Versicherungsbote: Helpcheck hat sich darauf spezialisiert, Versicherten zu helfen, die sich von einer Lebensversicherung nach dem Policenmodell trennen wollen: zwischen 1994 und 2007 wurden die Verträge vermittelt. Wurde der Kunde unzureichend über sein Widerspruchsrecht informiert, kann er laut BGH eine Rückabwicklung verlangen. Warum lohnt sich das aus Ihrer Sicht für den Kunden — und warum lohnt sich das Modell für Sie?

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Peer Schulz: Für uns lohnt es sich nur, wenn es sich auch für den Kunden lohnt, da wir rein erfolgsabhängig vergütet werden. Bei einer erfolgreichen Rückabwicklung erhalten Versicherungsnehmer einen Großteil ihrer eingezahlten Beiträge zurückerstattet und zusätzlich eine Nutzungsentschädigung. Dies kann in einigen Fällen das Doppelte von dem sein, was man gegenüber einer Kündigung erhalten würde. Ebenso ist ein Widerruf auch bei bereits gekündigten Verträgen rückwirkend möglich, hier erhalten Versicherungsnehmer also auch eine Rückerstattung.

Können Sie Zahlen nennen? Wie viel Verträge betreuen Sie bereits — und wie hoch ist die Erfolgsquote?

Bisher haben wir 20.000 Fälle bearbeitet. Bei einigen Versicherungen sind wir bereits im außergerichtlichen Bereich bei einer Einigungsquote von 80 Prozent, bei anderen Versicherern müssen wir zusammen mit unseren Partnerkanzleien jedes Mal vor Gericht ziehen.

Sie arbeiten mit Fachanwälten zusammen. Können Sie einen kurzen Einblick geben, wie die Zusammenarbeit aussieht? Wo finden Sie Ihre Partner?

Wir verstehen uns als Service-Center für unsere Partneranwälte, indem wir mit Hilfe von eigens entwickelten intelligenten IT - Lösungen (Legal Tech) die tägliche Arbeitsweise eines Anwaltes und die gesamte Kanzleiorganisation effizienter und besser gestalten.

…und wie lange brauchen Sie, um einen Vertrag juristisch und finanziell zu prüfen? Innerhalb welcher Frist kann der Kunde auf Antwort hoffen?

Jeder einzelne Vertrag durchläuft ein zweistufiges juristisches Prüfungsverfahren, wird also im 4-Augen-Prinzip von zwei Anwälten auf Fehler geprüft. So können wir einen gleichbleibend hohen Qualitätsstandard für jeden Kunden garantieren. Parallel wird der Vertrag im Hintergrund finanzmathematisch berechnet. Hier entstehen nach erster Sichtung oft Rückfragen, sodass wir noch einmal mit unseren Kunden sprechen müssen um ein korrektes Ergebnis zu erhalten. Dieser Prozess dauert in der Regel nicht länger als eine Woche.

Viele Versicherer stellen sich bei der Rückabwicklung nach dem Policenmodell noch immer quer. Ein bisschen verwunderlich, da sie ja auch unter den hochverzinsten Garantie-Altverträgen leiden: diese binden Eigenkapital und belasten die Bilanzen. Manche Versicherer haben ihre Altbestände in den Run-off gegeben. Ihre Vermutung: Warum „bockt“ die Branche bei der Rückabwicklung?

Grundsätzlich kann sich auch der Widerruf eines Vertrages mit einem Garantiezins für den Versicherungsnehmer lohnen, da die Zinsen bei einer Rückabwicklung auf Basis der Nettorendite berechnet werden - und diese ist oft deutlich höher als der Garantiezins. Was genau die Strategie der Versicherer ist, lässt sich nur vermuten - generell merken wir jedoch, dass unsere Einigungsquote über die letzten Jahre und insbesondere die letzten Monate kontinuierlich gestiegen ist.

Gibt es Unterschiede bei den Lebensversicherern, etwa Anbieter, bei denen die Erfolgschancen geringer und bei denen sie höher sind? Eine Rückabwicklung ist ja nur erfolgreich, wenn der Versicherer beim Widerspruchsrecht patzte.

Definitiv. Gerne möchten wir hier ein positives Beispiel nennen: Die Zurich hat ihre Kunden in den meisten Fällen korrekt belehrt.

Die Nürnberger Versicherung hat Sie aufgrund Ihres Geschäftsmodells verklagt, weil Sie als Versicherungsberater eine unerlaubte Rechtsberatung erbringen würden. Wie bewerten Sie diese Klage?

Wir sind zugleich auch eingetragener Rechtdienstleiser nach 10 Abs. 1 Nr. 1 des Rechtsdienstleistungsgesetzes (RDG). Hier hat der BGH jüngst entschieden, dass Inkassounternehmen Rechtsberatung erbringen dürfen. Da wir noch nicht einmal so weit gehen, sondern die Ansprüche ausschließlich von externen Partnerkanzleien durchsetzen lassen und lediglich Software und Marketingdienstleistungen für diese erbringen, können wir der Argumentation der Nürnberger nicht folgen.

