„Etliche private Krankenversicherungsunternehmen erfüllen selbst in ihren leistungsstärksten Tarifen nicht die definierten Mindestkriterien“, kritisiert eine Studie des Frankfurter Beratungshauses PremiumCircle. Wie sehen Sie diese PKV-kritische Studie?

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Die politische Beauftragung an den PremiumCircle hatte sicherlich ehrenhafte Absichten, scheitert aber wie von Herr Gorr sogar eingeräumt daran, dass die Systeme nicht vergleichbar sind. Die dargestellte Schwäche der PKV liegt letztlich an den der Studie verbindlich definierten Mindestkriterien, die subjektiv festgelegt wurden. Fragt man unterschiedliche Experten, würde man sicherlich zu einer Vielzahl an Überschneidungen, aber keiner 100prozentigen Übereinstimmung kommen.

Einige der genannten Leistungen sind nicht in den geschlossenen alten Tarifen enthalten. Zur Zeit der Tarifentwicklung waren Leistungen wie Soziotherapie oder Hospizleistungen und Palliativ-Versorgung auch in der GKV noch kein Leistungsbestandteil. Die Soziotherapie gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung seit dem Jahr 2000. Hospizleistungen sind erst seit 1997 erfasst. Die GKV hat hier in der Tat die wendige und variable Position. In der PKV kann man Tarifleistungen nur dann nacherfassen, wenn dies prämienneutral erfassbar sind. Dies ist in der Mehrheit der Fälle nicht möglich und damit der Weg für Neuerungen aufgrund der vertraglichen Struktur versagt.

Die GKV unterliegt der politischen Änderung, damit können Neuerungen, die beispielsweise durch gesellschaftspolitischen Wandel eintreten, in den Leistungskatalog aufgenommen werden. Ein weiter Weg, aber gangbar. Allerdings gibt es den Weg in der GKV eben auch nicht nur in die eine Richtung – vorne, sondern auch entsprechende Kürzung der Leistungen.

Zu meiner Ausbildungszeit bei der AOK 2002 gab es ein weitaus umfangreicheres Leistungspaket der GKV. Hier wurde viel gekürzt. Versicherte haben daher mehr Zuzahlungen und werden je nach wirtschaftlichem Belastungsgrad zur Kasse gebeten. Dennoch haben beide Systeme ihre Vor- und Nachteile, man muss sie kennen und für sich die richtige Entscheidung treffen. In der Entscheidungsphase muss dabei ein großer zeitlicher Horizont betrachtet werden. Dieser beträgt meistens weit mehr als die kommenden fünfzig Jahre.

Die Beiträge der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sind in den letzten zehn Jahren stärker gestiegen als in der Privaten Krankenversicherung (PKV). Das geht aus Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherer (WIP) hervor. Wie hoch sind die durchschnittlichen Anpassungen tatsächlich?

Ob ich darauf antworten soll (lacht)? Ich möchte mir keine objektive marktübergreifende Meinung erlauben, wenn dies schon empirisch und wissenschaftlich erhoben wurde. Allerdings interessiert den einzelnen Menschen doch nicht, wie es dem Schnitt erging. Was interessiert mich der Schnitt, wenn ich meine PKV nicht zahlen kann? Gar nichts. Was interessiert jemanden, dass 90 Prozent der Menschen einen sicheren Arbeitsplatz haben und er zu den zehn Prozent gehört, der ihn verliert? Den Menschen und damit den Versicherten kann nur sein Schicksal interessieren.

Die durchschnittlichen Anpassungen sind je nach Versicherer und zusätzlich je nach Tarif ganz unterschiedlich. Wir rechnen in unseren Beratungen grundlegend mit dem durchschnittlichen Anpassungssatz von 4,8 Prozent. Wie der Begriff "Durchschnitt" schon durchblicken lässt, es gibt dann Versicherte, die liegen drüber und welche, die liegen drunter. Die Aufgabe des Vermittlers sollte es sein, anhand relevanter Merkmale der Vergangenheit und geschäftspolitischer Ausrichtung den Versicherer zu finden, der das definierte Leistungsversprechen mitbringt. Dennoch kann es später zu Ausschweifungen kommen, weil es geschäftspolitische Änderungen gab. Man hat mit einer guten fundierten Beratung mehr Sicherheit, aber nie eine Garantie.

Die gesetzliche Krankenversicherung passte in den letzten zehn Jahren geringer an, als in den Jahren, die im Betrachtungszeitraum seit 1970 fallen. Allerdings ist auch diese Aussage sehr einseitig und die nicht berücksichtigungsfähige Komponente Leistungskürzung GKV fehlt. Die GKV reguliert sich auch über Leistungskürzungen. Diesen Parameter kann man aber nicht in Prozent gegenüber der PKV, die ein festgeschriebenes Leistungsversprechen hat, messen.

