Über Verkäufer von Maklerbeständen wissen wir Einiges. Aber warum werden Bestände eigentlich gekauft und wer steckt hinter den Angeboten? Immer wieder begegne ich in meinem Alltag folgenden vier verschiedenen Typen von Bestandskäufern.

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Der Nachbar

Pro: Sucht persönlichen Draht zum Kunden. Kennt seine Region.
Contra: Zahlt niedrige Preise. Ist selbst Übernahmekandidat.

Philipp Kanschik

Philipp Kanschik

Dr. Philipp Kanschik ist Geschäftsführer von Policen Direkt und dort verantwortlich für Technologieentwicklung und Maklernachfolge.

Wie wäre es mit einem „Nachbarn“ als Bestandsnachfolger? Der Nachbar ist ein kleiner Makler aus Ihrer Region und hat vielleicht sogar schon das ein oder andere Mal Bestände dazugekauft. Er möchte weiter expandieren, ist in der Region bekannt und pflegt generell einen persönlichen Draht zu seinen Kunden. Und den hätte er mit Sicherheit auch zu Ihren Kunden.

Was spricht also gegen den Nachbarn? Zunächst einmal der Preis, denn von allen Typen Bestandskäufern ist der Nachbar am knappsten bei Kasse. Bei 1,35 x Jahrescourtage als Kaufpreis war in der Regel ein Nachbar am Werk. Darüber hinaus steht der Nachbar als klassischer Einzelkämpfer immer stärker unter Druck: IDD, Datenschutz, MVPs – die Aufgaben des modernen Maklers sind mittlerweile so komplex, dass sie für regionale Kleinunternehmen wie ihn kaum zu bewältigen sind. So kann auch so mancher Nachbar schon in naher Zukunft zum Verkauf gezwungen sein.

Und auch die Kunden sind nicht mehr das, was sie mal waren: statt im heimischen Wohnzimmer mit Versicherungsvertretern zu plaudern, buchen sie um Mitternacht bei Check24.

Der Run-off-Käufer

Pro: Gute Preise. Bringt wenig Unruhe in den Bestand.
Contra: Schlechte Kundenbetreuung. Hoher Kundenabrieb.

Der Run-off-Käufer hat nicht vor, Ihren Bestand zu betreuen. Sein Kalkül geht so: die Kunden werden einmal angeschrieben, widersprechen hoffentlich nicht der Übertragung und genieren dann schöne Erträge für einige Jahre. Kosten verursachen Sie hingegen nahezu keine, da sie nicht betreut werden. Der Bestandsabrieb ist zwar signifikant, aber trotzdem ist der Kaufpreis nach einigen Jahre wieder drin und der Käufer erzielt eine satte Rendite.

Das Geschäftsmodell dieses Käufers basiert also auf der Trägheit Ihrer Kunden. In der Praxis existiert dieser Käufertypus durchaus in verschiedenen Schattierungen: während manche Run-off-Käufer zugekaufte Bestände gar nicht betreuen, bieten andere eine halbgares Online-Portal oder ein mit Praktikanten besetztes Callcenter. Ein Erhalt oder gar eine Vertiefung der Kundenbeziehung wird in jedem Fall nicht angestrebt.

Wenn Sie Ihren Bestand irgendwo ins Schaufenster stellen, wird der Run-off-Käufer sehr schnell bei Ihnen auf der Matte stehen und Ihnen ein gar nicht mal so schlechtes Angebot abliefern. Häufig ist der Run-off-Käufer ein Pool oder eine Art Investmentgesellschaft. Er wird Ihnen oft etwas von seiner tollen Technik und automatisierten Prozessen erzählen, aber weniger gern über die Art, wie er Kunden betreut. Als Makler ist er selbst meistens nicht aktiv. Deshalb verspricht er Ihnen manchmal gerne einen schönen Anteil am Neugeschäft (was er nicht vorhat zu schreiben) oder erzählt etwas von seinem Maklernetzwerk, das bei der Betreuung einspringen kann.

Es mag erstmal nicht so scheinen, aber für einige Makler ist dieser Käufer der ideale Käufer. Wenn Sie eine niedrige Kundenbindung haben, mit den meisten Ihrer Kunden seit Jahren nicht mehr gesprochen haben oder viele Kunden sich überhaupt nicht mehr an Sie erinnern, dann sollten Sie unbedingt an diesen Käufer verkaufen—denn er wird so wenig Unruhe wie möglich in den Bestand bringen.

