Versicherungsbote: Sie haben mit profino die vermutlich erste Online-Messe für Versicherungen in Deutschland gestartet. Was waren die Gründe, den Online-Kanal zu wählen? Und war das Echo positiv - oder gab es auch Startschwierigkeiten und Widerstände?

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Tilman J. Freyenhagen: Zunächst einmal ist hier zu betonen, dass Makler mit sehr vielen Gesellschaften zusammenarbeiten und natürlich noch mehr kennen müssen. Das bedeutet, dass ein typischer Makler-Alltag auch daraus besteht, sehr viele unterschiedliche Kommunikations- und Informationswege auf diversen Kanälen und Portalen zu bedienen und zu kennen. Zusätzliche Einladungen zu Roadshows, Messen und Weiterbildungen sind ebenfalls eher die Regel als die Ausnahme.

In der Vergangenheit fehlte hier eine zentrale, digitale Plattform, die es Maklern einfacher macht, sich zu vernetzen – und zwar einfach und intuitiv, mit einem Log-In und ohne Reisekosten, stets aufrufbar an 365 Tagen im Jahr. Sie sollte den Bedürfnissen eines Maklers entsprechen und so konzipiert sein, dass sie angepasst an das individuelle Nutzerverhalten stets weiterentwickelt wird. Das macht das Leben des Maklers einfacher, spart Zeit und Nerven. Und den Gesellschaften, die in der Messe vertreten sind, übrigens auch. Zu der Pre-Launch-Phase des Projektes haben zunächst eine Handvoll Versicherer zugesagt. Der Großteil war zu Beginn skeptisch bzw. zögerlich und wollte daher erstmal abwarten, ob eine digitale Plattform Chancen hat, sich durchzusetzen. profino ist zudem keine eingekaufte Software, sondern wurde mit 4 Millionen Code-Zeilen selbst programmiert und stets von unseren Entwicklern weiterentwickelt. Da wir mit einer Beta-Version gestartet sind, ist es verständlich, dass in der Startphase konservative Unternehmen zunächst abwartend reagiert haben.

Und ganz ehrlich: Wenn die Mutter Alsterspree nicht diese starke Reichweite auf allen digitalen Kanälen hätte, hätten wir es als bloßes Software-Start-Up wahrscheinlich nicht geschafft, unsere heutige Größe zu erreichen. Umso glücklicher sind wir über die hohe Relevanz, die profino heute im Tagesgeschäft der Makler hat.

... und wie wird profino mittlerweile angenommen? Können Sie Zahlen nennen?

Heute, nach drei Jahren durchgehenden Messebetriebs, sind wir die größte Informations- und Weiterbildungsplattform im Maklermarkt. profino hat über 23.000 vollregistrierte Nutzer. Wir haben allein in diesem Jahr über 60.000 Makler weitergebildet und aktuell über 80 Aussteller auf der Messehalle. Und profino wächst täglich.

Messen wie die DKM leben auch von persönlichen Begegnungen, von lieb gewonnenen Gimmicks wie Gewinnspielen und Mitbringseln und von den Abendveranstaltungen: Sie sind auch eine Art Rummelplatz mit Unterhaltungsprogramm. Geht das bei einer Online-Messe verloren? Oder wie kann man diese Momente ersetzen?

Der Rummel und die Zufallsbegegnungen lassen sich nicht digitalisieren. Dazu benötigt es weiterhin Kongresse und Messen. Jedoch konnten wir vor allem in diesen beiden Bereichen einen Rückgang beobachten – vor allem Zufallsbegegnungen mit einem Vorstands-Mitglied, Bereichsleiter oder Experten werden immer seltener. Grund hierfür ist, dass Messe- und Kongress-Besuche von Vorständen, Experten und Bereichsleitern oftmals durchgetaktet sind und sie nur selten Zeit haben, aus den Gesprächsboxen herauszutreten und das Gelände zu erkunden. Ihr vorrangiges Ziel ist es, eine Veranstaltung so effizient wie möglich zu nutzen. Meiner Meinung nach ist das ein Fehler, den ich selbst häufig gemacht habe. Daher hoffe ich, dass zukünftig Videocalls für die zugepflasterten Messetermine genutzt werden, sodass eine Offline-Messe wieder als Marktplatz, auf dem man sich spontan mit seiner Zielgruppe trifft und austauscht, dienen kann. Auch das Teilnehmer-Feedback nach solchen Veranstaltungen zeigt, dass die Gespräche in den Pausen oder am Abend oft am wertvollsten waren.

