Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat im Zeitraum von 2008 bis 2018 insgesamt acht Lebensversicherern erlaubt, die gesetzlich vorgeschriebene Überschussbeteiligung zu kürzen. Und das bedeutete für die betroffenen Sparer nichts Gutes, sondern ganz konkret weniger Geld. Sie wurden weniger an den Überschüssen beteiligt, als es vom Gesetzgeber eigentlich vorgesehen ist. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor (Bundesdrucksache 19/5769). Zuerst hatte die Süddeutsche Zeitung am Montag über die Anfrage berichtet.

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Finanzielle Schieflage soll abgewendet werden

Bei den Überschüssen handelt es sich stark vereinfacht um den Anteil, mit dem der Kunde an den Kapitalgewinnen des Versicherers beteiligt wird. Diese werden schließlich aus den Kundenbeiträgen erwirtschaftet. Die Mindestzuführungsverordnung von 2008 regelt, dass Lebensversicherer ihren Kunden mindestens 90 Prozent ihrer Gewinne aus Kapitalanlagen den Kunden gutschreiben müssen. Nicht alle Gelder werden dabei an die Sparer auch tatsächlich ausgezahlt, wenn der Vertrag abläuft. Große Teile werden als Reserve und Finanzpuffer angespart, um die Garantien der Kunden auch langfristig bedienen zu können.

Doch in bestimmten Situationen dürfen die Lebensversicherer bei der Mindestzuführung den Rotstift ansetzen, wenn die BaFin ihr Okay gibt. Auch das ist für die betroffenen Sparer zunächst keine gute Nachricht. Denn erlaubt ist ein solcher Schritt nur, wenn sich der Versicherer in einer finanziellen Schieflage befindet. Dann wird die gesetzlich vorgesehene Mindestbeteiligung zumindest teilweise ausgesetzt.

Die Bundesregierung nennt Namen

Die Bundesregierung nennt in ihrer Antwort auch ganz konkret jene Anbieter, die die Zuführung kürzen mussten. Den Anfang machte die Bayerische Beamten Lebensversicherung im Krisenjahr 2008, rund 351.070 Verträge waren hiervon betroffen. Der Versicherer strich die Zuführung zu den Töpfen, in denen die Kundengelder gesammelt werden, um knapp 22,5 Millionen Euro auf 336.000 Euro zusammen.

Als Grund für diese Maßnahme gab die Bayerische Beamten LV an, man habe „unvorhersehbare Verluste aus dem Kapitalanlageergebnis“ erleiden müssen. Aus derselben Ursache mussten 2008 auch die Versicherer Provinizial Rheinland, Provinzial NordWest und die HanseMerkur den Rotstift ansetzen. Die öffentlichen Versicherer reduzierten ihre Zuführung sogar auf Null, zahlten im Krisenjahr also gar nichts in die Kundentöpfe ein. Man kann davon ausgehen, dass die Versicherer vom Platzen der Immobilienblase und den daraus folgenden Kursstürzen an den Börsen besonders betroffen waren (siehe Tabelle).

Diese Lebensversicherer haben mit Erlaubnis der Bundesregierung die Mindestzuführung gesenkt. Quelle: Bundesdrucksache 19/5769

Auffanggesellschaft Protektor selbst in Geldnöten

Nach dem Krisenjahr 2008 wurden die vier oben genannten Versicherer allerdings nicht mehr auffällig. Anders als die Auffanggesellschaft Protektor Leben. Von der Versicherungswirtschaft wurde diese Gesellschaft 2002 gemeinsam gegründet, um Verträge von Lebensversicherern aufzufangen, die in die Insolvenz schlitterten. Anlass war die damalige Pleite der Mannheimer Leben.

Gleich vier Mal in Folge musste Protektor in den Jahren 2010-13 deutlich kürzen: 2010 strich man die Zuführung um knapp 5,3 Millionen Euro, 2011 um 4,2 Millionen, 2012 um 9,2 Millionen und 2013 um 11,2 Millionen. Die angeblichen Gründe: „Aufbau einer Verwaltungskostenrückstellung“ und ab 2012 Probleme durch das „Niedrigzinsumfeld“.

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Dass Protektor mehrfach die Mindestzuführung nicht erfüllen konnte, erlaubt die Frage, ob die Versicherer ihren Rettungsschirm ausreichend mit Geldern ausgestattet haben, um notfalls auch Bestände größerer Unternehmen auffangen zu können. In den betroffenen Jahren befanden sich maximal knapp 155.000 Verträge im Bestand der Auffanggesellschaft: Peanuts angesichts von mehr als 80 Millionen Leben-Verträgen in Deutschland. Die Grünen fragen explizit in ihrer kleinen Anfrage danach, ob Protektor genug Geld hat. Die Bundesregierung bejaht dies.

Auch Debeka musste 2017 Kundengelder kürzen

Als größter der acht Lebensversicherer war die Debeka von Kürzungen betroffen. Rund 3.358 Millionen Verträge befanden sich im Bestand des Versicherers, als er 2017 die Zuführung in die Kundentöpfe deutlich reduzieren musste: um satte 144,335 Millionen Euro auf nur noch knapp 900.000 Euro. Als Grund nennt die Gesellschaft das Niedrigzinsumfeld.

Gegenüber der Süddeutschen Zeitung rechtfertigt ein Debeka-Sprecher den Schritt. Ohne die Kürzung wäre ein Verkauf gut verzinster Kapitalanlagen notwendig gewesen, um mit den Gewinnen die Mindestzuführung zu erfüllen. Das habe man verhindern wollen. Für die Kunden hätte die Kürzung keine Folgen - man werde den Fehlbetrag später wieder ausgleichen und habe einen entsprechenden Zahlungsplan mit der BaFin vereinbart.

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Grüne bemängeln erneut Intransparenz

Weil die Fehlbeträge wieder ausgeglichen würden, habe man die Kunden nicht informiert, erklärt der Debeka-Sprecher. Auch seien von der Maßnahme ausschließlich 430.000 Verträge betroffen, die vor 1994 abgeschlossen worden seien.

Tatsächlich besteht von Seiten der Versicherer keine Pflicht die Kunden zu informieren, wenn sie weniger am Kapitalgewinn beteiligt werden. Ein BaFin-Sprecher verweist darauf, dass die Minderzuführungen in den Folgejahren meist wieder ausgeglichen werden. Hierfür müssten die Versicherer einen Zuführungsplan ausarbeiten: Deshalb sei es auch nicht notwendig, die Sparer zu informieren.

Für Grünen-Sprecher Gerhard Schick ist die aktuelle Situation aber ein No-Go. Die betroffenen Versicherer müssten ihre Kunden nicht einmal informieren, wenn sie den Rotstift ansetzten, bemängelt er. Er fordert eine entsprechende Informationspflicht. "Dass das vorgesehene Mindestmaß verfehlt wurde und zumindest zwischenzeitlich auf Geld, das den Versicherten zusteht, zurückgegriffen werden muss, zeigt die schwierige Lage bei einigen Versicherern", sagt der Grünen-Finanzexperte der "Süddeutschen Zeitung".

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Weitere Versicherer, die kürzen mussten, sind die "Süddeutsche Lebensversicherung", die 2017 die Zuführung von 1,5 Millionen Euro auf Null runterfuhr. Auch die Landeslebenshilfe V.V.a.G. musste 2015 und 2016 die Zuführung deutlich kappen - hier waren aber nur ca. 16.000 Verträge von betroffen.

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