Deckungssumme zusätzlich zugunsten des Vorstandes/Geschäftsführers abgeschlossen werden könnte. Hiermit wird deutlich, dass die ganzheitliche Risikobetrachtung noch mehr in den Fokus der Beratung zu D&O-, Vertrauensschaden- und Rechtsschutzversicherungen aus Sicht von Unternehmen und Unternehmensleitungen gestellt werden muss.

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