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Nun finden aber die Vortragsinhalte, die die Menschen zu den Veranstaltungen gezogen haben, zunehmend digital statt. Um einen wertvollen persönlichen Austausch zu fördern, benötigt es zukünftig neue Magneten, die die Reise zu einem Offline-Marktplatz wieder anziehend machen. Ich glaube daran, dass der klassische Messe-Rummel mit Cocktailbar, Powerbank-Weitwurf und stündlicher iPad-Verlosung weiter abnehmen wird. Und das ist auch gut so. Meiner Meinung nach leidet unter solchen Umständen häufig die Qualität des Messestandsbesuchs – vor allem für diejenigen, die wirklich an den Inhalten interessiert sind – und dadurch wird auch keine nachhaltige Bindung erzeugt.

profino ist Teil des Vermittleralltags geworden

Auf profino setzen wir zukünftig auf Fachkongresse. Für Kongresspartner bieten wir die Möglichkeit an, den Besuchern ihrer Workshops anschließend ein "Goode-Bag" mit relevanten Unterlagen, Ansprache-Kits und einem Give-Away ins Büro zu schicken. Unser Ziel ist es, die Online-Messe in dieser Lock-Down-Phase mit typischen Offline-Momenten zu verknüpfen und eine haptische Erinnerung in Form eines „Goodie-Bags“, das zusätzlich zur Nachbereitung des Kongresses dient, anzubieten.

... wie bewerten Sie allgemein die Zukunft von großen Präsenz-Messen im Versicherungs-Bereich? Corona dürfte eine ohnehin kriselnde Branche weiter unter Druck gesetzt haben.

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Zunächst sei gesagt: Wir betrachten Online-Messen seit Beginn als eine crossmediale Verlängerung von Offline- Veranstaltungen und weniger als Ersatz. Einfach deswegen, weil zum einen ein Makler-Jahr aus mehr als zwei Messetagen besteht und zum anderen, weil Offline-Messen auch immer nur ein bestimmtes regionales Einzugsgebiet an Besuchern haben. Digital erreicht man jeden Makler. Dennoch haben beide Formate eine Berechtigung, stehen aber in ihrer Ausrichtung nicht erst seit dem Ende der CeBIT unter Druck. Es müssen schlichtweg neue Ideen her. Ich glaube daran, dass es die DKM auch in Zukunft noch geben wird und das ist gut so. Ich erwarte, dass der Rummel abnehmen wird und die Stände kleiner werden. Versicherungskonzerne werden sich in Zukunft die Frage stellen, wie nachhaltig ein Messebesuch ist. Daneben werden digitale Kongresse, die auf ein paar Tage begrenzt sind, Offline-Events ersetzen. Man sieht bei den FondsFinanz-Messen, dass die Webinare laut Fonds Finanz gut besucht scheinen. Um den Vermittler zu qualifizieren, reicht das aus und das Vorgehen von Norbert Porazik ist auch nachhaltig. Profino ist nicht zu vergleichen mit einer DKM oder einer FondsFinanz-Messe. Wir haben 24/7 geöffnet und verstehen uns mehr als Weiterbildungs- und Informationsplattform denn als zeitlich begrenztes Event, welches für eine kurze Weile höchste Aufmerksamkeit auf sich zieht. Profino ist Teil des Vermittleralltags geworden, wie wir daran erkennen, dass Vermittler profino regelmäßig besuchen. Wäre ich Offline-Veranstalter, würde ich zukünftig einheitlichere Messestand-Konzepte verfolgen sowie die Standkosten nach Bilanzkennzahlen dotieren (Start-Ups zahlen bspw. für den gleichen Stand weniger als ein DAX-Unternehmen) und dabei auf wenige, aber starke und bekannte Redner und Panels setzen. Auch würde ich auf der Messe digitale Tools einsetzen, um Menschen und Unternehmen einfacher zu vernetzen, z.B. in Form von Beacons, Rundgängen und Trails mit Experten zu verschiedenen Themen. Auch eine Art Hardware-Lab, in dem die Besucher die neueste Technik der Zukunft ausprobieren könnten, fände ich spannend. So kann ein Offline-Messe-Comeback ab 2022 funktionieren.

