Der Leipziger Maklerpool Invers GmbH hat sich mit einem offenen Brief am Donnerstag an die Politik gewandt, in dem sie sowohl das Krisenmanagement von Bund und Ländern als auch die Versicherer kritisieren. Vor allem kleine Unternehmer mit mehr als zehn Mitarbeitern würden nun nicht ausreichend Hilfen bekommen, so ein wichtiger Standpunkt aus dem Papier. Adressiert ist der Brief unter anderem an Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), aber auch an sächsische Politiker.

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Kreditlast statt „wirklicher“ Hilfen

Invers begründet den Vorstoß damit, dass sie als Maklerpool Kontakt zu über 3.300 Firmen selbständiger Versicherungsmakler und freier Finanzanlagenvermittler unterhalten: Viele von ihnen betreuen Gewerbekunden, die sich nun mit ihren Problemen an die Makler wenden. Speziell Firmen mit über 10, aber weniger als 250 Mitarbeitern würden die sogenannten Hilfspakete aber nur unzureichend berücksichtigen. Unterschrieben ist der Brief von Geschäftsführer Michael Buth und Hauptgesellschafter Udo Rummelt.

Zwar gebe es die Soforthilfe für Solo-Selbstständige und Kleinstbetriebe, die -abhängig von ihrer Größe- bis zu 15.000 Euro ausgezahlt bekommen. Doch diese dürfen nur Firmen mit bis zu zehn Mitarbeitern in Anspruch nehmen. Zudem werde diese Hilfe der Einkommens- und Körperschaftssteuer unterworfen, was bedeute, dass diese eben Gelder eben nicht vollständig genutzt werden könnten, um die Not zu lindern.

Anders hingegen jene Firmen, die mehr als zehn Mitarbeiter beschäftigen. „Wir haben in diesem Bereich keine Hilfen, sondern nur Darlehen finden können“, kritisiert der Maklerpool. Darlehen aber müssten zurückgezahlt werden - „Glauben Sie tatsächlich, dass gerade die Kleinst- und Kleinunternehmer sowie die mittelständischen Unternehmen in Zeiten nach der Krise einen extrem gestiegenen Umsatz haben werden, der es ihnen ermöglicht die Darlehen zurückzuzahlen?“, fragen die Verfasser an die Adressaten des offenen Briefes gerichtet.

Schalter auf "Null" gestellt

Mit Blick auf die Kreditlast gelte es auch zu bedenken, dass der wirtschaftliche Schalter in vielen Betrieben auf „Null“ gestellt sei - und mit Anlaufschwierigkeiten zu rechnen, wenn nach und nach das wirtschaftliche Leben wieder hochgefahren werde. Mit anderen Worten: Es ist keineswegs selbstverständlich, dass die Firmen sofort wieder den selben Umsatz machen wie vor dem Lockdown. Stattdessen ist bei vielen Gewerbetreibenden zunächst mit zusätzlichen Kosten und sinkenden Einkünften zu rechnen, bevor sie altes Niveau erreichen können: Dann fällt es schwer, zusätzliche Schulden abzuzahlen.

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Nun könnte man einwenden, dass die Politik den Unternehmen mit dem Kurzarbeitergeld entgegen kommt: Doch auch hier hat Invers Einwände. „Ist Ihnen klar, dass vielen Gewerbetreibenden nicht bekannt ist, dass das Kurzarbeitergeld inklusive des neu berechneten Lohns und der entsprechenden Steuern und Sozialabgaben vom Arbeitgeber an den Arbeitnehmer zu zahlen ist und dass der Arbeitgeber erst im Nachhinein und bei Anerkenntnis durch die Agentur für Arbeit das Kurzarbeitergeld und die Sozialabgaben (diese nur derzeit) zurück erstattet bekommt?“, heißt es in dem Brief. Zu bedenken ist auch, dass die Unternehmer laufende Kosten weiter bedienen müssen - etwa für Mieten, Leasingraten, laufende Kredite etc.

Betriebsschließung - harte Kritik an Versicherern

Auch zur aktuellen Debatte um Betriebsschließungsversicherungen äußert sich die Invers GmbH in ihrem offenen Brief. Und übt indirekt scharfe Kritik an den Versicherern.

