Versicherungsbote: Mit Blick auf den Niedrigzins: Macht Bausparen noch Sinn?

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Stefan Kraus: Gerade in der Niedrigzinsphase wird Bausparen auch wieder von unabhängigen Instituten wie der Stiftung Warentest empfohlen. Wer sich heute kein Darlehen mit drei Prozent oder mehr Tilgung leisten kann, hat ein ganz erhebliches Zinsänderungsrisiko. Bei zwei Prozent Tilgung und 10 Jahren Zinsbindung würde bei einem Zinssatz von heute zum Beispiel 1,4 Prozent und einem Kredit von 200.000,00 Euro eine Restschuld von über 158.000 € im Zinsänderungsrisiko stehen. Wäre der Zinssatz dann nur um zwei Prozent angestiegen und der Kunde müsste den Tilgungssatz progressiv fortschreiben, also nicht wieder auf zwei Prozent zurücksetzen, würde sich die Rate von 566,67 Euro auf 828,49 Euro erhöhen, also eine Steigerung um fast 50 Prozent.

Welche Auswirkungen hat die aktuelle Zinslage auf das Bausparen?

Ging man in der Vergangenheit davon aus, dass eine Finanzierung mit zwei Prozent Tilgung nach circa 30 Jahren zurückgezahlt ist, so verlängert sich dieser Zeitraum bei der heutigen Zinslage um rund 10 Jahre, bei ein Prozent Tilgung sogar auf insgesamt circa 60 Jahre. Zur Absicherung der Finanzierung oder als Vorsorge für zukünftige Bauherren ist Bausparen also ein dringend zu empfehlender Baustein. Nur so kann der Kunde sich schon heute die Zinsen für die Zukunft sichern.

Unter welchen Umständen können sich aktuell Bausparverträge noch lohnen?

Stefan Kraus hat die Interviewfragen für die WIFO beantwortet.(c) WIFO Wirtschafts- & Fondsanlagenberatung und Versicherungsmakler GmbHNeben den oben genannten Aspekten im Rahmen einer (geplanten) Immobilien-Finanzierung lohnt Bausparen auch heute noch als reine Sparform. Der Staat fördert mit der Wohnungsbauprämie von 8,8 Prozent und der Arbeitnehmersparzulage von 9,0 Prozent weiterhin das Vorsorgesparen der meisten Haushalte in Deutschland. Einige wenige Bauspartarife gewähren sogar noch Guthabenzinsen von über zwei Prozent.

Wie sieht der typische Bausparkunde aus?

Prinzipiell ist eigentlich jeder ein Bausparkunde, ob nun die Oma für den Enkel spart, der Azubi, der sein erstes eigen verdientes Geld beiseite legt oder die junge Familie, die in Zukunft Eigentum erwerben will. Es lässt sich ganz einfach sagen: Sparen hat noch nie geschadet!

Welche Fehler machen Kunden in Bezug auf das Bausparen?

Bei heute noch elf aktiven privaten Bausparkassen und zehn LBS-Bausparkassen mit jeweils durchschnittlich drei aktuellen Tarifen gilt es, für jede Planung den geeigneten Tarif zu finden. Wer nur sparen möchte, benötigt einen ganz anderen Tarif als der Kunde, der seine Finanzierung absichern möchte. Und wer für kleine bis mittlere Reparaturen vorsorgen möchte, benötigt wieder einen anderen Bausparvertrag. Wer sich hier blind auf die Empfehlung seiner Hausbank verlässt, landet schnell im falschen Tarif. Hier kann meines Erachtens nur ein unabhängiger Berater helfen, der die Angebote mehrerer Bausparkassen vergleichen kann.

Wohnriester ist die einzige Sparte, die aktuell in der staatlich geförderten Riester-Altersvorsorge boomt. Weshalb macht Bausparen in Kombination mit Wohn-Riester Sinn?