Nach meinem Erachten würden verfrühte Versuche aufgrund der derzeitigen Lage scheitern. Die Sehnsucht nach einem Wiedersehen ist zwar da, jedoch ist die Unsicherheit und sind die damit einhergehenden unternehmerischen Planungsschwierigkeiten aktuell für die meisten Unternehmen zu ungewiss. Und die Reiseunlust ist noch zu groß. Es klappt im Moment einfach digital noch zu gut. Und die Experimentierfreude an digitalen Formaten ist derzeit zu groß, als dass man schon in wenigen Monaten in 2021 offline so weitermachen will wie früher. Zu einem späteren Zeitpunkt wäre ich auf jeden Fall bei einem veränderten Offline-Messe-Konzept wieder dabei und würde jede Veränderung unterstützen und dann auch hingehen.

Auch das Vernetzen spielt bei einer Messe eine Rolle. Welche Optionen gibt es bei profino, mit anderen Branchenvertretern oder gar Vorständen in Kontakt zu treten?

Wir planen, eine neu konzeptionierte Such- und Matching-Funktion für Besucher einzuführen, mit der sich bspw. Makler aus verschiedenen Regionen oder Fachbereichen ganz einfach online finden können. Und ebenfalls neu: Auf den Fachkongressen können sich dann auch Aussteller und Makler „matchen“ und anschließend dauerhaft vernetzen. Für schnelle Fragen (Maklerservice) gibt es einen Chat am Messestand, der über jedes Endgerät genutzt werden kann – auch per Sprachsteuerung.

Ist es schwerer oder leichter, „Aussteller“ für eine Online-Messe zu finden? Wie finden Sie zu den Partnern und Firmen, die bei Ihnen Angebote platzieren?

Zugegebenermaßen war es am Anfang recht schwer. Daher gilt unser Dank vor allem den Unternehmen, die unserer Vision vertraut und quasi bereits die Idee dahinter gebucht haben: KS AUXILIA, INTER, Gothaer, um die ersten drei dankend hervorzuheben. Heute fehlen nur noch wenige große Aussteller auf profino – und mit denen sind wir bereits im Gespräch. Dabei sind die Hauptgründe für eine Nicht-Teilnahme fehlende Ressourcen, eine skeptische Betrachtung der digitalen Verlängerung von Maklermessen oder auch die Maklerbetreuung, die profino als disruptiv ansieht – was sie definitiv nicht ist. Im Gegenteil. Nicht ohne Grund wählt profino regelmäßig den „Maklerbetreuer des Jahres“ – das Zusammenspiel zwischen profino und der persönlichen Betreuung macht eine ganzheitliche und segmentierte Maklermarktbearbeitung erst möglich. Ich bin der Auffassung, dass wir in ein bis zwei Jahren mit über 100 Ausstellern komplett sein werden. Dabei sind uns aktive Aussteller lieber als passive. Ein Roll-Up und zwei Stehtische machen ja auch keinen Offline-Messestand zum Publikumsliebling. Daher sollten auch Webinar-Workshops und regelmäßiger Content für einen messbar erfolgreichen Online-Messestand angeboten werden. Unsere Ausstellerberatung und der Bereich Corporate Publishing bei Alsterspree unterstützten hier sehr gerne.

Wie Makler in Zukunft Bestände gewinnen

Können Sie uns einen Einblick geben, wie viel personeller und organisatorischer Aufwand notwendig ist, eine Plattform wie profino zu unterhalten?

Für die Entwicklung und Gewinnung der 23.000 Nutzer von profino haben wir eine siebenstellige Investitionssumme getätigt. profino ist unabhängig und ohne Fremdkapital vom Alsterspree Verlag aufgebaut worden. Insgesamt 28 Mitarbeiter arbeiten tagtäglich für den Erfolg von profino: Redakteure, Akademie-Mitarbeiter, Online-Marketing-Manager, Entwickler, Vermarkter, Designer. profino hat sich vor allem durch diesen Einsatz zu einem für uns sehr relevanten und starken Geschäftsbereich entwickelt.

