Hans-Peter Schwintowski: Diesen Kompromiss kann ich sehr schlecht bewerten: einfach deshalb, weil ich nicht weiß, wie die Vertragsbedingungen, über die in Bayern verhandelt wurde, tatsächlich aussahen. Ich würde empfehlen, dass jeder Kunde seine eigene Police genauestens anschauen sollte. Wenn danach eine Leistung in voller Höhe über einen längeren Zeitraum geschuldet ist, dann sollte der Kunde den Anspruch, den er hat, auch einfordern. Der Kompromiss bezieht sich ja nicht auf die Ebene des einzelnen Kunden, sondern auf das Verhältnis der Bayrischen Landesregierung zu den Versicherern.

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Eine Öffnungsklausel in Betriebsschließungs-Policen dürfte meines Wissens bewirken, dass Versicherer auch für nicht benannte Krankheiten nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG) nun zahlen müssen. Besteht für Versicherungsmakler nun ein Haftungsrisiko, wenn sie Gewerbekunden einen Vertrag empfahlen, der keine solche Klausel beinhaltete - etwa wegen Falschberatung?

Ich glaube, eine solche Haftungsgefahr besteht nicht. Zunächst einmal ist schon fraglich, ob wir es mit einer Öffnungsklausel zu tun haben, oder ob es nicht tatsächlich so ist, dass das Infektionsschutzgesetz schon immer potentiell vergleichbare Fälle - und damit auch Corona - umfasste. Darüber hinaus aber müsste man einem Makler vorwerfen können, dass er das Corona-Risiko hätte voraussehen können und müssen. Schließlich müsste man dem Makler nachweisen, dass es Versicherungsschutz mit oder ohne Öffnungsklausel am Markt gab - und dass er darüber hätte nachdenken und beraten müssen.

Allianz-Chef Oliver Bäte warb im Spiegel für einen Rettungsfonds, in den künftig sowohl die öffentliche Hand als auch private Versicherer einzahlen. Er soll aufkommen, wenn so hohe Kosten entstehen, dass es die private Versicherungswirtschaft überfordern könnte: etwa bei Pandemien und Naturkatastrophen. Wie bewerten Sie den Vorstoß? Gibt es bereits die gesetzlichen Voraussetzungen für einen solchen gemeinsamen Schutzschirm?

Den Gedanken von Allianz-Chef Bäte finde ich gut und nachvollziehbar. Pandemien und Naturkatastrophen betreffen uns alle gleichermaßen, sie sind kaum vorhersehbar und schon gar nicht steuerbar. Gegen Risiken dieser Art kann man sich nicht angemessen versichern: und zwar deshalb, weil sie unkalkulierbar sind. Dennoch müssen wir alle zusammen diese Risiken tragen. Die Konsequenz daraus lautet: Wir schaffen uns einen gemeinsamen Rettungsschirm, der aus Mitteln der öffentlichen Hand und der Privatwirtschaft gebildet wird - und dieser Schirm trägt uns dann so einigermaßen durch die Katastrophe.

Der Nobelpreisträger Milton Friedman hat genau dieses mit Blick auf die Weltwirtschaftskrise des Jahres 1929 entwickelt und gefordert, dass die Fehler, die damals gemacht wurden, in der heutigen Zeit nicht wiederholt werden dürfen. Eine Krise dieser Art können wir nur gemeinsam durchstehen: Das heißt, wir müssen sie auch gemeinsam finanzieren. Wenn wir das tun, werden wir alle mit Blessuren aus der Krise herauskommen, aber: wir werden insgesamt die Krise meistern und die Verluste werden für jeden Einzelnen erträglich sein.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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