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Der Staat hat gerade aktuell die Grundförderung auf 175,00 Euro pro Jahr angehoben, die Kinderförderung beträgt 300,00 Euro für ab 2008 geborene Kinder und 200,00 Euro für ältere Kinder. Hier kommen schnell einige 10.000,00 Euro zusammen, die als Sondertilgung in die Finanzierung einfließen und zu einer schnelleren Rückzahlung führen.

Hat der Bausparvertrag eine Perspektive?

Versicherungsbote: Welche Perspektive sehen Sie in dem Produkt Bausparvertrag?

Stefan Kraus: Bausparen war schon immer aktuell und wird es auch bleiben. Auch wenn sich die Märkte ändern, reagieren die Bausparkassen mit neuen Tarifen, die sowohl dem Sparer als auch dem Finanzierungskunden Vorteile bieten.

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Warum sollten Vermittler auf Bauspar-Produkte setzen?

Kundenbindung ist das A und O für jeden Vermittler. Lasse ich eine Produktsparte liegen, öffnet sich die Tür für andere Vermittler. Und schon wird dieser den Kunden zum Beispiel auch auf Versicherungen ansprechen. Neben dem kurzfristigen Provisionsaspekt zählt hier die langfristige Kundenbindung, auch wenn es im Moment vielleicht nur um einen kleinen Vertrag über vermögenswirksame Leistungen geht.

Viele Vermittler stehen dem Bausparer nicht unbedingt positiv gegenüber. Welche Hintergründe hat das?

Der Hauptgrund liegt darin, dass viele Kunden einfach falsch beraten wurden, von wem auch immer. Wer zum Beispiel vor zehn Jahren seine Finanzierung mit einem Bausparvertrag mit nur einem Promille Sparbeitrag abgeschlossen hat, dem ist heute nicht geholfen, weil der Vertrag erst in weiteren 15 oder sogar 25 Jahren in die Zuteilung kommt. Ferner sehen viele Vermittler und alte Bausparkunden heute nur den hohen Darlehenszins bei den Altverträgen, die heute in die Zuteilung kommen. Der hohe Guthabenzins wird leider vergessen. Diese subjektiv negativen Aspekte geben dem Bausparen ein schlechtes Bild. Objektiv betrachtet kann ich auch das hoch verzinste Guthaben aus einem Altvertrag in einen Neuvertrag mit niedrigem Darlehenszins übertragen und habe dann beides: Hohe Guthabenzinsen in der Vergangenheit und einen niedrigen Darlehenszins in der Zukunft.

Wie hat sich das Geschäft mit Bausparverträgen in den letzten fünf Jahren geändert?

Die größte Veränderung sind die neuen Tarife, die in den letzten Jahren entstanden sind. So wie auf der einen Seite die Guthabenzinsen gesunken sind, sind auf der anderen Seite auch die Darlehenszinsen gesunken. Viele Bausparkassen versuchen auch aktiv, ihre reinen Sparkunden aus den Hochzinstarifen herauszukündigen.

An welchen Schrauben müsste die Branche oder sogar die Politik drehen, um Bausparen attraktiver zu machen?

Die Einkommensgrenzen für die Wohnungsbauprämie und Arbeitnehmersparzulage sind seit über zehn Jahren nahezu unverändert. Hier wäre eine Anpassung (also Erhöhung) an die Einkommensentwicklung und Inflationsrate dringend erforderlich. Ferner würde eine zusätzliche Kinderbausparprämie gerade jungen Familien helfen, schneller ins eigene Heim zu kommen. Jede Bausparförderung, die zusätzliches Wohneigentum schafft, entlastet sogar die Staatskasse. Alleine die Grunderwerbsteuer von bis zu 6,5 Prozent bringt sofort Gewinn in die Staatskasse. Ganz zu schweigen vom Neubau: hier kommt Mehrwertsteuer in die Kasse, Gewerbesteuer, Arbeiter haben Arbeit und zahlen Lohnsteuer - und so weiter.

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Die Fragen stellte Jenny Müller

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