Der Hintergrund: Eigentlich greift eine solche Police auch, wenn eine Firma aufgrund behördlicher Maßnahmen im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) dichtmachen muss: zumindest, wenn ein entsprechender Baustein inkludiert ist. Aber viele Versicherer wollen nun nicht zahlen, weil das neue Coronavirus COVID-19 nicht namentlich im Vertrag genannt wird. Kein Wunder: Das Virus ist eben neu. Und wurde erst im Januar 2020 vom Bundesgesundheitsministerium in das Infektionsschutzgesetz aufgenommen. Folglich fehlt es in Altverträgen. schon jetzt einen Image-GAU für die Branche.

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"Begründungen für Absagen teils haarsträubend!"

Die ablehnende Haltung der Versicherer waren in den letzten Tagen mehrfach Thema in den Medien: Sie bedeutet schon jetzt einen Image-GAU für die Branche. Die Versicherer stehen wiederholt als Neinsager und Wegducker da: in einer Zeit, in der viele andere Menschen Solidarität zeigen.

Versicherungsmakler und Maklerverbände wie der BDVM waren mit die ersten, die auf dieses Problem aufmerksam machten: auch, um ein Umdenken der Versicherer zu bewirken. Denn ob die Argumente vor Gericht bestand haben, ist noch gar nicht erwiesen. Viele Verträge haben zum Beispiel auch sogenannte Unbenannte Gefahren mitversichert, die in diesem Fall greifen könnten.

Auch der Maklerpool Invers bezieht nun eindeutig Position und stellt sich auf die Seite der Gewerbekunden. "Einige Unternehmensbereiche (so z.B. Gaststätten/Restaurantbetriebe, aber auch andere) haben Betriebsschließungsversicherungen bei Versicherern abgeschlossen. Viele dieser Versicherer verweigern nun aus verschiedensten Gründen die Leistung. Die Begründungen sind teils haarsträubend und wir wollen diese hier im Einzelnen nicht aufführen", heißt es in dem offenen Brief.

Versicherer als Neinsager? Mit solchen Schreiben an Gewerbekunden versuchen Versicherer gerade, eine Leistung bei Betriebsschließungen infolge der Corona-Pandemie zu verhindern.twitter.com

Politik soll versicherte Schäden übernehmen - und dann mit Versicherern streiten

Das Schreiben der Leipziger ist aber nicht an die Versicherer adressiert, sondern an die Politik. Und so hat man auch an die politischen Entscheidungsträger eine Forderung: "Werden Sie für Gewerbetreibende, die vorausschauend mit einer Betriebsschließungsversicherung vorgesorgt haben und deren Versicherer nun nicht leisten will, gegen Abtretung der Schadenersatzansprüche ersatzweise die Versicherungsleistung erbringen (ohne Rückzahlungspflicht für den Versicherungsnehmer) und sich dann Ihrerseits mit den Versicherern selbst auseinandersetzen?".

Es sei ein offenes Geheimnis, dass vom Ausgang der Sache in vielen Fällen das Überleben der betroffenen Firmen abhänge und damit die soziale Sicherheit und Existenz der dort arbeitenden Beschäftigten und Selbständigen, schreibt der Maklerpool. Und fragt provokativ: "Was werden Sie tun?"

Ärgerlich ist das Nein der Assekuranzen auch deshalb, weil sie nach Experten-Schätzungen keine hohen Kosten fürchten müssen. Ohnehin sind die Policen ein Nischenprodukt, weniger als jede vierte Firma besitzt einen solchen Schutz. Zudem ist die Leistung in der Regel bei einer Höchstsumme gedeckelt und auch zeitlich begrenzt. Der Maklerverband BDVM hat vorgeschlagen, dass die Branche einen Hilfsfonds über 200 Millionen Euro einrichtet, um die Ansprüche zu bedienen: einen solchen gibt es etwa in Frankreich (der Versicherungsbote berichtete).

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"Sorgen Sie für echte Hilfen!"

Der Maklerpool Invers sieht ob der angesprochenen Probleme deutlichen Nachbesserungsbedarf bei den Corona-Hilfspaketen von Bund und Ländern. "Sorgen Sie dringend und ohne Zeitverzug für echte und ausreichende Hilfen an Kleinst- und Kleinunternehmer sowie an mittelständische Unternehmen mit mehr als zehn, aber weniger als 250 Mitarbeitern!", lautet ein Fazit des offenen Briefes. Diese Hilfen sollen "im jeweiligen Einzelfall nicht einer Vorprüfung, sondern vielmehr einer Nachprüfung zum späteren Zeitpunkt unterworfen werden!" Das könne etwa über die Steuererklärung oder Bilanzierung der betroffenen Firmen erfolgen.

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