Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) sieht die deutschen Lebensversicherer gut gerüstet für die Coronakrise. Die Lage sei für die Gesellschaften insgesamt beherrschbar, sagte Frank Grund, Exekutivdirektor für die Versicherungsaufsicht, am Dienstag der „Börsenzeitung“.

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“Das liegt an den Maßnahmen, die die Branche schon vorher getroffen hat, aber auch daran, dass das Aufsichtsregime Solvency II robust genug ist”, so Grund. So würden die Anforderungen der Finanzaufsicht ausreichend flexibel sein, um auf die Krise reagieren zu können. “Die Lage ist für die Branche nicht existenzbedrohend.”

Solvenzquoten nur gering betroffen

Ein Grund für die Krisenfestigkeit ist, dass der Gesetzgeber die Lebensversicherer infolge der Finanzkrise von 2008 verpflichtet hat, Risiken abzubauen und mehr Eigenmittel vorzuhalten. Jährlich müssen sie der Finanzaufsicht - und auch der Öffentlichkeit - Bericht über ihre Solvenz erstatten: stark vereinfacht, ob die Versicherer einen ausreichend großen Kapitalpuffer besitzen, um alle Zusagen an die Kunden auch langfristig erfüllen zu können (SFCR-Berichte). Allerdings dürfen die Versicherer aktuell noch mit erleichterten Übergangshilfen rechnen.

Die Stabilität wird mittels sogenannter Solvenzquoten ausgewiesen, wobei für die BaFin aktuell die Bruttosolvenzquote (SCR-Quote) relevant ist. Hier sind die Übergangsmaßnahmen bereits eingerechnet: zum Beispiel dürfen die Versicherer Anleihen höher bewerten, wenn sie vorübergehend an Wert verlieren, aber zu einem fest vereinbarten Ablaufwert später wieder verkauft werden. Der Wertverlust ist dann nur scheinbar vorhanden. Die Lebensversicherer müssen diese Solvenzquote über 100 Prozent halten - sonst kann die Finanzaufsicht eingreifen und Maßnahmen verlangen, damit der Versicherer seine Solvenz verbessert.

Auf diese Solvenzquoten hat die Coronakrise aktuell keinen allzu großen Einfluss, wie Frank Grund erklärte. Eine Sonderabfrage bei ausgewählten Lebensversicherern habe ergeben, dass die Solvenzquoten wegen der Corona-Krise “mindestens im unteren bis mittleren zweistelligen Prozentpunktebereich sinken”, so der Chef der Versicherungsaufsicht. Das Entscheidende aber sei: „Diese Reduzierung führt nach unserer Erhebung bei keinem Unternehmen zu einer Unterdeckung”, so Grund. Die aufsichtliche Solvenzquote der deutschen Lebensversicherer lag zum 31.12.2019 im arithmetischen Durchschnitt bei 448,35 Prozent.

Starke Spreizung des Marktes

Bei allem Optimismus gilt es aber zu relativieren: Schon der anhaltende Niedrigzins an den Kapitalmärkten hat den Lebensversicherern sehr zugesetzt. Der Markt zeigt eine große Spreizung der Anbieter: und Gesellschaften, die durchaus Probleme haben. So stehen 20 Lebensversicherer unter intensivierter Aufsicht der BaFin, weil sie die Solvenzanforderungen der Finanzaufsicht nicht erfüllen können, wie Frank Grund im Februar dem Versicherungsboten berichtete. Schon damals, vor der Coronakrise, prognostizierte er, dass die Zahl weiter steigen werde.

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Aufhorchen lässt zusätzlich eine aktuelle Auswertung der Zeitschrift "Finanztest". Von 31 untersuchten Lebensversicherern schafften es demnach 13 Anbieter nicht, in den Jahren 2016, 2017 und 2018 ihre garantierte Verzinsung mit den eigenen Kapitalerträgen zu erwirtschaften. Der Fehlbetrag habe je nach Versicherer zwischen 300.000 Euro (Ergo Vorsorge) und 226 Millionen Euro (Debeka) gelegen. Um die Garan­tien zu erfüllen, mussten diese Assekuranzen Geld aus Reserven oder aus Risiko­-­ und anderen­ Überschüssen beisteuern.

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