Zwar handle es sich nicht um hohe Beträge, wie Fromme schreibt: im Schnitt 86 Euro. Aber es zeigt erneut, dass bei der Transparenz der Kosten bei Leben- und Rentenversicherungen einiges im Argen liegt. Wenn Fehlbuchungen über Jahre nicht bemerkt haben, stellt sich die Frage, ob der Versicherer selbst weiß, ob und wie viel er für seine eigenen Verträge berechnen muss und darf.

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Es ist nicht der erste Rechenfehler, der in letzter Zeit für Aufhorchen sorgte. Auch bei der Ergo und der Allianz Leben mussten Verträge nachträglich korrigiert werden. Bei der Allianz betraf dies allerdings nur Einzelfälle: ein systematischer Fehler konnte hier nicht festgestellt werden (der Versicherungsbote berichtete).

Die Intransparenz der Kosten zeigt sich nun auch am konkreten Beispiel. Die Verträge der Stuttgarter Leben waren gezillmert, wie in der Branche üblich: stark vereinfacht heißt das, dem Kunden werden die Vertriebs- und Abschlusskosten in den ersten fünf Jahren berechnet. Bis zum 1. Januar 2015 waren das vier Prozent der Vertragssumme, dann, nach Inkrafttreten des Lebensversicherungsreformgesetzes (LVRG), 2,5 Prozent. Das bedeutet: Wenn der Versicherte 100.000 Euro einzahlt, stottert er in den ersten Jahren 4.000 Euro (bzw. später 2.500 Euro) für den Vertragsabschluss ab.

Zusätzliche Kosten, die nicht im Vertrag auftauchen

Nun habe die Stuttgarter aber noch zusätzliche Zinsen für vorgestreckte Abschlusskosten sowie einen Zuschlag für das Todesfallrisiko berechnet — ohne diese Kosten im Vertrag auszuweisen. Eben jene durchschnittlich 86 Euro obendrauf. Weil diese zusätzlichen Gelder nicht in den Verträgen genannt und ausgewiesen werden, hätte die Stuttgarter Leben sie auch nicht dem Kunden in Rechnung stellen dürfen. Sie hat zu viel Geld kassiert.

Die Kundinnen und Kunden sollen nun entschädigt werden, wofür der Versicherer Rückstellungen in Höhe von 6,3 Millionen Euro gebildet hat. Aber eben nicht alle, die zu viel zahlten. Fromme zitiert aus einem Schreiben der Vorstände Guido Bader und Franz Häußler an die BaFin.

„Für bereits abgelaufene Verträge oder durch Tod oder Kündigung abgegangene Verträge wird von keiner Nachregulierung ausgegangen“, heißt es darin. Mit anderen Worten: Wer bereits seinen Vertrag gekündigt hat oder schon eine Rente aus seinem Vertrag erhält, darf nicht darauf hoffen, dass ihm die Gelder erstattet werden.

Frage nach Transparenz der Kosten

Doch auch Kundinnen und Kunden, die nun entschädigt werden, sollen davon nichts erfahren. Die erstatteten Verträge sollen nicht in den Standmitteilungen auftauchen, sondern erst bei Ablauf oder Kündigung gutgeschrieben werden — aus Kostengründen, wie der Versicherer argumentiert.

Damit stellt sich erneut die Frage, wie transparent die Branche die Vertragskosten ausweist — oder eben nicht. Erst vor wenigen Tagen sorgte eine Studie des Zweitmarktanbieters Partner in Life aus Luxemburg für Aufsehen. Demnach fallen die tatsächlichen Ablaufleistungen in Leben-Verträgen oft enttäuschender aus, als es der Versicherer in den Ablaufprognosen zu Vertragsbeginn vorgerechnet hatte. Oft geht es um hohe vierstellige Beträge, die am Ende fehlen (der Versicherungsbote berichtete).

Einerseits kann die Branche nur bedingt etwas dafür, da die Verträge zu einer Zeit berechnet wurden, als die aktuelle Niedrigzins-Phase noch nicht abzusehen war. Andererseits beklagen selbst Branchenexperten, dass bei Lebensversicherungen und anderen Altersvorsorge-Verträgen oft mit zu optimistischen Annahmen gerechnet wird, um die Kunden zum Vertragsabschluss zu bewegen. Der Gesetzgeber erlaubt es noch immer, Kosten zu verstecken oder nur ungenau auszuweisen.

Bestimmte Fondsrenten: Nach Kosten werden höhere Werte als vor Kosten ausgewiesen

Zu welchen absurden Blüten die fehlende Kostentransparenz führen kann, verdeutlichte der Aktuar und Sachverständige Walter Benda in einem Vortrag. Bei bestimmten Fondsrente-Verträgen weisen manche Versicherer nach Kosten höhere Beträge aus als vor Kosten: obwohl sie zusätzliche Gelder für Vertrieb, Fondsverwaltung und Versicherungsschutz berechnen. Auch für Makler bedeutet das ein Haftungsrisiko, wenn sie einfach die Modellrechnungen der Versicherer übernehmen (der Versicherungsbote berichtete).

Der Grund: unter anderem ist es den Versicherern erlaubt, bei diesen Verträgen Kickbacks einzurechnen, obwohl sie den Kundinnen und Kunden keineswegs garantiert sind. Das sind Verwaltungsgebühren, die der Kunde an einen Fonds zahlt, aber die zum Teil wieder an den Versicherer zurückfließen: Rückvergütungen, die zwischen Versicherer und einer Fondsgesellschaft vereinbart sind. Manche Gesellschaften schreiben diese Kickbacks zum Teil den Kunden gut, andere wiederum nicht.

Auch das Ausweisen der maximalen Gesamtkostenquote nach der „Reduction in Yield“ (RiY)-Methode hat sich als eher ungeeignet erwiesen, dem Kunden transparent zu machen, wie viel er für seine kapitalbildende Lebensversicherung zahlt. Stark vereinfacht soll diese Quote dem Sparer deutlich machen, wie versicherungs- und fondsbezogene Kosten die Rendite eines Vertrages maximal schmälern.

Nach einem höchst komplexen Verfahren berechnet, haben die Versicherer bei dieser Kostenquote einen großen Spielraum, wie sie den Renditeabschlag darstellen. Zudem stellt sich die Frage, auf welche Ausgangswerte und welche Annahmen zur Wertentwicklung des Vertrages sich diese Kostenminderung eigentlich bezieht. Das zeigt sich an teils enormen Korridoren, die die Versicherer als Kosten ausweisen.

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Ein Beispiel: Im Vertrag eines Altersvorsorge-Anbieters ist als "Reduction in Yield" eine Renditeminderung von 0,65 Prozent bis 4,71 Prozent angegeben. Was der Vertrag kostet: Der Kunde erfährt es nicht. Die Angabe ist de facto ohne Aussagekraft.

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