Legen Sie Wert auf unabhängige Inhalte bei der Weiterbildung – oder gibt es auch Produktschulungen von Anbietern bei profino? Wir wissen, dass die Frage, ob Produktschulungen als Weiterbildung zu werten sind, gerade in der Maklerbranche kontrovers diskutiert wird.

Zunächst möchte ich an dieser Stelle betonen, dass auch unsere Aussteller objektiven Content liefern und regelmäßig auf neutrale Referenten setzen. Unsere Aussteller wissen schließlich auch, dass Content für die Teilnehmer umso interessanter ist, desto unabhängiger er gestaltet ist. Darüber hinaus wird jedes Webinar vorab durch unsere Akademie-Leitung nach den IDD-Anforderungen auf Inhalt und Dauer geprüft. Werden die Anforderungen nicht erreicht, benötigt es Anpassungen. Zusätzlich bucht profino unabhängige Referenten, die den Makler bei der Beratung und Unternehmensführung unterstützen, denn der richtige Mix zählt. Am Ende entscheiden Markt und Makler selbst, ob die Webinar-Inhalte für eine objektive Beratung nutzbar sind oder nicht. Indem er sich anmeldet oder nicht.

Auch wenn Sie sich „Messe“ nennen, so sind Sie ja mittlerweile ein umfassendes Online-Netzwerk mit Vorträgen, Weiterbildungs-Veranstaltungen, Diskussionsrunden etc., die – bitte korrigieren Sie mich – ganzjährig genutzt werden können: vielleicht eine Mischung aus Akademie und Meeting Point. Gibt es Pläne, das Angebot künftig noch weiter auszubauen?

Der Vergleich ist gut. Ja, durch die Ganzjährigkeit können wir Maklern den Content genau dann zur Verfügung stellen, wenn er ihn auch benötigt. Dies ist auch hinsichtlich der Einarbeitung neuer Makler ein erheblicher Vorteil. Fängt ein neuer Kollege im Maklerbüro an oder ein noch junger Makler baut seine fachliche Expertise aus, kann er sich einfach und flexibel Informationen und Weiterbildungen zu einem gewünschten Thema als eine Art „Ausbildungstrail“ anschauen. Das fördert den Nachwuchs im Maklermarkt.

Zur Weiterentwicklung: Wir verfolgen eine klar definierte Agenda in Zusammenarbeit mit unseren Entwicklern mit dem Ziel, profino stets noch besser zu gestalten. Bald launchen wir im wichtigen Messemonat Oktober die neuen profino Fachkongresse, die wir ab dann jeden Monat, angelehnt an die relevantesten Themen, veranstalten werden. Hier werden wir fachlich weiter in die Tiefe gehen und Themen noch umfassender betrachten, als es im Regelbetrieb möglich ist. Mit Podiumsdiskussionen, Key-Notes, Experten-Talks, Webinar-Workshops, Makler-Matching, Goodie-Bags und vielem mehr.

Was werden aus Ihrer Sicht wichtige Zukunftsthemen für Versicherungsmakler und -vermittler sein? Vielleicht ausnahmsweise einmal mit Ausnahme der Digitalisierung.

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Die Professionalisierung vom selbstständigen Makler zum Unternehmer. Weniger Makler werden zukünftig mehr Kunden betreuen. Durch das Wachstum benötigt es Prozesse, Spezialisierung auf Sparten oder Zielgruppen, unternehmerisches Know-how, Steuer- und Rechtsberatung, Datenschutz und moderne Kundenkommunikation bei der Gewinnung und Betreuung von Kunden. Wer diese Aufgaben erfüllt, der wird Bestände gewinnen – ob durch einen Kauf oder Neukunden. Der wird erfolgreicher und wird den Maklerberuf als solchen erstrebenswerter machen – auch für den Nachwuchs. profino wird als größte Informations- und Weiterbildungsplattform ein Stückchen dazu beitragen.

Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin

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