Mehrumsätze der PKV: Einen nicht geringen Teil finanzieren Bund und Länder

So kritisierte der verbrauchernahe Bund der Versicherten (BdV) in der Vergangenheit bereits über eine Pressemitteilung: PKV-Studien zu Mehrumsätzen seien „irreführend“ und wollten die PKV „mit reißerischen Aussagen in gutes Licht rücken“. Ein Grund: Die Studien würden belegen wollen, dass PKV-Versicherte „überproportional in das Gesundheitssystem einzahlen“. Jedoch: Ausgaben der Beihilfeträger für Beamte werden auch in diese Leistungen eingerechnet, die Leistung demnach „künstlich hochgerechnet“. Ein nicht geringer Teil des Geldes nämlich stammt von Bund und Ländern und könnte auch anders dem Gesundheitssystem zugute kommen.

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Beamtenbeihilfen als demographisches Problem

Systematischer führt diesen Gedanken die Bertelsmann-Stiftung aus. Das hat seinen Grund: In einer Studie vom Januar 2017 prognostiziert die Bertelsmann-Stiftung explodierende Kosten aufgrund der Beamten-Beihilfen in der PKV (der Versicherungsbote berichtete). Beamte stellen rund die Hälfte der Privatversicherten in Deutschland. Im Jahr 2014 gaben die Bundesländer für Beihilfen 7,4 Milliarden Euro aus, der Bund zahlte 4,5 Milliarden Euro. Allerdings liegt aus Sicht der Studienmacher in solchen Zahlen nicht das Hauptproblem.

Schlimmer erscheint die Prognose für die Zukunft: Bis 2030 müssten die Bundesländer nach den Berechnungen doch satte 83 Prozent mehr für Beihilfen einplanen, der Bund immerhin noch 46 Prozent, wie es in dem Papier der Stiftung heißt. Führt doch der demographische Wandel auch bei Beamten zu immer höheren Kosten. Insbesondere Kosten für PKV-Privilegien der Beamten wie kürzere Wartezeiten werden aus Sicht der Stiftung jedoch dem Gesundheitssystem für wirkungsvollere Ausgaben entzogen oder verhindern notwendige Einsparungen.

Höhere Ausgaben führen nicht automatisch zu mehr Gesundheit

Somit wird es geradezu zum Argument für die Reform des jetzigen Systems, dass für jenen Teil des PKV-Mehrumsatzes Einsparungen möglich sind, die durch Beamtenbeihilfen begründet werden. Fordert doch die Bertelsmann-Stiftung in ihrem Papier eine "Verringerung des PKV-Mehrumsatzes", da dahinter Mehrausgaben für Bund und Länder stehen. Ein Argument, das keinesfalls für sich steht, sondern nur im Kontext weiterer Argumente betrachtet werden kann. Ähnlich nämlich wie das Abrechnungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung gibt es auch innerhalb des PKV-Systems Fehlentwicklungen, die zwar zu steigenden Kosten, keinesfalls aber zu gesünderen Patienten führen.

So zeigt sich ein oft kritisiertes „Zwei-Klassen-System“ nicht nur zwischen PKV und GKV, sondern auch innerhalb der PKV. 102.200 Personen sind in der PKV mittlerweile im Notlagentarif versichert, können bei vermindertem Beitrag also nur Leistungen in sehr geringem Umfang in Anspruch nehmen, und zwar nur bei akuten Erkrankungen und Schmerzen. Auch sind 31.000 PKV-Versicherte im so genannten „Basis-Tarif“ versichert und erhalten demnach nur Leistungen, die der Grundversorgung in der GKV vergleichbar sind (der Versicherungsbote berichtete). Ausgaben also, die den Mehrumsatz der Leistungsträger begründen, kommen keineswegs allen PKV-Versicherten zugute.

Überversorgung als gesundheitliches Risiko

Aber auch jene, die in den Genuss vieler Leistungen kommen, profitieren nicht automatisch durch ein "Mehr" an Gesundheit. Der Grund: Eine oft kritisierte Überversorgung. Im Sinne der PKV-Kritiker besteht die Gefahr, dass gerade der Mehrumsatz zu einem wichtigen Faktor der Diagnostik wird – medizinische Behandlungen und Eingriffe werden demnach auch dann vorgenommen, wenn sie gar nicht notwendig sind. Das schafft wiederum gesundheitliche Gefahren.

So warnte Ellis Huber, ehemaliger Präsident der Berliner Ärztekammer, schon vor Jahren vor einer „gesundheitlichen Gefahr für Privatversicherte“ durch „ausufernde Anwendung von gefährlicher Diagnostik und Therapie“, wie die FAZ in einem Artikel darlegt. Und für den Mediziner und Autor Werner Bartens sind „Risiken für Leib und Leben“ so drastisch, dass er einen Artikel mit dem Motto überschreibt: „Hoffentlich nicht privat versichert!“

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Patienten werden als "Cashcow der Ärzte...krank geredet und krank gemacht", spitzt Bartens zu. Die Folge: doppelte Untersuchungen, unnötige Krankenhaus-Aufenthalte und sogar überflüssige Operationen: einfach deshalb, weil viele Ärzte und Gesundheitsdienstleister finanziell davon profitieren. In einer solchen Sichtweise produziert das jetzige System zwar zusätzliche Kosten, sichert aber keineswegs ein höheres Versorgungsniveau. Stattdessen leiste sich der Staat über die Beamtenbeihilfen teuere Fehlanreize und gebe Gelder aus, die für Reformen des jetzigen Gesundheitssystems besser investiert wären.

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