Wie kommen Beitragssprünge von teilweise fast 40 Prozent zu Stande?

Hier gibt es zwei relevante Themen, zum einen liegt dies natürlich in erster Linie am auslösenden Faktor. Also der Faktor, der den Betrachtungszeitraum mit dem Vorjahreszeitraum vergleicht und den Unterschiedsbetrag misst. Liegt dieser unter einem gewissen Erhöhungswert, darf der Versicherer trotz leicht gestiegener Kosten nicht anpassen. Das ist ein Problem. Denn erst in dem Jahr, in dem er diesen Faktor erreicht, holt er die notwendigen Erhöhungen nach. So kommt es vor, dass Kunden drei Jahre keine Erhöhung bekommen und im vierten Jahr rumst es dann. Das tut weh. Nicht zuletzt ist das der Grund, warum auch die aktuelle Politik sich mit dem Punkt auslösender Faktor beschäftigt, um es der PKV zu erleichtern lieber regelmäßig, aber gering anzupassen, als alle paar Jahre in einer schwer zu akzeptierenden Höhe.

Der zweite Punkt sind Tarifwechsel. Wir haben ein grundlegendes Kommunikationsproblem in der PKV. Man misst Beitragserhöhung in der Kommunikation in Prozent, da sich Versicherte das besser vorstellen können. Allerdings werden Erhöhungen je Alterskohorte in Euro festgelegt. Bei einem Tarifwechsel werden die Altersrückstellungen des bisherigen Tarifes, welcher gegenüber dem neuen Zieltarif übermäßig gebildet wurden, beitragsmindernd auf den neuen Tarif angerechnet. So entsteht eine geringe Prämie, maximal in der Höhe, als wäre der Versicherte von Anfang an im neuen Tarif. Die Beitragserhöhung wird aber in der aktuellen Kohorte festgelegt und kann so in Prozent zu höheren Anpassungen führen, nicht aber in Euro.

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Man könnte jetzt Stunden über Themen wie Entmischung, Kollektivbildung, Vergreisung und ähnliche Schlagwörter sprechen, dass führt aber sicherlich zu weit.

ActiveMe: Leistungspunkte, digitaler Ansatz und beitragsstabiler?

Mit ActiveMe bringt die Axa einen neuen Tarif auf den Markt. Der Versicherer hatte ihren Vital-Tarif 2018 deutlich anpassen müssen. Warum sollte der neue Tarif nun beitragsstabiler sein?

Die Frage haben wir uns auch gestellt. Der Vital-Tarif wurde nach unseren Aufzeichnungen jedes Jahr um 7,8 Prozent Jahr angepasst. Sehen Sie, ich spreche auch in Prozent, weil man es einfach besser versteht. Dies entspricht in etwa einer Verdoppelung der Prämie - alle zehn Jahre. Welcher Mandant kann sich dieses Szenario bis zu seinem Ableben leisten? Hier ist viel nicht so gelaufen wie erwartet und durch die steigende Zahl der Kunden, die den Tarifwechsel nutzen, wurde die Entwicklung nur noch potenziert. Der Markt hat sich aus Kundensicht verändert. So hat die AXA sogar vor wenigen Jahren in einem Erhöhungsschreiben dargestellt, dass einer der Faktoren der Anpassung sei, dass weniger Kunden als erwartet gekündigt hätten und daher weniger Altersrückstellungen ans Kollektiv fielen.

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Der Tarif sollte, oder ich möchte lieber sagen könnte beitragsstabiler sein, weil ich annehme, dass man aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat. Der Einsteigertarif der AXA entwickelt sich ja auch marktüblich. Man hat viele klassische stabilisierende Steuerungselemente eingebunden, wie ein Primärarztprinzip, prozentualer statt absoluten Selbstbehaltes oder die Generika-Klausel. Aber man hat sich auch neuen Themen wie Prävention geöffnet. Es entspricht der Logik, dass sich so Krankheitskosten reduzieren lassen. Die GKV macht es mit zehn Prozent Nutzungsquote ihrer Versicherten vor.

Aktuell müssen die Privaten Krankenversicherer ein Stück weit die Nullzinspolitik der Notenbanken ausbaden. Wie geht die Axa mit der Niedrigzinsphase um bzw. welche versicherungsmathematischen Kniffe sollen den Beitrag im neuen Tarif stabil halten?

