Die Anklage lautete auf fahrlässige Trunkenheit im Verkehr. Folgt man nun aber dem Hinweis des Oberlandesgerichts, wird der Mann wohl trotz des hohen Blutalkoholwerts freigesprochen. Damit folgt das Gericht den Vorinstanzen. Denn schon Amts- und Landgericht gingen auch bei E-Bikes von dem höheren Grenzwert für Fahrräder aus – und sprachen in ihren Urteilen deswegen den Mann von der Anklage frei. Das E-Bike wurde demnach nicht als Kraftfahrzeug im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) gewertet, sondern nur als muskelbetriebenes Fahrzeug – eben vergleichbar einem Fahrrad.

Anzeige

Staatsanwaltschaft: In der medizinischen Beweispflicht

Die Urteile der Vorinstanzen wollte die Staatsanwaltschaft allerdings nicht in Kauf nehmen und legte Revision vor dem Oberlandesgericht in Karlsruhe ein. Ein ungewöhnlicher Schritt, wenn man bedenkt: Paragraf 1 Abs. 3 Straßenverkehrsgesetz (StVG) zählt E-Bikes mit bestimmten technischen Eigenschaften ausdrücklich nicht zu den Kraftfahrzeugen. Allerdings muss der elektrische Antrieb zum Beispiel bei 25 km/h gedrosselt sein, was aber auf das E-Bike des Mannes zutraf.

Die Staatsanwaltschaft meinte für die Anklage aber, getrennte Richtlinien für Straßenverkehrsgesetz und Strafgesetzbuch annehmen zu dürfen. Und der Grenzwert für absolute Fahruntauglichkeit spielt für die Anklagestrategie eine wesentliche Rolle – die Anklage hätte nur dann Erfolg, wenn die Staatsanwaltschaft durch wissenschaftliche Gutachten nachweisen kann: Für E-Bikes muss allgemein ein geringerer Promillewert gelten als für Fahrräder, da hier schon zeitiger die absolute Fahruntauglichkeit eintritt. Dieser Beweis, bei dem der Grenzwert stets den medizinisch verallgemeinerbaren Maximalwert angibt, gelang nach jetzigem Stand jedoch nicht. Mit Hinweisbeschluss zeigt der zuständige Senat des Gerichts: Er plant, den Freisprüchen der Vorinstanzen zu folgen.

Hinweisbeschluss: Kein rechtskräftiges Urteil

Der Hinweisbeschluss allerdings ist noch nicht rechtskräftig – die Verfahrensbeteiligten erhalten Gelegenheit zur Äußerung innerhalb einer bestimmten Frist. So kann die Staatsanwaltschaft das Urteil der Vorinstanzen noch angreifen. Solange der Staatsanwaltschaft aber nicht der medizinisch verallgemeinerbare Beweis gelingt, dass für E-Bikes der Grenzwert zu hoch ist, gilt für E-Bikes das Gleiche wie für Fahrradfahrer – ein hoher Grenzwert von 1,6 Promille.

Was aber gilt bis dahin? Können nun E-Bike- Fahrer oder Fahrradfahrer fröhlich trinken, um dann in Schlängellinien nachhause zu radeln? Nicht ganz. Denn zwar gibt es für Fahrrad- und E-Bike- Fahrer – anders als für Kfz-Fahrer – keine Rechtsnorm für eine Ordnungswidrigkeit. Man sollte allerdings nicht die Gefahr unterschätzen, aufgrund einer relativen Fahruntauglichkeit zur Verantwortung gezogen zu werden.

Zwar: Zur Anklage wegen Trunkenheit im Straßenverkehr reicht bei relativer Fahruntauglichkeit der Promillewert allein nicht aus. Kommen aber andere Anzeichen für Fahruntauglichkeit hinzu, Schlängellinien zum Beispiel, kann der Fahrradfahrer wie auch ein PKW-Fahrer schon ab 0,3 Promille vor Gericht zur Verantwortung gezogen werden... und hat sich im schlimmsten Fall mit wesentlich geringeren Werten als 1,6 Promille strafbar gemacht. Der Angeklagte vor dem OLG Karlsruhe hatte nur Glück, dass ein solcher Beweis relativer Fahruntüchtigkeit der Staatsanwaltschaft bisher nicht gelang.

Gibt es aber ab 0,3 Promille weitere Anzeichen einer relativen Fahruntüchtigkeit, drohen alle Folgen, die das Strafgesetzbuch für Trunkenheitsfahrten vorsieht. Und auch für den Versicherungsschutz kann Ungemach drohen, wenn man alkoholisiert auf das Fahrrad oder E-Bike steigt. Schließen doch zum Beispiel viele Anbieter privater Unfallversicherungen – über die Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen (AUB) – Unfälle vom Versicherungsschutz aus, die durch Bewusstseinsstörungen in Folge von Alkoholkonsum verursacht wurden. Der Hinweisbeschluss ist auf denSeiten der Landesrechtsprechung Baden-Württemberg verfügbar.


vorherige Seite
Seite 1/2/3/

Anzeige