Zwar hat der Bundesgerichtshof gerade entschieden, dass Legal Techs als Inkassodienstleister tätig werden dürfen. Aber Helpcheck sei "im Impressum nicht als Inkasso-Unternehmen, sondern als Versicherungsberater ausgewiesen“, sagte eine Sprecherin der Nürnberger Versicherung laut RP Online. Erbringen Sie eine Rechtsberatung? Wenn nein: Was ist der Schwerpunkt Ihres Geschäftsmodells?

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Diese Behauptung ist schlichtweg falsch, da wir seit unserer Eintragung im Rechtsdienstleistungsregister dies seit mehr als zwei Jahren auch so im Impressum ausweisen.

Anmerkung Redaktion: Ein Sprecher der Nürnberger hat inzwischen korrigiert, dass der Vorwurf, Helpcheck sei im Impressum nicht als Inkassodienstleister tätig, so nicht zutreffe und fehlerhaft kommuniziert worden sei. Klagegrund sei ein anderer: „Helpcheck ist als Versicherungsberater tätig. Diesen hat der BGH verboten, Erfolgshonorare zu vereinbaren. Hierüber setzt Helpcheck sich hinweg“, teilte der Sprecher schriftlich dem Versicherungsboten mit.

...der Widerruf eines Vertrages kann sich lohnen

Versicherungsbote: Ein genereller Kritikpunkt gegen Legal Techs: Versicherer und auch Unternehmen anderer Branchen kritisieren, dass Legal Techs sie mit einer Welle an Verbraucherklagen überziehen könnten: egal, ob die Ansprüche berechtigt sind oder nicht. Das ermögliche die standardisierte Abarbeitung von Klagen mittels intelligenter IT, bedeute aber für die verklagten Firmen Mehrkosten und binde Mitarbeiter. Was entgegnen Sie auf diesen Vorwurf als Legal Tech?

Peer Schulz: Dies ist bei uns grundsätzlich anders, da wir rein erfolgsbasiert arbeiten und unberechtigte Ansprüche uns nur zusätzliche Arbeit bereiten würden, von welchen weder der Kunde, noch wir, profitieren würden.

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Ein weiterer Kritikpunkt speziell gegen Ihr Geschäftsmodell: Sie verdienen nur am Kunden, wenn dieser seine Lebensversicherung tatsächlich rückabwickelt. Selbst die Verbraucherzentrale macht darauf aufmerksam, darin könnte ein Fehlanreiz bestehen, Kunden zum Abstoßen eines lukrativen Leben-Vertrages zu raten, zumal mit heutigen Policen nicht annähernd so hohe Garantien gewährt werden. Ist die Kritik nicht auch gerechtfertigt?

Wie bereits erwähnt, kann sich auch der Widerruf eines Vertrages mit Garantiezins lohnen, da dem Versicherungsnehmer eine Nutzungsentschädigung basierend auf der Nettorendite des Versicherungsunternehmens zusteht und diese ist oft deutlich höher als der Garantiezins. Zudem beauftragen uns Kunden beim Einreichen des Vertrages nicht direkt, sondern erhalten vorab eine kostenlose rechtliche und finanzmathematische Prüfung. Erst nach Erhalt beider Ergebnisse entscheidet sich der Kunde für oder gegen eine Beauftragung und dies auch unter Berücksichtigung einer möglichen Ablaufleistung in der Zukunft.

Entscheidet sich der Kunde gegen eine Beauftragung, so entstehen keine Kosten. Entscheidet sich der Kunde für eine Beauftragung, so entstehen Kosten nur im Erfolgsfall und nur auf das zusätzlich durch uns erwirtschaftete Geld. Das Modell ist also rein erfolgsbasiert und fair. Zudem übernehmen wir neben dem Handling und der finanzmathematischen Berechnung das gesamte Kostenrisiko, welches bei einem durchschnittlichen Fall über zwei Instanzen 11.670 Euro beträgt.

Sie wollen nach eigener Aussage das Check24 der Legal Techs werden. Das wird kaum gelingen, wenn Sie sich nur auf das Policenmodell beschränken. Was sind weitere Pläne? Und werden Sie sich zunächst auf Versicherungsthemen konzentrieren?

Das ist richtig. Daher werden wir bereits Anfang 2020 unsere Plattform um weitere Themen ergänzen und so Stück für Stück neue Rechtsgebiete erschließen. Wir werden uns dabei nicht nur auf Versicherungsthemen konzentrieren, sondern überall dort agieren, wo wir Verbrauchern den einfachen Zugang zum Recht ermöglichen können.

Legal Techs machen auch „etablierten“ Anwälten Konkurrenz, viele fürchten um Berufs-Privilegien. Eine kurze These: Wie werden Unternehmen wie Helpcheck die anwaltliche Tätigkeit ändern? Wird der Beruf künftig vakant?

Das ist nicht unser Ziel und soweit wird es nicht kommen. Wir wollen die anwaltliche Arbeit effizienter und besser gestalten und das in Einklang mit Informationstechnologie, Anwälten und Kanzleien tun. Auch wollen wir niemanden ein Stück vom Kuchen wegnehmen, sondern Verbraucheransprüche in Deutschland generell stärken.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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