Veranlasst ein Manager Zahlungen nach der Insolvenzreife eines Unternehmens, kann der Insolvenzverwalter dieses Geld vom Manager zurückverlangen: Er haftet persönlich. Der Bundesgerichtshof musste sich nun mit der Frage auseinandersetzen, ob diese Zahlungen vom Versicherungsschutz einer D&O-Versicherung erfasst sind. Und er hat dies bestätigt - entgegen der bisherigen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte. Auf das Urteil macht aktuell die Kanzlei Wilhelm Rechtsanwälte aus Düsseldorf aufmerksam (Urteil vom 18. November 2020, Az. IV ZR 217/19).

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Zahlungen noch nach Insolvenzreife angeordnet

Im konkreten Rechtsstreit hatte ein Insolvenzverwalter 1,5 Millionen Euro von einem Managerhaftpflicht-Versicherer gefordert. D&O-Verträge schließen Firmen und Konzerne ab, um Manager und Entscheidungsträger persönlich gegen Haftungsrisiken abzusichern. Versicherungsnehmer ist in diesem Fall die Firma, geschützt jedoch die jeweils abgesicherte Person - die mit ihrem Privatvermögen haften würde, wenn falsche oder unrechtmäßige Entscheidungen der Firma oder Dritten einen Schaden verursachen.

Der Manager hatte Zahlungen auch dann noch angeordnet, als seine Firma bereits in die Insolvenz geschlittert war. Auch hierfür können Führungskräfte persönlich haftbar gemacht werden. Laut Paragraph 64 des GmBH-Gesetzes sind Manager „zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden“.

Muss die D&O-Versicherung aber für solche Zahlungen aufkommen, wenn der Insolvenzverwalter das Geld zurückfordert? Sowohl das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf als auch das OLG Frankfurt hatten Deckungsansprüche aus der Managerhaftpflicht abgelehnt. Die Begründung: Ansprüche aus §64 des GmbH-Gesetzes seien kein „gesetzlicher Haftpflichtanspruch auf Schadensersatz“ im Sinne der Versicherungsbedingungen, sondern ein Ersatzanspruch eigener Art.

Bundesgerichtshof hebt auf Verständnis des Versicherungsnehmers ab

Der Bundesgerichtshof aber folgte den Urteilen der Vorinstanzen nicht, wie Wilhelm Rechtsanwälte in einem Pressetext berichten. Denn ob es sich bei Ansprüchen gegen den Geschäftsführer um versicherte Schadensersatzansprüche im Sinne der Bedingungen handele, sei allein aus Sicht der durchschnittlichen versicherten Person zu beurteilen: in diesem Fall also aus Sicht des versicherten Managers.

Die versicherte Person wähne sich in ihrem Handeln gegenüber der Gesellschaft durch die D&O-Versicherung geschützt und könne den Unterschied eines üblichen Haftpflichtanspruchs zu Ansprüchen auf Grundlage des § 64 GmbHG nicht erkennen, hob der BGH hervor. Es komme demnach auf das Verständnis einer zwar geschäftserfahrenen, aber juristisch und versicherungsrechtlich nicht vorgebildeten Person an.

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„Ausgehend vom Wortlaut der Klausel und dem für ihn erkennbaren Zweck der D&O-Versicherung wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer/Versicherte entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts den Anspruch aus § 64 Satz 1 GmbHG auch als Schadensersatzanspruch im Sinne der Versicherungsbedingungen ansehen“, hoben die Karlsruher Richter hervor.

Nicht vornehmlich Interessen des Unternehmens, sondern des versicherten Managers geschützt

Der BGH hob einen weiteren Sachverhalt besonders heraus. Eine D&O-Versicherung würde nicht vornehmlich die Vermögensinteressen des Versicherungsnehmers schützen - also des Unternehmens, das einen solchen Vertrag abschließt. Sondern jene des versicherten und persönlich haftenden Managers.

"Die aktuelle BGH-Entscheidung hat große Auswirkungen auf die Managerhaftpflichtversicherung wie auch auf zahlreiche Insolvenzverfahren in Deutschland. Ansprüche des Insolvenzverwalters auf Grundlage des § 64 GmbHG gehören zu den am häufigsten verfolgten Ansprüchen gegen ehemalige Geschäftsführer insolventer Unternehmen", erklärt Rechtsanwalt Mark Wilhelm.

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Signalwirkung für Coronastreit um Betriebsschließungs-Policen?

Laut Wilhelm könnte das Urteil auch Auswirkungen auf andere Versicherungsarten haben - etwa auf den Streit um Betriebsschließungs-Versicherer. Das Gros der Anbieter weigert sich nach wie vor, Wirte und Gastronomen voll zu entschädigen, wenn sie infolge einer Corona-Allgemeinverfügung schließen mussten.

"Hier meinen die Versicherer und manche erstinstanzlichen Gerichte, dass es für einen Versicherten möglich ist, hoch komplexe Bedingungen in ihrer Detailtiefe verstehen zu können, obwohl es offenkundig selbst einer Vielzahl von Versicherungsexperten nicht möglich ist, eine klare Meinung zu den dortigen Regelungen zu finden", kommentiert Wilhelm. Das BGH-Urteile zeige aber, dass es bei der Auslegung, ob der Versicherungsschutz greife, nicht auf spitzfindige juristische Interpretationen ankomme - "sondern maßgeblich auf das Verständnis des Versicherten".

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