Die Aufsichtsratschefs der 30 DAX-Konzerne bekamen im Jahr 2018 durchschnittlich 424.000 Euro pro Jahr für ihre Tätigkeit: rund vier Prozent mehr als im Vorjahr. Das geht aus einer Analyse der Unternehmensberatung hkp Group hervor.

Anzeige

Blickt man auf die einzelnen Konzerne, ist Paul Achleitner von der Deutschen Bank der Topverdiener. 858.333 Euro bekam er als Vorsitzender des Aufsichtsrates von Deutschlands größtem Geldinstitut. Dahinter folgen gleichauf Gerd Krick von Fresenius und Norbert Reithofer von BMW mit je 640.000 Euro. Hans Dieter Pötsch von Volkswagen belegt Rang vier der Aufsichtsratskrösusse und ist mit 584.500 Euro Jahressalär schon deutlich abgeschlagen.

Diekmann: in mehreren Aufsichtsräten vertreten

Der Aufsichtsratschef der Allianz, Michael Diekmann, platziert sich mit 484.000 Euro im oberen Mittelfeld der DAX-Aufsichtschefs. Zum Vergleich: Am unteren Ende der Rangreihe findet sich Reinhard Pöllath, der Aufsichtsratsvorsitzende von Beiersdorf, mit 228.000 Euro.

Und dennoch ist Diekmann Spitzenreiter bei den Aufsichtsrats-Gehältern in Deutschland. Der Grund: Er sitzt in mehreren Aufsichtsräten, wie „Reuters“ berichtet, unter anderem auch bei BASF, Siemens und Fresenius. So summierten sich seine Einkünfte aus Aufsichtsposten 2018 auf 1,4 Millionen Euro. In dieser Wertung landet Achleitner „nur“ auf dem zweiten Platz, weil ihm seine drei Aufsichtsrats-Posten 1,25 Millionen Euro bescherten. Der Österreicher ist neben der Deutschen Bank noch bei Daimler und Bayer aktiv.

Merck-Chef Karl-Ludwig Kley erzielt mit 1,16 Millionen Euro allein für seine Aufsichtsrats-Jobs Rang drei der Aufsichtsräte mit mehreren Mandaten. In den Aufsichtsräten von E.ON und Lufthansa ist er der Chefaufseher und sitzt darüber hinaus auch bei BMW im Gremium.

DAX-Vorstandschefs erhalten weit mehr

Vergleicht man das Einkommen der Aufsichtsrats-Chefs mit jenen der Firmenlenker, zeigen sich deutliche Differenzen. Die Vorstandsvorsitzenden der DAX-Konzerne erhielten 2018 im Schnitt rund 6,4 Millionen Euro überwiesen (DCGK-Zufluss ohne Betriebsrenten und Nebenleistungen). Das ergab ebenfalls eine Auswertung der hkp Group.

Topverdiener bei den Vorständen ist ausgerechnet der Chef jenes Konzerns, der bei den Aufsichtsgehältern das Schlusslicht bildet. Beiersdorf-Vorstand Stefan Heidenreich konnte sich 2018 über 23,4 Millionen Euro freuen — auch dank langfristiger Vergütung. Mehrjahresboni, die Heidenreich in seinen sieben Jahren als Konzernchef angehäuft hatte, wurden ihm mit einem Ruck zuerkannt.

Ansonsten sind auch die Vergütungen der Vorstandsvorsitzenden im Dax nicht ganz so hoch. Allianz-Chef Oliver Bäte ist mit 10,33 Millionen Euro 2018 der einzige Dax-Vorstand neben Heidenreich, der ebenfalls die Zehn-Millionen-Marke knackt. Auf dem dritten Platz landet SAP-Chef Bill McDermott mit 9,97 Millionen Gehalt.

Aufsichtsräte unterbezahlt?

Trotz der üppigen Bezüge argumentieren die Studienmacher in einem Pressetext, dass die Aufsichtsräte unterbezahlt seien. Sie verdienen im Schnitt 15-mal weniger als die Vorstandschefs. Damit sei es kaum möglich, dass sich Vorstandschefs und Aufsichtsräte „auf Augenhöhe“ begegnen.

„Ein Aufsichtsratsvorsitz ist heute mehr denn je auch mit Strategiebegleitung und intensivem Sparring für den Vorstand verbunden. Keine nennenswerte Investition oder sonstige Entscheidung von größerem Ausmaß kann heute ohne Einbindung des Aufsichtsratsvorsitzenden getätigt werden“, bilanziert hkp-Managerin Nina Grochowitzki. „Die Vergütung für das Amt sollte daher so ausgelegt sein, um sich auf Augenhöhe begegnen zu können. Davon sind wir aber weit entfernt“, so die Ökonomin.