Klassischerweise sind die Tarife bereits abgezinst. In der neuen Tarifentwicklung hat man jedoch einen noch geringeren Zins angelegt. Über die genauen Werte konnte man uns auf Anfrage jedoch keine Auskunft geben. Die steuernden Elemente haben für mich in der Gesamtheit den Eindruck, dass man auf frühzeitige Befunderhebung durch Vorsorgeleistungen setzt und darüber hinaus den Kunden gesundheitsbewusst entwickeln möchte. Dies soll mit Prävention und Begleitung durch digitale Apps geschehen. Das halte ich grundlegend unternehmerisch für sinnvoll und ergibt Sinn. Aus Kundensicht ergibt sich für mich hier auch ein weiteres Bild. Wer kennt ihn nicht, den schwerbeschäftigten Selbstständigen, der immer erst dann zum Arzt geht wenn er „den Kopf unterm Arm trägt“, wie man so schön sagt. Die AXA nutzt den maximalen Anreiz genau dieser Personen, um die anfallenden Kosten zu steuern.

Die Beitragsstabilität ist für Makler zu einem entscheidenden Kriterium in der Auswahl des passenden PKV-Tarifs geworden. Warum könnte der neue Tarif im Vergleich zu älteren Generationen hier punkten?

Die Unterlagen, die ich bisher am Markt bekommen habe, sind für mich schlüssig. Ein Konzern wie die AXA hat ein Interesse daran sich positiv zu entwickeln, alleine schon aus der Gesellschaftsform heraus. Die Argumente sind schlüssig und nachlesbar im Bedingungswerk. Man hat die Antragsfragen im Tarif ActiveMe straffer gezogen, um auch hier die richtigen risikosteuernden Maßnahmen zu treffen. Ich bin gespannt, wie man mit Vorerkrankungen umgehen wird. Wir werden hier sicherlich in der ersten Phase auch einige Anfragen stellen, um uns ein Bild zur Risikopolitik zu machen. Ein Versicherer, der mehr Zuschlag erhebt, zeigt damit grundlegend restriktives Verhalten, das tendenziell für Beitragsstabilität spricht.

Mit welchen Leistungspunkten und digitalen Eigenschaften soll der Tarif überzeugen?

Ich glaube hier macht es einfach die Mischung. Für mich hat der Tarif alle relevanten Leistungen. Die Erwartungshaltung der meisten Versicherten, die ich kenne ist keine Vollkostenmentalität. Man will planbare Kostenbelastung, die nicht existenziell bedrohend wird. Das Ziel ist für mich erreicht. Dazu haben wir auch schon eine ausführliche Bewertung veröffentlicht. Der Tarif verbindet die beiden bereits bestehenden Tarifwelten und erweitert sie um zukunftsweisende digitale Produkte. Aktuell gibt es zwar erst vier medizinische Produkte, die von der AXA bei medizinischer Notwenigkeit gezahlt werden. Die anderen aktuell 36 am deutschen Markt zugänglichen werden aber nach intensiver Prüfung und ärztlicher Verordnung nach Zusage gezahlt.

Man geht die Digitalisierung hier anders an, aus Kundensicht im Leistungsbezug und nicht aus dem Verhältnis Versicherer zu Kunde. Der Kunde kann bei der AXA immer noch die Rechnung per Post schicken, wenn ihm das beliebt. Kann aber eine App als medizinisches Produkt nutzen für Tinnitus, Augenerkrankung, psychische Erkrankungen und Heilbehandlung der TeleClinic Ärzte. Das ist innovativ und sehr offen formuliert. ActiveMe versucht anhand der Formulierungen Neuentwicklungen aufnehmen zu können, um langfristig am Markt positioniert zu sein. Ob dies gelingt wird sich sicherlich in den kommenden drei Jahren zeigen.

Welche Ziele hat sich die Axa beim Neugeschäft mit dem AktivMe vorgenommen?


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Das weiß ich leider nicht so genau. Die echten Neukunden der PKV sind stark rückläufig und Umdeckungsaktionen finden heute dank der neuen Tarifwechselkultur und Möglichkeiten des Kunden nicht mehr statt. Die Kunden die den Weg heut ein die PKV finden, sind gut informiert und haben Verstanden das sie diese gut überlegt und auf lange Sicht treffen müssen. Das Internet hat dafür gesorgt, dass Kunden sich wirklich besser informieren und kritisch hinterfragen was Sie tun. Das ist eine gute Entwicklung. Ich gehe jedoch davon aus, dass man seinen aktuellen Marktanteil auch auf die Neugeschäftserwartung in Verbindung mit den Neugeschäftszahlen der Branche adaptieren kann. Den Tarifwechsel hat die AXA jedoch laut eigener Aussage bereits mathematisch eingeplant. Das macht sogar mich neugierig, wie man künftig damit umgehen wird. Bisher lief es beim Tarifwechsel mit der AXA im Horizont „funktioniert“ und „zäh“, also durchschnittlich. Da wir allerdings sehr konkrete Profile haben zur Umsetzung, haben wir meistens wenig negative Berührungspunkte. Auch hier hat sich die Branche in den letzten vier Jahren positiv weiterentwickelt.

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