Zahlreiche Ökonominnen und Ökonomen erwarten, dass die Phase niedriger Zinsen noch eine ganze Weile anhalten wird. Die Schwäche des Finanzmarktes zeigt doch eines: Die gesetzliche Rentenversicherung muss auch in Zukunft die zentrale Säule des Alterssicherungssystems bleiben. Sie muss sogar noch gestärkt werden. Alle historischen Verwerfungen hat sie letztlich unbeschadet überstanden. Und in Zeiten niedriger Zinsen erweist sie sich als stabiler als die kapitalgestützte Altersvorsorge. Eine ernsthaft zu prüfende Überlegung ist es deshalb, zusätzliche Einzahlungen in die gesetzliche Rentenversicherung deutlich zu vereinfachen, indem wir sie ausnahmslos zulassen, also auch etwa vor dem fünfzigsten Geburtstag, was durch die bisherige Rechtslage noch verhindert wird.

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Unser Wohlfahrtssystem beruht auf der Idee, dass Wirtschaftswachstum zu mehr Wohlstand führt: dies wird auch wirtschaftspolitisch angestrebt. Nicht erst seit den „Fridays for Future“-Demonstrationen gibt es Bedenken, ob das Wachstumsideal dem Menschen auch schadet: es bedroht die Umwelt, führt zu Stress und Burnout etc. Gibt es eine Alternative zu einer Wirtschaft, die Wachstum anpeilt — wie könnte sie aussehen?

Oftmals gilt wirtschaftliches Wachstum, ausgedrückt im Bruttoinlandsprodukt (BIP), als das Maß aller Dinge. Doch das BIP ist „blind“ dafür, ob unser Wirtschaften auch seine sozialen, ökologischen und gesellschaftlichen Quellen erhält oder ob es ihnen Schaden zufügt. Es ist an der Zeit, eine Trendwende einzuleiten. Mit dem Verharren im Status quo riskieren wir - ähnlich wie beim Klimawandel - Kipppunkte zu erreichen, nach denen sich negative Entwicklungen dynamisch beschleunigen. Die Ressource Zukunft wird knapp.

Wir setzen uns für mehr Lebensqualität statt blindes Wachstum ein. Dies gelingt zum Beispiel durch soziale Innovationen, wie sie in manchen Bereichen der Share Economy mit dem Konzept Teilen statt Besitzen entwickelt wurden. Zusammen mit neuen Technologien führen sie einer wirksamen und sparsamen Nutzung unserer natürlichen Ressourcen. Gemeinwohlorientierten Modellen wollen wir gleichwertige Rahmen- und Förderungsbedingungen wie anderen Unternehmen zusichern. Den Wandel wollen wir mit einem neuen Wohlstandsmaß begleiten, dass zum Beispiel auch den ökologischen Fußabdruck, gute Bildung und gesunde Lebensjahre abbildet.

Die Digitalisierung bedroht Arbeitsplätze, gerade einfache Tätigkeiten könnten wegfallen. Zugleich böte sie die Chance, Arbeit neu zu organisieren: zum Beispiel durch kürzere Arbeitszeiten. Eine Prognose: Wie arbeiten wir in 30 Jahren?

Die Digitalisierung wird laut einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) die Arbeitsnachfrage insgesamt kaum beeinflussen, aber die Arbeitsplätze erheblich verändern. Allein in Nordrhein-Westfalen fallen demnach bis 2035 rund 290.000 Arbeitsplätze weg. Die gleiche Zahl entsteht in diesem Zeitraum allerdings in anderen Bereichen. Bildung und Weiterbildung werden folglich in den kommenden Jahren immer wichtiger. Deshalb wollen wir die Arbeitslosenversicherung zu einer Arbeitsversicherung weiterentwickeln und die Weiter- oder Neuqualifizierung auch von Menschen in bestehenden Beschäftigungsverhältnissen in den Mittelpunkt stellen.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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