Was der steigende Aufwand bedeutet, hat Vergütungsberater Joachim Kayser vor einem halben Jahr der ARD-Börse berichtet. Früher hätte man den Arbeitsaufwand je Mandat auf etwa 50 Arbeitstage geschätzt, heute würden es bereits 100 Tage pro Jahr sein, so der Experte. Hier orientiert sich der Trend an angloamerikanischen Staaten, wo die Aufsichtsräte als Chairman oft mehr Macht und Einfluss haben. Mittlerweile würden sogar viele Investoren eher den Aufsichtsrat ansprechen als die Konzernleitung, wenn sie Geld in ein Unternehmen stecken wollen.

Anzeige

Die Vergütungsniveaus für die DAX-Aufsichtsratsvorsitzenden liegen zudem unterhalb des europäischen Durchschnitts (STOXX-Unternehmen). Dieser beträgt nach aktuellem Stand des Ausweises – 51 von 71 Unternehmen aus den Indices STOXX Europe 50 und Euro STOXX 50 haben ihre Zahlen bereits berichtet – rund 913.000 Euro, so berichtet die hkp Group. Die Rangliste wird hier von Schweizer Konzernen angeführt: UBS (4,9 Mio. Euro), Roche (3,9 Mio. Euro) und Nestlé (3,5 Mio. Euro). Allerdings gilt bei den Eidgenossen der Job des Aufsichtsrats-Chefs als Vollzeit-Tätigkeit.

Postenhäufung - Und wann machen die das?

Wer sich die Situationen bei deutschen Dax-Konzernen anschaut, wird schnell feststellen: Es ist eher die Regel, dass Aufsichtsräte nicht nur ein Mandat besitzen, sondern mehrere. Oft kontrollieren sie darüber hinaus Firmen, die nicht an der Börse notiert sind, und haben Vorstandsposten inne. Das erlaubt die Frage, was die Aufseher da eigentlich genau machen und wie sie die Tätigkeiten zeitlich unter einen Hut bringen.

"Overboarding" nennt sich diese Häufung von Posten und Mandaten. Nach den Regeln des deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK), einem freiwilligem Verhaltenskodex der Bundesregierung für börsennotierte Unternehmen, soll niemand mehr als fünf Aufsichtsratsmandate haben, Chefposten doppelt gezählt. Verbindlich ist die Vorgabe nicht: Wer sie verletzt, muss mit keinen Konsequenzen rechnen.

Anzeige

Es besteht zudem der Verdacht, dass in den Aufsichtsräten ein Klüngel herrscht. Viele jetzige und ehemalige Konzernlenker treffen sich dort, um sich quasi selbst zu überwachen: als "Netzwerke der Macht" bezeichnet folglich die "Süddeutsche Zeitung" Aufsichtsrats-Gremien. Keine gute Ausgangssituation, wenn die Räte doch bei Missständen im Konzern eingreifen und strenge Kontrolle ausüben sollen.

"Zu oft weggeschaut"

Die Situation sorgt selbst bei einigen Konzernlenkern für Unbehagen. "Aufsichtsräte haben oft zu lange weggeschaut, weggehört und geschwiegen", kritisierte Ex-Bahn-Chef Rüdiger Grube in der "WirtschaftsWoche" vor wenigen Monaten den Status Quo in Deutschland. Gerade bei Zukunftsthemen machte Grube eklatante Mängel aus. "In nur 40 Prozent der Kontrollorgane in deutschen Konzernen gibt es Personen mit ausreichend digitaler Expertise", sagte der Manager und berief sich auf eine Studie des Beratungshauses Russel Reynolds. Auch mit Blick auf internationale Märkte fehle es an Kompetenz: ausgerechnet in einer führenden Exportnation.

Anzeige

Da wirkt es fast wie Hohn, dass ausgerechnet der Aufsichtsrat der skandalgeschüttelten Deutschen Bank von der Unternehmensberatung Russel Reynolds mehrfach unter die besten Aufsichtsräte des Dax gewählt wurde oder gar das Ranking gewann. Verhindern konnte das Gremium viele Skandale nicht, aber es ist kein Einzelfall: In jüngster Zeit gab es mehrere Beispiele, wo die Kontrolle in deutschen Firmen nicht wie gewünscht funktioniert hat. Ob Dieselgate, Luxusuhr-Skandal beim DFB oder die umstrittene Monsanto-Übernahme bei Bayer: Die Aufsichtsräte machten oft keine gute Figur.

Seite 1/2/

Anzeige