Falls Sie hingegen eine gute Bindung zu Ihren Kunden haben, sollten Sie sich von diesem Käufer fernhalten, egal wie attraktiv das Angebot scheinen mag. Sonst können Sie demnächst aus Angst vor verärgerten Kunden in Ihrer Heimatstadt nicht mal mehr zum Bäcker gehen.

Der Umdecker

Pro: Nichts.
Contra: Schaden für die Kunden durch Umdeckung.

Der Umdecker ist für Sie als Makler der Unangenehmste unter den Bestandskäufern. Für ihn sind Bestände vor allem deshalb interessant, damit er ganz bestimmte Policen eines ganz bestimmten Versicherers verkaufen kann, bei dem er ganz besonders gute Konditionen hat. Anders als der Run-off-Käufer ist der Umdecker also durchaus an Ihren Kunden interessiert. Den Zugang zu Ihren Kunden braucht er wie die Luft zum Atmen—anders kann er seine Monokultur aus Lieblingsprodukten mit tollen Konditionen nämlich nicht verkaufen.

Während der Run-off-Käufer Ihren Kunden also lediglich geringen oder gar keinen Mehrwert bietet, richtet der Umdecker in Ihrem Kundenbestand Schaden an. In den meisten Fällen erkennt man ihn zum Glück leicht: häufig steckt hinter diesem Bestandskäufer ein Versicherer als Eigentümer. Natürlich wird dieser Versicherer felsenfest behaupten, sich in das operative Geschäft nicht einzumischen. Aber sind wir mal ehrlich: warum sollte ein Versicherer auf welchem Wege auch immer Bestände kaufen, wenn nicht, um seine eigenen Produkte zu verkaufen?

Es kann aber auch vorkommen, dass auf dem Papier unabhängige Käufer sehr eng mit bestimmten Versicherern zusammenarbeiten. Schauen Sie genau hin, z.B. welche Marketingmaterialien der Makler online und offline benutzt. Oft erkennt man auch hier die Handschrift des Versicherers schnell.

Der Gipfelstürmer

Pro: Ist selbst Makler mit Visionen. Entwickelt Innovation für seine Kunden.
Contra: Verspricht manchmal mehr als er halten kann.

Der Gipfelstürmer sieht in Ihrem Bestand vor allem das Potenzial, das Sie nicht gehoben haben. Eine Vertragsdichte von 1,8 Verträgen pro Kunden? Der Gipfelstürmer traut sich selbstverständlich vier oder fünf zu. 500 sogenannte „Ein-Vertrags-Kunden“? Fantastisches Cross-Selling-Potenzial! Sie hatten niedrige Courtagesätze? Da holt sich der Gipfelstürmer garantiert höhere!

Sie erkennen den Gipfelstürmer vor allem daran, dass er gerne über seine Vision spricht. Dem Umdecker und auch dem Run-off-Käufer ist dieses Thema nachvollziehbarerweise eher unangenehm. Der Nachbar geht gar zum Arzt, wenn er Visionen hat. Der Gipfelstürmer wird hingegen in den ersten 10 Minuten des Gesprächs mindestens 20 Mal Begriffe wie Strategie, Potenzial, Zukunft, Kundennutzen, hybride Kundenbetreuung, Ehrgeiz und Marktführerschaft benutzen. Er lebt und atmet seine geschäftliche Vision.

Dieser Käufertyp ist in der Regel selbst ein Makler und – so viel ist klar – kann für Ihre Kunden die beste Lösung sein. Seien Sie jedoch auf der Hut und hinterfragen Sie sein Geschäftsmodell kritisch. Wie lange existiert er schon? Was genau hat er mit den Kunden vor? Wer ist der Eigentümer und woher kommt das Geld? Einige der vollmundigen Gipfelstürmer da draußen werden sich als Luftnummern entpuppen—und einer solchen wollen Sie Ihren Bestand selbstverständlich nicht übergeben.

Bleibt die spannende Frage, welche Art von Bestandskäufer wir sind. Die Antwort ist: 4). Aber das ist ein Thema für ein anderes Mal.

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Über den Autor: Philipp Kanschik ist Bereichsleiter für das digitale Maklergeschäft und Nachfolgelösungen bei Policen Direkt. Einerseits ist er promovierter Philosoph, Weltreisender und Gitarrist und andererseits Experte für technologiebasierte Online-Versicherungs-Plattformen sowie Maklerbestandsübernahmen. So wirft er einen ganz eigenen Blick auf die digitalen Herausforderungen der Versicherungsbranche.

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